Ein richtiger Ausflug

Fahrradfahren ist für mich immer eine Fortbewegungsart gewesen, ich bin früher jeden Tag stundenlang Rad gefahren, nur um von A nach B nach A nach C nach A zu kommen, und der Sinn von Radtouren wollte sich mir nie recht erschließen. Am Samstag haben wir aber mal etwas „fuera de lo común“ gemacht und sind mit dem Fahrrad zu Freunden gefahren, die in einem südniedersächsischen Bullerbü wohnen (und außerdem hier mitlesen, hallo Herr und Frau Handfeger!).
Dieses Bullerbü liegt Luftlinie nur etwa 15 km südlich von uns,
die gewählte Strecke ist laut Rad-Routenplaner gute 40 km lang (Percanto meinte beim Reifen Aufpumpen „haben wir eigentlich keine Freunde, die näher dran wohnen?“) und überwindet etwa 450 – 500 Höhenmeter, was sich auch so angefühlt hat. Etwa eine Stunde lang ging es jedenfalls im Wald nur bergauf. Aber schönes Bergauf! Und das Bachentlang und das Bergab und das Durchdiefelder vorher und nacher waren auch sehr hübsch. Wir haben viele Ober-, Unter-, Klein-, Nieder-, Groß- und Kirch- -hausens und -ganderns gesehen. Und ein gallisches Dorf mit einem „KERAMIX“, vielleicht war aber auch das K nur etwas schief. Und haben immer wieder auf die Karte geguckt, was Percanto sehr deutsch fand, und Springkraut hüpfen lassen.
In Bullerbü gab es Mittagessen, Tee, Kuchen, Gespräche, Sonne, Gänse und noch mehr Landleben und es war wie immer sehr schön. Auf dem unbergigen Rückweg, so ungefähr bei km 35, fing
Percanto dann an, von Maisfeld zu Maisfeld im Stehen zu fahren – „vielleicht hätte ich doch den Gelüberzug auf den Sattel tun sollen“, ja, vielleicht.
Wir haben noch zwei Maiskolben zum Abendbrot geklaut und dann war es nicht mehr weit. Wir hatten zwar etwas wacklige Oberschenkel, sind später am Abend aber noch Tango tanzen gegangen – Muskelkater würden wir schließlich so oder so bekommen.
Am Sonntag morgen im Bett zuerst die Beine geortet – und? Nichts! Pah, Betrug. So ein richtiger alles lahmlegender Muskelkater wäre jawohl das mindeste gewesen, der Trainingseffekt aus Schulzeiten dürfe schließlich inzwischen verloren sein. Pff. Nächstes Mal fahren wir über den Harz nach Bullerbü. Und dann wollen wir doch mal sehen.
Veröffentlicht unter Reisen

In Klausur

Ich bin jetzt übrigens im selbstgewählten Exil, zum gleichzeitigen Erholen und Arbeiten. Konzentrieren. Vorankommen.
Die Wolken fliegen schwarz, die Bäume stülpen sich auf links, die Touristen tragen in Sandalen und Kapuzenjacken die Kescher in der Stadt spazieren, die Windräder wirbeln etwas atemlos und die Kühe lassen die Ohren flattern; so richtiges Sommerwetter ist also nicht, aber Wind. Und Meer. Und der Apfelbaum vor dem Fenster hat mehr Äpfel als Blätter, die nur leider nicht schmecken (weder die Äpfel noch die Blätter). Nordsee!
Da ich ja, einerseits, arbeiten will und man, andererseits, im Internet hier noch jede Null und jede Eins manuell eingeben muss, werde ich mich (vielleicht!) etwas rar machen.
(Vielleicht, denn „eigentlich arbeiten“ ist ein prima Grund mal ein bisschen zu bloggen.)
Veröffentlicht unter Reisen

gen Süden


Flight LA 705: boarding, nehme ich an.
Abflug 19:35
Ankunft 12:35 (+), Ortszeit.

