Noch ein Stöckchen. 12 Fragen für Euch

Eigentlich haben doch alle genug Fragen beantwortet, dachte ich. Haben sie aber nicht. „Och“, sagten sie und verlangten nach einem weiteren Fragenstöckchen.
Die letzten hatten alle elf Fragen, ich hab aus irgendeinem Grund jetzt zwölf. Wahrscheinlich weil ich das mnit der Elf nicht verstanden habe.

Dabei fällt mir ein: Kennt Ihr Christian Morgensterns Gedicht vom Zwölfelf? Bitte:

Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
und sprach: „Ich heiße unbequem.
Als hieß ich etwa Drei-Vier*
statt Sieben – Gott verzeihe mir!“

Und siehe da, der Zwöfl-Elf nannt sich
von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.

*“Das Problem“ gehört zu einem der Gedichte, die ich auswendig kann. Aber *diesen Vers erinnere ich so: „als hieße etwa ich Drei-Vier.“ Dann passt auch der Rhythmus.
Jedenfalls kommen hier zwölf Fragen, die jede/r bei sich zu Hause (mit Link, bitteschön) oder hier beantworten darf, der das gerne möchte oder sonst nicht weiß, was er bloggen soll.
Und wenn mir dann nochmal elf einfallen, haben wir dreiundzwanzig. Das ist doch auch schön.

 

  1. Du wirst vom Radio zu einer Sendung eingeladen, sie führen eine Stunde lang ein Gespräch mit Dir. (Sowas wie „Doppelkopf“ auf HR2). Du darfst Dir dafür fünf Musikstücke wünschen. Welche?
  2. Frösche, Pinguine, Eulen. Welches putzige Tierchen wird als nächstes unsere Kaffeetassen, Umhängetaschen, Postkarten, Shirts und Dekokissen bevölkern, bis auch die treusten Fans es nicht mehr sehen können? Waschbären? Langohrigel? Irgendjemand, den wir noch gar nicht auf dem Schirm haben?
  3. a. Was war Dein liebstes Was-ist-Was-Buch?
    b. Hast Du Deinen Beruf entsprechend ausgewählt?
    Wenn ja: alles richtig gemacht? Wenn nein: Warum nicht? Und wäre das Was-ist-Was-Thema besser gewesen?
  4. Sternzeichen, Aszendent, Blutgruppe, Geschwisterposition oder die Gene. Steht Dein Leben unter irgendeinem ‚Stern‘ oder hast Du Deine Charakterbildung selbst in der Hand?
  5. White wine to the fish?
  6. Mustermix, Patchwork, Color-blocking oder doch eher Ton in Ton? (In Kleidung, Haaren, Familie. Du entscheidest.)
  7. Eine Frage aus der Mottenkiste: Welche Comic- oder Zeichentrickfigur bist?
  8. Welcher Einfall der Natur hat Dich zuletzt überrascht? Oder hört nicht damit auf, Dich zu faszinieren?
  9. Was hast Du gerade in Deinen Hosen- und/oder Jackentaschen?
  10. Sehr schön. Ich würde mich freuen, wenn Du über einen dieser Gegenstände ein Gedicht schreiben könntest. Einen Haiku, einen Limerick, einen Vierzeiler für’s Tageblatt, ein Sonett, egal. Wenn es Dir lieber ist, kannst Du auch was zeichnen. Oder tanzen. Oder eine Oper dazu komponieren. Nur: Wir würden das hier gerne sehen!
    Und wenn die Antwort aus 9 Dich nicht inspiriert, nimm die 2.
  11. Geht es eigentlich auch wieder etwas weniger hysterisch? (Bzw.: alle bekloppt?)
  12. Haben Sie denn noch irgendwelche Frage an uns?

 

Stöckchen

Mir wurde ein Stöckchen nachgeworfen, mit übersichtlichen vier Fragen. Liebe Moepern – hier die Antworten!

