Hamburger Fragmente

* * * * * Hamburg. Freitag Abend, 18 Uhr, Sommer, Frühling, Gegenlicht, ein guter Tabellenplatz und ein Stehplatz inmitten von bestens gestimmten Pauli-Fans auf der Gegengeraden des ausverkauften Millerntorstadions. Großartig.

Etwas viel Bier vielleicht, aber es war sehr lustig. Und sehr torreich. Toll.
(Etwas schwierig allerdings, ausdrucksstarke Fotos zu finden, wenn man versucht, keine Gesichter zu zeigen.)

(Gelb: Koblenz. Weiß: Sonne.)


You’ll never walk alone.

2×2 Tore (und dann noch eines, was etwas unterging.) Genug Gelegenheit, zu hüpfen, Bier rumzuwerfen und Leute zu umarmen. Die, die gerade da waren jedenfalls – der Bär, der meist neben mir stand, war bei den ersten vier Toren gerade auf dem Klo und kam jedesmal hadernd wieder. Die natürlich kaum abergläubischen Fans wollten ihn nach dem so erreichten 4:0 gerne dort einsperren („trink mehr, trink schneller, musst du nicht vielleicht?“), aber es ging dann auch mit ihm so weiter. Sehr fröhliche Angelegenheit, so ein Fußballspiel!


Endstand. Und die Mannschaft war übrigens auch da:


…und hat sich vor der Haupttribüne verbeugt (anfangs waren es noch fünf Bauarbeiter und der Kranführer):



Ach, schön war’s!

* * * * * Hamburg, Samstag und Sonntag: Spielplatz, Alster, Elbe.


(Baby B. (rechts) und Sohn I (links))

* * * * * Hamburg. Sonntag dann der ursprüngliche Grund für den Ausflug, die Lesung:

[Bov]

Vor der Lesung war ich mit Bruder#1 und Schwägerin noch einen spanischen Happs essen (gebratener Spargel auf Rucola, sehr lecker), am Nachbartisch hörten wir dies:
Sie, blickt sinnend auf die Tagesgerichte: „Maischolle, was ist das eigentlich?“
Er: „Keine Ahnung. Aber ich mag keinen Mais.“


Nachlesen kann man den weiteren Verlauf des Abends bestens bei Isa. Wirklich wenig Leute da, leider, aber dafür wichtige: DANKE! Habe mich gefreut, Euch dort zu sehen.

Nachhören kann man auch, in der Abfolge des Abends mit extra Nervosität zu Beginn.

Ich

Merlix

Isa


Bov

Und das sind sie, die Brüste, die schon das halbe Internet erfreut haben. („[…] aber dann legte sie ihre Brüste auf den Tresen und alles wurde gut und schön.) Ich hatte mal ein ähnliches, wenn auch vergleichsweise hochgeschlossenes, Nachthemd. In dunkelblau.


* * * * *Danke, Ihr Hamburger!

Eine Generation später

Dieses Internet ist ein komisches Zeug.
Zufällig entdeckte ich in einem Kommentar zur Süddeutschen auf Facebook einen Grundschulfreund. Wir haben uns vorgestern kontaktiert, dann gegenseitig Kommentare auf unsere Seiten geschrieben. Dann gechattet. Nun liest er mein Blog und schreibt mir dazu Mails.
Es ist unser erster Kontakt, seit wir 1986 mit seinem Playmobil-Piratenschiff gespielt haben. Seine Tochter dürfte jetzt im besten Piratenalter sein. (Hallo C., da Du ja gerade mein Blog leerliest, siehst Du das hier sicher auch. Und hier kommst Du schon mal vor. Liebe Grüße! P.)

Auch so Momente

Wenn ich dem Kind ausnahmsweise statt Wasser verdünnten Blutorangensaft zu trinken gebe und dann durch das gekippte Glas hindurch hinter der rot glänzenden Flüssigkeit, die dem Kind sichtlich schmeckt, die Flasche Campari auf dem Küchenschrank sehe, ebenso rot. Kurz konzentriert nachgedacht. Alles ist gut. Aber man weiß ja manchmal nicht, was man so tut.