In einem Monat ist er wieder hier. Und ich wär so gerne mitgeflogen…

Veröffentlicht unter Reisen

Hochzeit auf dem Lande

Als ich nach ihrer Kommunion meine Tasche packte, steckte meine Patentocher mir drei Päckchen Kaugummi zu: „Hier, die schenke ich Dir, die kannst Du essen, wenn Du unterwegs Hunger bekommst.“
Wie weit Kaugummis gegen Hunger helfen, sei dahingestellt, aber auf jeden Fall hat diese Grundschülerin damit mehr Einfühlungsvermögen in Mägen von Gästen bewiesen als die Erwachsenen, bei denen wir am letzten Wochenende eingeladen waren.
Wir waren bei Traumwetter in einer wunderschönen Gegend, um in einem Kloster mit Blick über das Rheintal Hochzeit zu feiern. Alles ließ sich wunderbar an: Als wir uns an einem ziemlich einsamen Bahnhof inmitten von Weinreben wiederfanden und eine Frau nach dem Weg ins Kloster fragten, taxierte sie kurz unser Gepäck (für ungefähr 3 Wochen, incl. Kleidersack mit Percantos Anzug, Riesengeschenk und Gitarre) und fuhr uns dann einfach hoch. Wir waren sofort weit weit weg von Uni, Arbeit, Schule und in bester Urlaubsstimmung.
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir mit Aufbauen und Tische tragen und – kurz abgeseilt – einem kleinen Spaziergang durch Weinberg und Kornfeld, wo wir einen noch etwas sauren Klosterapfel klauten; das eine Reisebrötchen vormittags war nicht viel für den Tag gewesen, im Kloster gab es nichts und zum Abendessen bei den Brauteltern sollten wir so gegen 19 Uhr ins Dorf kommen. Percanto war da schon deutlich unterzuckert, und es gab dann, nachdem wir auch dort im Garten Stühle und Bänke aufgestellt hatten, für etwa 20 Leute eine Schüssel grünen Salat, etwas Rohkost und ein wenig gebackene Kartoffel vom Blech, lecker aber sehr übersichtlich.
Der Wein war gut. Percanto flüsterte mir irgendwann zu, wir sollten sehen, dass wir auf dem Heimweg noch einen Döner bekämen; im ganzen Ort gab es aber keinen Laden und nichts zu essen außer mäßig reifen Äpfeln vom Baum. Zum Glück gab es später noch ein wenig Käse, von dem der Cousin einiges unter dem Tisch hortete (das ergab sich so) und mit uns teilte.
Zurück im Kloster haben wir uns dann mit den anderen jungen Gästen über die Anweisung des Brautvaters (Einschluss um 22.30 Uhr) hinweggesetzt und uns mit einer Flasche Bier (jeweils! Heißa!) auf eine Bank gesetzt und diese laue Sommernacht genossen.
[Bild von links nach rechts: Apfel- und Birnbäume (unreif), Percanta beim Filmwechseln (mehr Fotos vielleicht nach dem Entwickeln), Wein (sehr unreif), Aussicht (nicht im Bild)]
Der nächste Tag war kulinarisch noch heikler; nachdem zwischen 9 Uhr (Frühstücksende im Kloster) und Trauung ab 15 Uhr nichts zu bekommen war und wir vermeiden wollten, dem Pfarrer in der Kirche die Hostien abzunehmen, haben wir ein Tütchen Dinkel-Oliven-Kekse im Klosterladen gekauft (das einzig Essbare dort, und auch wenn Bruder Rudolf meinte, mit Rotwein seien die bestimmt noch besser, vor allem bei 35° mittags, haben wir uns mit Kekslein und einem weiteren grünen Apfel für die größte Not begnügt.) Auch nach der Trauung gab es erst mal nichts, nicht mal Reis, dann aber Fotos – und ich habe die Gesellschaft überredet, das Brautpaar nicht NUR vor dem Stromhäuschen zu fotografieren sondern, zum Beispiel, auch mal auf der anderen Wegseite vor dem See. Auf der Bank oder mit Familien (die „Tantenbilder“!) wollten sie dann irgendwie nicht mehr, dennoch, eine gute Tat pro Tag.
Dann gab es Sekt, eine längere Vorstellungsrunde und nur eine weitere Stunde später eine Brezel, die, wie unsere neue Bekanntschaft sich freute, nach diesem Tag wirklich ausgezeichnet schmeckte.
Doch doch, es gab später am Abend auch noch etwas zu essen, und als die Hälfte der Gäste gegangen war, sogar Kuchen. Die rebellische Gruppe der jungen Gäste hatte irgendwann die meines Erachtens verlockende Idee, statt „Frühstück bis 9“ erst nach dem Aufwachen selbst Kaffee zu kochen und dann von den Resten des Blechkuchens und des Buffets zu essen. Die Braut meinte allerdings, das ginge nicht, den Kuchen bräuchten sie noch am Nachmittag. Ah.
Ich bin bestimmt nicht aufs Essen fixiert und hab auch oft gedacht, dass diese ewige Esserei in Gesellschaft doch doof sei. Am Wochenende habe ich aber gemerkt, dass man sich viel willkommener fühlt, wenn der Gastgeber einem etwas zu essen anbietet und dass Partys doch mehr Spaß machen, wenn man halbwegs satt ist.
Und noch mehr Spaß machen sie, wenn der Brautvater im Tanzsaal nicht dauernd die Musik ausdreht, damit die Mönche zwei Häuser weiter schlafen können. Wir vier Willigen haben trotzdem getanzt.
Dennoch waren es zwei guttuende Urlaubstage: Die Aussicht war fremd und von weit oben, das Wetter zikadig hochsommerlich, das Kloster idyllisch, die Blumensträußchen waren hübsch und ländlich, die neuen Bekanntschaften aus Sachsen nett und lustig und die Braut strahlend und schön. Und sagte am Sonntag, dass es ein tolles Fest war. Das ist das wichtigste.