1. Wie lang waren deine Haare, als du 17 warst?
Ich kann ja nur zwei Frisuren. Irgendwie lang (schulterlang bis Mitte des Rückens), die dann hochgetüddelt oder im Pferdeschwanz oder, bis ich etwa 10 Jahre alt war, auch in Zöpfen. Die andere Variante ist stumpf kinnlang geschnitten (mal bis zum Mundwinkel, mal hinten kürzer, bis zur Einschulung als klassischer 70er-Pottschnitt mit verhangener Stirn). Mit 17 waren sie glaube ich kinnlang, dabei oft mit einem schmal zusammengelegtem kleinen Halstuch aus dem Gesicht gehalten. Und als ich letztens Fotos aus der Zeit gesehen habe: ganz schön viele Haare waren das!

2. Wann (Alter) und warum hast du dich entschieden, das zu studieren, was du studiert hast?
Ungefähr mit 18, im letzten Schuljahr. Meine Berufswunschfolge war:
1. Anstreicherin. Dann durfte ich beim Renovieren helfen, hab die Farbrollen kaum hochbekommen und mir das nochmal überlegt. Dass man evtl. irgendwann im Leben mehr Kraft hat als mit fünf Jahren, das hat mir damals keiner verraten.
2. Zuckerbäckerin. Keine Ahnung, was mich davon abgebracht hat.
3. Schauspielerin am Theater. Das wollte ich ja für viele, viele Jahre, dringend, innig. Ich habe selbst Stücke geschrieben, um so Lehrerinnen zu erpressen, für mich Theater-AGs einzurichten. Ich habe beim „Kulturkarussell“ als einziges Kind beim Erspielen von Kostümen aus dem Theaterfundus mitgemacht (Igel), ich habe mich bei den „Bettkantengeschichten“ beworben, obwohl Fernsehen. Aber ohne Foto, folgerichtig habe ich nie eine Antwort bekommen. Ich wollte spielen. Und von einem auf den anderen Tag war in der 8. Klasse alles vorbei. Ein Mitschüler sagte, das muss Percanta machen, die will Schauspielerin werden. Und ich sagte „will ich nicht mehr“, und so war es.
Nach dem Abi hab ich dann doch noch Praktikum am Theater gemacht, aber die Leute waren mir zu anstrengend. Den ganzen Weg vom Probenraum zum Büro der Dramaturginnen zu gehen, nur um dann da im Affekt einen Mülleimer über den Flur zu treten, hm. Hat mich nicht überzeugt. Außerdem wollte ich sehr gerne studieren. Studentin als Berufswunsch. Oder aber:
4. Illustratorin oder Restauratorin. Darum habe ich eine Kunstschule besucht und Praktikum beim Grafik-Designer gemacht, mich auch erkundigt, wie es mit einer Ausbildung als Steinmetz vor dem Studium aussieht. „Als Mädchen? Nee…“
Und dann habe ich, nicht zuletzte wegen meines Deutsch-LKs, beschlossen,
5. Literatur zu studieren. Weil das immer eine Konstante meiner Interessen und Begabungen war. Erst als Komparatistik, über ein obligatorisches Fremdsprachen-Nebenfach bin ich dann zu Spanisch gekommen, später Studium zweier Philologien.
Als Gasthörerin habe ich anfangs noch Biologie-Vorlesungen gehört, und als ich Archäologie als Nebenfach machen wollte, haben sie mir das ausgeredet (und ich war sehr unsicher und habe mir alles einfach ausreden lassen).
Mein Rat wäre ja: Studiert das oder lernt das, was Eurem liebsten Was-ist-Was-Buch entspricht! Literatur gibt es da zwar nicht, von daher hat das auch ohne Was-ist-Was-Titel Gültigkeit, aber „Versunkene Städte“, „Paläontologie“ oder „Vulkane“, hach. Ich würde immer noch gerne Dinge ausbuddeln.
Und ich denke immer noch, mein Fremdsprachenstudium hätte sehr wohl zu Archäologie gepasst. Mittelamerika und Südamerika haben da auch Fundstellen, die mich schon damals mehr interessiert haben…