(Der letzte Satz klänge besser so: „Aber man weiß ja manchmal nicht, was man so tut im Suff.“ Aber was würden Sie dann von mir denken, endgültig.)

Zurück im Regal [6]

Ana María Matute: Primera Memoria [1960]. Destino, Barcelona 2009.
Primera Memoria ist einer der ersten spanischen Romane, die noch unter Franco den spanischen Bügerkrieg thematisieren. Der Bürgerkrieg ist über weite Strecken ein unklares Geschehen im Hintergrund, wir erfahren, was die jugendliche Erzählerin und Protagonistin Matia aufschnappt, erlebt oder sich zusammenreimt. Sie ist 14 Jahre alt in diesem Sommer zu Kriegsbeginn, und das Erwachsenwerden löst viel mehr Ängste aus als der Schrecken des fernen Krieges –

Der Krieg bleibt unklares Geschehen im Hintergrund, auch wenn er ganz manifest mit von Klippen stürzenden Leichen in Matias Leben fällt, doch wir erfahren nur, was die jugendliche Erzählerin und Protagonistin aufschnappt oder sich zusammenreimt. Diese Perspektive des unschuldigen Kindes machte die Publikation zu Franco-Zeiten – und damit unter Zensurbedingungen – wohl erst möglich, das Manuskript gewann 1959 sogar den Premio Nadal. Matia ist in diesem ersten Bürgerkriegssommer 14 Jahre alt, und das unaufhaltsame Erwachsenwerden löst viel mehr Ängste aus als der Schrecken des Krieges. Im Herbst allerdings ist der Stoff, der sie und die Jungen von der Insel noch von der vehement abgelehnten und absurden Welt der Erwachsenen trennt, hauchdünn geworden und dem Zerreißen nah. „Bis zu den Schultern“ steckt sie da schon in den „dreckigen Dingen der Großen“ und „rutscht unaufhaltsam auf jenen Abgrund zu“ (frei übersetzt, S. 142).
Matia verbringt das Jahr bei der Großmutter, nachdem sie von ihrem Internat geflogen ist, und in ihrem Cousin Borja findet sie so etwas wie einen Freund und Verbündeten. Gemeinsam foppen sie den Hauslehrer, ziehen an geheime Orte an der Steilküste und treffen sich nachts auf der Veranda zum Reden und Rauchen.
Unbarmherzige Sonne, und unter dieser Hitze die Kälte zwischen den Menschen. Die Kinder sind, obwohl sie sich miteinander verbünden, furchtbar allein. Der Kampf gegen die Großmutter hat noch Züge normaler Kinderstreiche, doch …
Matia und Borja mit ein paar anderen Jungen der Insel-Aristokratie auf der einen Seite stehen gegen Guiem und die seinen, Söhne der Handwerker aus dem Ort, auf der anderen, und diese beiden Gruppen stellen den Bürgerkrieg en miniature nach. Sie provozieren einander, bekämpfen sich mit Fleischerhaken, verfolgen unbarmherzig vermeintliche Verräter und Überläufer, und wenn die Anführer beider Gruppe Waffenstillstand beschließen mit dem … bleibt Matia allein und verflucht ihren Zustand als Mädchen.