[Und ich werde wegen Meckerns vermutlich nie wieder irgendwo eingeladen. Nicht bei den Bloglesern jedenfalls. Dabei liebe ich Hochzeiten. Gerade auf dem Lande. Wirklich.]

Veröffentlicht unter Reisen

Höhentraining

Ganz ehrlich?
Ich war beim Wochenendbesuch in der Männer-WG zwischendurch ganz froh, längere Zeit in Südamerika gelebt zu haben und dabei zum Beispiel auch mal auf der Titicaca-Insel Taquile über einem Hühnerstall übernachtet zu haben. Oder in Pensionen, deren Duschen man eigentlich nur mit Turnschuhen betreten konnte. Oder auf dem Busbahnhof von Tacna. Oder in dieser Abstellkammer mit den fünf Katzen. Höhentraining, quasi.
Sehr lachen musste ich aber in der Küche: Wahrscheinlich gibt es eine Geschichte dazu, aber leider habe ich nicht erfahren, wie das ganze Konfetti in den Kühlschrank gekommen ist.
Veröffentlicht unter Reisen

Geographie

— Huch, ein altes vergessenes Posting gefunden. Da es in einem Zug spielt, passt das mit der Verspätung aber, also geht es trotzdem noch online. [„Dieses Posting hat zur Zeit eine Verspätung von etwa einem Monat. Anschlusspostings werden nicht erreicht. Wir bitten um Ihr Verständnis. Thank you for travelling with Percanta.“] —

Im ICE von Stuttgart nach Hamburg, wir befinden uns einerseits zwischen Göttingen und Hannover, andererseits im Großraumwagen mit etwa 30 heftig (vor-)pubertierenden Kindern. Da es der Freitag des letzten Bundesligawochenendes ist, stimmen einige Kinder immer wieder „Deuuuutscher Meister!“ an, und ihr Dialekt kommt nicht aus dem Ruhrpott, weshalb sie Recht behalten werden. Wenn sie nicht gerade singen resp. grölen, fotografieren sie sich gegenseitig (mit oder ohne Baseballkäppi des großen Jungen) und sticheln und suchen Körperkontakt. Ebenfalls in Gruppen reisende Frührenter kommen durch den Waggon, singen und fotografieren sich gegenseitig (alle mit eigenen beigen Sonnenhüten) und fragen die Jungen: „Ah, Tokio Hotel?“ – Einstimmige Antwort: „Nein! Die sind doch voll bescheuert!“
Die nächsten zehn bis zwanzig Minuten imitieren die Jungs am Nachbartisch Tokio Hotel in den höchsten Tönen. Dann plötzlicher Themawechsel:
Junge 1: „In welchem Bundesland liegt eigentlich Thüringen?“
[tumultartige Szenen, Antworten irgendwo zwischen „bist du bescheuert“ und „wie, Bundesland, kann doch gar nicht.“]
Junge 1, geographisch verunsichert: „Und Hannover? Von welchem Bundesland ist das die Hauptstadt? Nordrhein-Westfalen, oder?“
[beifälliges Gemurmel. Man einigt sich auf „wahrscheinlich Nordrhein-Westfalen“.]
Junge 2: „Und Göttingen? In welchem Bundesland liegt das denn? Auch in Nordrhein-Westfalen oder in Hessen?“
Mädchen 1: „Oder Thüringen.“
[Sie kommen in der Diskussion nicht recht weiter, aber Rettung naht in Gestalt einer fülligen Schaffnerin.]
Schaffnerin: „Göttingen liegt in Niedersachsen.“
Junge 1: „Nie-der-sach-sen? Nee, das kann doch gar nicht.“
Schaffnerin: „Doch, Niedersachsen.“
[Schaffnerin ab.]
Junge 1: „Niedersachsen… die spinnt doch voll…“
Nach einiger Diskussion darüber, ob die Schaffnerin bei SOLCHEN Aussagen vertrauenswürdig sei, einigt man sich: Tokio Hotel ist voll peinlich.