3. Bist du Arbeiterkind, Akademikerkind, Mixed oder was anderes? Hat das Auswirkungen auf dein Benehmen anderen gegenüber oder bist du “Habituschamäleon”?
Ein Mixkind. Aber beide Eltern waren im gleichen Bereich tätig, nur eben eine mit zwei Ausbildungen, einer mit Studium. Dieser Bereich kam in meiner Berufswunschliste nie vor, was ich später oft sehr bedauert habe.
Mein Benehmen anderen gegenüber – das kann ich nicht beurteilen. Mein chilenischer Lyriker sagte auf dem Land in Südchile mal über mich, als ich auf dem Boden saß und fotografierte und beobachtete, und ein anderer Chilene mir dringend einen Stuhl holen wollte und ich aber „kein Problem“ mit meinem Platz auf dem Boden hatte, ich hätte nie ein Problem mit irgendwas und sei „más chilena que mote con huesillos“, ich sei also chilenischer als „mote con huesillos„, ein typisches Gericht. Demnach Habitats-Chamäleon. Habitus, ich weiß nicht. (Zumal mehr als akademische Titel oft die Präposition im Namen den ersten Eindruck prägt, und dann die Enttäuschung, dass ich weder Pferde noch Schloss, Diener oder Krönchen habe. Aber natürlich Zacken, die ich mir aus selbiger brechen kann. Oder? Das mögen andere besser beurteilen.)

4. Republica oder CCC? Oder beides? Oder keines?
Keines. Republica ist der Kirchentag der Internetnutzer, nicht wahr? Da zieht es mich nicht hin, wie auch nicht zum Treffen derer, die sich Fische aufs Auto kleben. („Mama, das sind Leute, die Gott kennen!“)  Aber zur Buchmesse fahre ich gerne! Und kleide mich dann auch habitus- und habitats-gerecht mit Rock und Stiefeln.

 

Shortlist!

Mein Weltkriegsblog Fürchtenlernen , das inzwischen ja abgeschlossen ist, wurde für den „Goldenen Blogger 2014“ nominiert! Aus 1924 Vorschlägen (hui!) hat es Fürchtenlernen auf die Shortlist für den Preis des besten Tagebuch-Blogs 2014 geschafft Hurra!

Die Entscheidung treffen dann die LeserInnen – Ihr dürft heute Abend ab 20.15 abstimmen. Und zwar hier: Fienes Goldener Blogger 2014.

Würde sich diese Statuette nicht wunderbar auf meinem Schreibtisch ausmachen? Bestimmt! Ich bin gespannt.

Veröffentlicht unter Blog

Stöckchen: Mein Jahr 1991

Ich habe mich bei Frau Serotonic aufgedrängt und darf beim aktuellen Stöckchenwerfen mitspielen. Mir wurde zur Beantwortung der immer gleichen Stichpunkte plus möglicher Ergänzungen das Jahr 1991 zugeteilt. Vielen Dank!
1991 war ich von heute aus gesehen noch relativ klein, und die Zahl würde ich gerne in meiner damaligen Handschrift darstellen, mit Füller geschrieben. Diese Zahl leuchtet als einzige Jahreszahl so geschrieben vor meinem inneren Auge auf. Ich wurde nämlich 1991 konfirmiert und habe nicht nur alle Einladungen, sondern auch alle Speisekarten für alle Gäste handschriftlich geschrieben. Das hieß – ohne Tintenkiller – etwa 3 Karten pro Gast, bis es saß. (Es gab Rosmarinkartoffeln, Krustenbraten, irgendwas mit „der Saison“ und den Rest weiß ich nicht mehr – ich dachte, durch mehrfaches Aufschreiben behält man so etwas besser?!)
Also, 1991:

Alter: Die erste Jahreshälfte 14, die zweite 15.

Beziehung: Ich habe es mir 1991 noch extrem peinlich vorgestellt, mit jemandem beim Händchenhalten gesehen zu werden. Neinein. Keine Beziehung. Noch lange nicht. Kompliziert war es trotzdem:
Ich hatte Tanzstunde, und wir gingen mit einer ganzen Gruppe gemeinsam. Dass ich mit W. tanzen würde, war eigentlich ausgemachte Sache seit der 7. Er wollte dann aber auf einmal lieber mit C. tanzen, und so traten schließlich der übriggebliebene M. und ich miteinander als Tanzpaar an. Oder gegeneinander. M. hatte überhaupt keine Lust (und sagte mir das auch regelmäßig) und hat mir noch am Vormittag des Abtanzballs gesagt, er würde nicht kommen. Er kam dann doch, hat aber nach dem Pflicht-Vorführtanzen des Anfängerkurses nicht mehr auf die Tanzfläche gewollt. Den zweiten und dritten Kurs tanzte ich dann mit S., der „Gastherr“ war und nicht bei uns auf der Schule. Er fragte mich später, ob ich nicht mit ihm in der Formation tanzen wollte, aber das wollte dann wieder ich nicht so gerne.
Mein Teddybär hieß Pu.

Beruf: Achtklässlerin. Neuntklässlerin. Tochter. Große Schwester.
Ungefähr in dieser Zeit begann das große Zweifeln in Sachen Berufsfindung. Bis dahin wollte ich – seit der 3. Klasse etwa – Schauspielerin am Theater werden. Das war von einem Tag auf den anderen vorbei. Ich wollte dann Illustratorin werden (später Restauratorin), und das Berufspraktikum in der 9. (war das 1991 oder schon 1992?) habe ich bei einem Grafik-Designer gemacht. Wegen der Brandanschläge auf Asylbewerberheime haben wir als besonderes Projekt in diesem Praktikum Plakate gegen Ausländerfeindlichkeit erstellt, das war eine ziemliche gute Sache. Es war ja auch das Jahr, in dem ich immer Kerzen in der Jackentasche hatte, weil ja irgendwo eine Lichterkette sein könnte. Und für das Praktikum (es gab noch ein paar Aufträge, die nicht fertig waren, als das Praktikum um war) habe ich zum ersten (und möglicherweise einzigen Mal) Schule geschwänzt (und nach der Englischarbeit Krankheit vorgetäuscht). Ich war schon sehr brav. Möglicherweise hätte ich für die Arbeit an den Plakaten (die später von einem Schulbuchverlag auf Messen verteilt wurden) sogar frei bekommen, aber am Abend war mir tatsächlich übel, vor Aufregung, denn das Büro des Designers war mitten in der Innenstadt, wo ich natürlich Lehrern über den Weg laufen konnte. Dafür war ich nicht gemacht. (Bin ich noch immer nicht.)

Musik: Hier werden wahrscheinlich Fantum, Bravostarschnitte und Boy Groups oder Rocknroll erwartet. Nichts davon. Ich hatte inzwischen mit Blockflöte (jaha) aufgehört, betrieb beim Klavierunterricht einen Kleinkrieg mit dem aktuellen Lehrer (wegen Wechseln an die Schulen, Mutterschutz und ähnlichem hatte ich jedes Jahr eine neue Klavierlehrerin, bis es schließlich Herr C. wurde). Wir fingen die Stunden damit an, dass ich mich darüber empörte, dass er mit KUGELSCHREIBER in meine Noten schrieb und fanden bis zum Ende immer weitere Aufreger. (Im Nachhinein weiß ich: zu Recht.)
Mit dem Klavier wurde es nicht mehr so recht, aber ich hatte mit Klarinette inzwischen sowieso MEIN Instrument gefunden und war nun im Schulorchester.
Im Schulchor war ich auch, aber der war wegen der aberwitzigen Probenzeit (nullte Stunde am Donnerstag Morgen) so winzig, dass ich eher aus Verantwortungsgefühl denn aus Spaß dabei blieb. Wir haben sehr mutige Sachen gesungen, aber die anderen riesigen Schulchöre der anderen Gymnasien, die Beatles-Songs oder California Dreaming sangen, verlachten unseren Reger als Einsingübungen. Wir standen in der härtesten Zeit mit 17 Leutchen um den Flügel und haben durch die zusammengebissenen Zähne gesungen.
Heute singe ich wieder und liebe (und aktuell: vermisse!) meinen wunderbaren Chor. Aber dass ich nicht mehr Klarinette spiele (im Studium hatte ich das Orchestervorspiel verpasst, nach Peru hatte ich sie nicht mitgenommen, und die dort ausgeliehene Klarinette war eine Oboe…), das bedaure ich immer noch. Mit Zeit und Geld mal wieder Unterricht und wieder richtig reinkommen, das wäre schön.