Veröffentlicht unter Reisen

National Geographic unterwegs

Als norddeutsche Protestantin schwachen Glaubens bei einer Erstkommunion im Ruhrgebiet. Ich habe mich gefühlt wie auf Exkursion.
Bei der Messe herrschte Fotografierverbot, was aus Konzentrations- und Andachtsgründen zu begrüßen, aus völkerkundlich-fotografischer Sicht allerdings bedauerlich ist. Der Pastor, der mich beim Textteil „manche Eltern kommen nach der Kommunion nie wieder her“ schon so böse fixiert hatte, sprach dieses Fotoverbot zu Beginn des Vorbereitungsgottesdienstes, am Ende des Vorbereitungsgottesdientes und zu Beginn des Gottesdienstes noch einmal aus: „Die Familien machen bitte während der Messe keine Fotos, ja“, und ich wollte mich eigentlich melden und sagen, dass ich Ethnologin aus Niedersachsen sei, oder dass ich von der GEO-Redaktion käme und darum auf jeden Fall fotografieren…, aber man soll ja nicht lügen, auch in der Kirche nicht. Am Nachmittag beim Dankgottesdienst (vor dem Erinnerungsgottesdienst am Montag bin ich abgereist) durfte man aber. Zwar nicht ganz explizit, aber nachdem vorne schon Gegenstände gesegnet wurden und die Kinder ihre Schau-Prozession um die Kirchenbänke beendet hatten, habe ich das Verbot für aufgehoben gehalten und bin nach vorne gegangen, die feine Contax am Auge und sofort ein Dutzend Väter hinter mir, die nur auf ein Zeichen zumm Knipsen und Filmen gewartet hatten. Schöne National-Geographic-Momente hatte ich schon verpasst, die Kerzenprozession, die Verwandlung von Brot in Hostien oder das Weihwasserspritzen und die Reaktion meines Patenkindes, das sich schüttelte und sich das Wasser mit dem ganzen Arm aus dem Gesicht rieb. Aber immerhin, ein wenig Pastor, Ministranten und weiße Kleidchen hatte ich noch.

Dass man sich fremd fühlt, wenn man als einzige aufsteht, wo die anderen knien, hatte ich erwartet, die Liturgie immer in die falsche Richtung zu singen ist auch völlig in Ordnung. Aber all diese kleinen Bräute, die kindgerechte Zerkleinerung aller Bedeutung in Verbindung mit dem Anspruch, das Taufversprechen nun, da sie alle groß und verständig seien, zu erneuern, die Verherrlichung von Dingen, das war schon sehr befremdlich.
Und warum müssen moderne Kirchen so hässlich sein, und warum dürfen sie statt mit Orgelbrausen nur mit modernen Anbetungsliedern gefüllt werden, diesen von Keyboard und Gitarre begleiteten Poesiealbum-Texten?
Selten so lutheranisch gefühlt.
 

Veröffentlicht unter Reisen

Heilig heilig

Morgen fahre ich Richtung Westen, in mir fremde Gebiete dieses Landes: Mein Patenkind hat Kommunion und die Anwesenheit der Tante ist da natürlich Pflicht und Wunsch.
Sollte am Sonntag nach Himmelfahrt eine katholische Gemeinde im Ruhrgebiet exkommuniziert werden, so liegt das vermutlich an der Patin, die dem Heiligen Akt beigewohnt hat und dann als Protestantin enttarnt wurde. War doch so, dass bei Anwesenheit von Protestanten beim katholischen Abendmahl der Pastor nach Tumi verbannt und die Gemeinde aufgelöst wird, oder?
Und ums Abendmahl geht es ja wohl bei einer Kommunion. Lauter kleine Bräute Christi. Es wird spannend.
Veröffentlicht unter Reisen