Haare: Ich hatte in meinem Leben vier Frisuren: Anfangs keine, dann Rundschnitt (bis zur ersten Klasse), seither im Wechsel entweder lang (zwischen Schulter und mittlerer Rücken) und aus dem Gesicht und meist im Pferdeschwanz, losem Dutt oder Zopf (und vor 30 Jahren: Zöpfen) oder aber etwa kinnlang geschnitten, ohne Pony.
Heute hab ich die Pferdeschwanzversion, 1991 hatte ich sie kinnlang. Da ich offene Haare auch in der kurzen Version nicht gut haben kann, hatte ich oft seitlich eine Spange drin oder ein kleines Halstuch gefaltet und zusammengeknotet und als Haarreif benutzt.
(Vielleicht sollte ich mal was anderes machen, aber – was? Kurze Haare sehen bei dunkelhaarigen Frauen oft nach Frankreich aus, bei blonden wie mir aber eher nach Ostfriesland. Stimmt ja auch irgendwie auch, aber.)

Sport: Ich war Leichtathletin, und 1991 wie schon 1990 hatten wir uns für das Bundesfinale Jugend trainiert für Olympia qualifiziert. Die Regenjacken habe ich immer noch, auch wenn das Finale 1991 eine überwiegend schlechte Erinnerung ist. 1990 hatte ich Lungenentzündung (wusste das aber zu dem Zeitpunkt nicht), die Mannschaft der (gerade noch) DDR durften erstmals und außer Wertung teilnehmen und wir wurden am Ende 5. Klingt gut, aber da vor uns gefühlt ständig die Mannschaften unserer Schule gewonnen hatten, lag die Latte hoch. Sehr hoch. Wir haben sie nicht mehr übersprungen. 1991 nahmen am Finale erstmals alle 16 Bundesländer teil, und die Zielvorgabe war, nach den Kinder-und-Jugend-Sportschulen der „neuen Länder“ und dem Sportinternat aus Bayern zu landen. Diese Sportschulen waren unschlagbar. Wir lagen unter dieser Vorannahme ganz gut, ich war über 100m gestartet und im Kugelstoßen angetreten. Die dritte Disziplin, für die ich aufgestellt war, war die Staffel. (Jeder darf bei Jugend trainiert in maximal drei Disziplinen starten, gewertet wird alles; wenn pro Disziplin drei Schüler starten, gibt es evtl. ein Streichergebnis). Der Wettkampftag endet mit der Staffel, die dort erzielten Punkte entscheiden also den finalen Platz. Es gibt nur eine Staffel pro Mannschaft, ein Streichergebnis ist nicht möglich.
Ich lief auf Position 3, Kurve, das mochte ich, den Stab in der rechten Hand, so kann man in der Kurve noch besser in Schwung kommen, und ich war schnell an diesem Tag. Etwas zu schnell, oder G. war etwas langsam, oder die komische Kampfrichterin, die gemeint hatte, man dürfte nicht mit Kreppband markieren, wo man steht und auf die Läuferin vor einem wartet, wo man also losläuft, wenn sie die gelbe Linie passiert, eventuell hatte diese Kampfrichterin meine Markierung doch versetzt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls lief ich los und G. davon. Sie rief „hepp“, meine Hand ging raus, aber sie erreichte mich nicht. Bis ich das verstand und abbremste und der Stab endlich in meiner Hand lag, hatten wir den Wechselraum verlassen. Ich lief durch, der Wechsel war wackelig, aber wir hatten den Stab trotzdem ins Ziel gebracht und sogar trotz des Wacklers in einer guten Zeit. Ich ging dann zu meiner Startposition zurück und schlich mit meiner Trainingsjacke über den Kopf gezogen quer über den Platz zur Ziellinie, zur Mannschaft, zum Trainer. Der baute mich auf, die Zeit sei doch prima und G. hätte mich ja noch gekriegt. Da unser Wechsel immer sicher war, hatte er woanders an der Bahn gestanden und die rote Fahne nicht gesehen. Wir waren disqualifiziert, bekamen null Punkte für die letzte Disziplin und landeten damit auf dem letzten Platz.
„Berlin trotzdem eine Reise wert“, stand später in der Zeitung. Auf dem Mannschaftsfoto sieht man uns das nicht wirklich an.

Aufenthaltort: Zu Hause an der Nordsee. Auf Klassenfahrt auf Wangerooge. In der Schule, beim Sport, bei der Musik, auf dem Rad unterwegs, zum Schlafen zu Hause.
(Es fehlt mir oft, am Meer zu sein.)

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Stöckchen heißt natürlich: Ihr könnt mitspielen. Wer ein Jahr haben möchte, einfach melden.

Historische Tagebücher

2014 ist ja das lang angekündigte Jubiläumsjahr für alles mögliche, 100 Jahre erster Weltkrieg, 75 Jahre zweiter, 25 Jahre Mauerfall,  5 Jahre Nuno, um mal nur ein paar Jahrestage zu nennen. Ein Rückblicksjahr also, und wir blicken mit.
Mein Tagebuchprojekt Fürchtenlernen mit dem Tagebuch meines Urgroßvaters von 1914 liegt momentan auf Eis, aus strukturellen Gründen und weil ich momentan schlicht keine Zeit habe, das soll sich aber wieder ändern, hoffentlich noch im November.
Dem Jahr 1989 widmet sich Carola alias Frische Brise. Sie war 1989 zwölf Jahre alt, lebte in Ost-Berlin und ihre offenbar den Atem der Geschichte ahnenden Eltern hatten ihr vorausschauend gerade ein Tagebuch geschenkt, das sie im Januar 89 begann – und nun mit uns teilt. Mit Marmor-Jeans, einem Ausreiseantrag, Schulnoten, Pferden, Jungs, dem Moosmutzel und dem Mauerfall.
Hier entlang:
Mein Mauerfall 1
Mein Mauerfall 2
Mein Mauerfall 3
Mein Mauerfall 4
Sehr spannend. Ich habe an 1989 sehr viele Erinnerungen, auch sehr konkrete an die Situation vor und nach der Wende, aber nicht an den 9. November. Ich war 13 und ich habe das alles (im Westen) sehr bewusst miterlebt, aber auf die Frage, wo ich war, als die Mauer fiel, kann ich nicht antworten. Im Bett? Wie spät war es eigentlich, als sie wirklich fiel? Mein eigenes Jugendtagebuch beginnt leider erst 1992, hüpft dann in wenigen Seiten bis 1995, um dann nur kurz an Dichte und Umfang zuzunehmen. Wie schön, das bei anderen lesen zu dürfen!

Tagebuch, 100 Jahre später

28´072014 Großeltern 005Das ist mein Urgroßvater Curt. Er ist einer der vielen jungen Männer, die vor genau 100 Jahren in den Krieg zogen. Mein Urgroßvater war Hauptmann im Königlich-Sächsischen Leibgrenadierregiment Nr. 100 in Dresden, seine Abreise Richtung Belgien und Frankreich fiel auf den 7. August 1914. Zur Zeit wird viel darüber diskutiert, wie begeistert die Bevölkerung 1914 tatsächlich war über den Kriegseintritt – er jedenfalls war freudig aufgeregt, konnte es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Um dann sehr schnell am Krieg zu verzweifeln: „Gott behüte uns. Es ist furchtbar.“
Das wissen wir, da mein Urgroßvater vom Tag seiner Einberufung an Tagebuch geführt hat, und diese Aufzeichnungen sind dank rechtzeitig angefertigter Abschriften erhalten. Auch meine Urgroßmutter hat einen Teil ihrer Erinnerungen beigetragen, die nicht weniger spannend zu lesen sind. Wir haben beschlossen, das Tagebuch als historisches Dokument nun in einem eigenen Blog zu veröffentlichen.
Meine Eltern haben nach Fotos und Briefen gesucht, die Aufzeichnungen für die Öffentlichkeit freigegeben und mich mit Rat und Materialien unterstützt. Dentaku, der mir bereits dieses Blog eingerichtet hat, hat mir Platz und technische Hilfe zur Verfügung gestellt. Ein bisschen muss ich noch basteln, aber das Weltkriegsblog meiner Großeltern ist fast fertig. Ich danke Euch!
Am Donnerstag geht es richtig los, aber ein bisschen was ist schon zu sehen und zu lesen – die Chronik des Krieges 1914 (dass er viel länger dauern wurde, war vielleicht nicht vorstellbar) in Worten meiner Urgroßmutter, eine Vorstellung des Projekts und seiner Protagonisten. Ich finde das alles sehr spannend, vielleicht mögen Sie auch schon einmal schauen:
Fürchten lernen – ein Weltkriegsblog. 

 

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Ich habe ihn nicht gekannt, nur seine Bücher. In Plüschgewittern, Tschick, Sand. Und sein Blog Arbeit und Struktur natürlich, das wir wohl alle gelesen haben in den letzten drei Jahren. Ohne ihn selbst zu kennen, machte mich Wolfgang Herrndorfs Sterben und macht nun sein Tod traurig, mich wie die anderen, mit ihm „nur durch die Kraft seiner Wörter auf die besondere, wenn auch einseitige Art befreundet, wie man als Leser mit seinem Autor befreundet sein kann“. Und wir normalen Leser sind ja nur der fernste Ring. Meine liebe Freundin A. hat  ihn wirklich gekannt, Isa hat ihn auch gekannt, und sie hat hier einen Nachruf geschrieben, auf ihn und auf Almut Klotz. Mein Beileid all seinen Freunden.

 

Fünf Bücher

Heute darf ich als Nummer 178 bei „Fünf Bücher“ mitmachen. Bei diesem schönen Projekt geht es um folgendes:

In jedem Regal gibt es Bücher, mit denen wir eine Geschichte verbinden (z.B. ein Buch aus der Kindheit, aus dem die Großmutter immer vorlas) oder solche, die sich nur schwer digital ersetzen lassen (Liebhaberstücke, Bildbände, etc.). Oft sind es aber auch Bücher, die uns aus anderem Grund viel bedeuten, weil sie uns nachhaltig geprägt, besonders berührt oder sogar verändert haben.

Heute also ich, mit fünf Titeln von fünf Autoren, deren Auswahl mir schwer fiel (einen Teil meiner Longlist findet sich in der letzten Kurzbesprechung) und die dennoch vielleicht nicht wirklich überraschend ist.

The Next Big Thing Blog Hop (einfacher vielleicht: „Buchschreibestöckchen“)

Ein Stöckchen. Es gibt noch Stöckchen! Dieses Buch-Schreibe-Stöckchen habe ich von Isabel zugeworfen bekommen, Autorin von Sachen machen, die es wiederum von Pia Ziefle hat, der Autorin von Suna. Und darum geht es, um das Schreiben und neue Buchprojekte.
Ich bin nun keine Autorin, aber ein Buch schreibe ich trotzdem, und worum da es eigentlich geht, möchte Isabel nun also von mir wissen. In den folgenden 10 Fragen:

Was ist der Arbeitstitel Ihres Buchs?
Das Großprojekt.
So heißt es jedenfalls in meinen Dateien und Ordnern. Es hat auch noch einen anderen Arbeitstitel, aber dazu später.

Woher kam die Idee für das Buch?
Ich habe nach einer Idee gesucht, ich habe dann sehr kurzfristig für eine Bewerbung eine gebraucht und mich einen Abend mit Kolleginfreundin A. in eine Kneipe gesetzt und nachgedacht und diskutiert, die Kolleginfreundin ist sehr gut im Ideen für Bücher entwickeln. Am Ende des Abends hatten wir zwei Ideen, von denen ich eine ausformulierte und einreichte. Sie wurde abgelehnt, ein Jahr lang dachte ich dennoch an dieser Idee herum, las und skizzierte, und dann las ich anderes und kam von der Idee ab und über den Roman Kamchatka irgendwie auf mein neues Thema. Und diese neue Idee verfolge ich nun. (Erst ein Jahr über was anderes nachdenken, das mache ich immer so. Keine gute Technik.)

Unter welches Genre fällt Ihr Buch?
Qualifikationsschrift. Oder Fachbuch.

Wie lautet die Einsatzzusammenfassung Ihres Buches?
[Eine was? „Kann ich bitte eine Zusammenfassung des gestrigen Einsatzes bekommen“, fragte der Vorgesetzte den Polizeibeamten. „Natürlich, ich lege den Bericht nachher auf Ihren Schreibtisch.“]
Die eigentlichen (Arbeits-)Titel von solchen Büchern sind ja meist sperrige Einsatzzusammenfassungen. Ein-Satz-Zusammenfassungen. Eine nicht ganz titelfähige, aber immerhin sperrige Zusammenfassung in einem Satz wäre vielleicht: In einigen Romanen aus Europa, Lateinamerika und Afrika, die Ereignisse der Zeitgeschichte thematisieren, wird als Erzählinstanz ein Kind konstruiert – warum eigentlich, wie wird das gestaltet und welche Funktionen hat das?

Welche Schauspieler sollten Ihre Charaktere in einer Filmumsetzung spielen?
Oh, Fachbücher werden ja viel zu selten verfilmt. Für die Rolle der heterodiegetischen Erzählinstanz mit interner Fokalisierung wähle ich Javier Bardem und  für die homodiegetische Erzählinstanz Christoph Waltz. Den Tod des Autors könnte vielleicht Woody Allen überzeugend darstellen, für die Diskussion zwischen (Neo-)Realismus und Experimentellem Schreiben würde ich gerne Anneke Kim Sarnau und Susanne Lothar gewinnen, was natürlich ein Problem ist. Für den historischen Abriss komme ich wohl um Guido Knopp nicht herum. Den Teil lasse ich dann vielleicht doch lieber weg.

Werden Sie Ihr Buch selbst verlegen oder wird es vertreten durch einen Agenten?
Weder noch. Ich würde mir einen Verlag suchen. Und auf eine Finanzierung hoffen.

Wie lange haben Sie gebraucht, um den ersten Entwurf Ihres Manuskripts zu schreiben?
Verbotene Frage! Der Zeitplan hängt am Regal neben dem Schreibtisch und ist jetzt schon Makulatur. (Das Exposé ging sehr schnell, der Rest ist Lebenszeit. Nicht nur meine.)

Welche anderen Bücher würden Sie mit Ihrem Genre vergleichen?
Mein Erstling, die Dissertation. Und all diese Titel, die gerade Politiker um ihre Titel bringen. Hier aber: alles ganz redlich. Natürlich.

Was sonst über Ihr Buch könnte das Interesse des Lesers wecken?
Oh, wissenschaftliche Qualifikationsschriften werden meist ganz von alleine Bestseller. Von meiner Dissertation [2010] sind regulär glaube ich schon zwei Exemplare verkauft worden. Was könnte helfen? Urzeitkrebse vielleicht?

Möchten Sie andere Autoren für das Interview nominieren?
Gerne. Die meisten haben das Stöckchen aber schon; warum sonst wäre ein Autorenstöckchen inzwischen bei mir gelandet. Wie sieht es denn noch mit Mek aus? Wurde da nicht auch mal von einem Buchprojekt gemunkelt? Und Kassandra. Dankeschön.

Aus dem Norden, aus dem Herzen

Nach und nach fiel immer mehr Kollegen auf, dass sie das Zimmer mit dem kleinen Patienten vermeiden. Man kommt etwas früher zur Arbeit, um sicher in einem anderen Bereich der Station eingeteilt zu werden. Es gibt Teambesprechungen, in denen ein ähnlicher Fall der Vergangenheit besprochen wird, bei dem viele innerlich schon aufgegeben hatten. Kurz wirkt diese Motivation, aber die Verzweiflung wächst mit der Anzahl der Wochen Liegezeit bei uns.

In meiner emotionalen Nachbarschaft hat ein neues Blog eröffnet, über das ich mich sehr freue. Bisher steht noch nicht so viel drin, aber ich hoffe sehr, das wird noch. Schreiben kann er nämlich, und was zu sagen hat er auch: Unter dem treffenden Motto „Aus dem Norden, aus dem Herzen“ erzählt Northernsoul von sich und dem, was er tut. Ich wünsche ihm viele Leser. Und ein bisschen mehr Sonne in nächster Zeit.