Das Erwachsenwerden über Erkenntnis, die Entdeckung einer eigenen Position und Moral. Mit der Parteinahme für einen von allen Gruppen Geächteten ändert sich in der Mitte des Buchs auch das Licht, die als schwarz, schrill und schmerzhaft beschriebene Sonne vermag erstmals zu wärmen und ein sanftes Licht auf die Körper zu legen, als sich Matia zu dem Freund bekennt. Die Nähe zwischen den beiden ist die einzige Wärmequelle…
doch ist die verzweifelte Zweckgemeinschaft mit dem Cousin Borja letztlich die einzige, die trägt, und Matias dunkle Vorahnung, dass der Hass in dem Jungen mit dem Engelsgesicht eines Tages gefährlich werden könnte, erweist sich als richtig.
So wie die Kinder ständig betrunken zu sein scheinen, wird einem auch als Leser etwas schwindelig, das grelle Licht, der Alkohol, die Einsamkeit der Kinder machen benommen, und man ahnt manche Entwicklung, kann aber so wenig gegensteuern wie die Protagonisten selbst es können oder wollen.
Die Bösartigkeit dieser Kinder und die Ausweglosigkeit der Lage, in die der große Manipulator Borja die anderen bringt, machen ratlos. Auch die Einschläge des Krieges kommen näher, die Opfer bekommen Namen, doch am grausamsten wirkt die Welt der Kinder, die jene der Erwachsenen imitiert und vorwegnimmt, perfide und ohne Mitleid. Ein furchtbares und ein großartiges Buch.

auch wenn sich dieser in Toten zeigt, die plötzlich an ihrem geheimen Strand liegen

Erste Erinnerung, die Kaltmamsell hat die deutsche Übersetzung von Doris Deinard gelesen –

Routine

Seit genau einer Woche läuft Baby B., und er tut das mit einer lässigen Selbstverständlichkeit, als hätte er nie etwas anderes getan. Auch beim Krabbeln hat er geschickt Dinge transportiert, entweder in der Faust oder wie ein kleiner Hund zwischen den Zähnen, aber Fußgänger zu sein eröffnet überhaupt ganz neue Möglichkeiten. Die strategisch wichtigen Punkte der Wohnung sind schnell erreicht, und nun kann er von leichter Hand und unauffällig größere Umbaumaßnahmen vornehmen. Er kann laufen und dabei in einer Hand die volle Bauklotztonne tragen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren oder auch nur im geringsten angestrengt auszusehen. Die große Pfanne aus dem Küchenschrank liegt etwa in der gleichen Gewichtsklasse und stellt entsprechend keine weitere Herausforderung dar, man kann sie also gut ins Wohnzimmer bringen, wo ja durch die in den Windfang getragenen Bauklötze große Lücken in der Einrichtung klaffen. Der wichtigste Ort, zu dem B immer wieder zurückkehrt, ist allerdings der Küchenmülleimer, in den er ständig irgendwelche Dinge versenkt. Deshalb gehört der Mülleimer nun auch fest zu meinen Rundgängen. Manchmal ist es leicht, den Besen habe ich zum Beispiel gleich bemerkt, weil B trotz großer Anstrengungen den Deckel nicht über dem Stiel schließen konnte, manchmal verrät er sich durch langes Schweigen in der Küche, manchmal durch energisches Deckelklappern, und manchmal finde ich bei einer Routinekontrolle ohne Anfangsverdacht doch Überraschendes. Heute habe ich außer dem großen Besen zum Beispiel auch das kleine Kehrblech zurückgeholt, den Müll, den B. aus dem Badezimmereimer gefischt hatte und lieber in der Küche sehen wollte, habe ich aber im Küchenmüll gelassen, auch die Brotstücke habe ich nicht weiter bewegt. Rausgeholt habe ich dagegen heute noch eine Element-of-Crime-CD, die Zitronenpresse, einen Topfdeckel, einen Teelöffel, die Ente aus dem Tierpuzzle, eine Schachtel Ohropax und den blauen Ball. Beim Puzzlestück bin ich sicher gewesen, dass B. es zwischen den Kaffeesatz und die Taschentücher geworfen hat, bei anderen Dingen wie einem Kugelschreiber muss ich nach der Rettung erst ausprobieren, ob er noch geht – dann war es wohl B. – oder leer ist, dann hat ihn vielleicht Percanto weggeworfen. Mülltrennung bekommt in unserem Haus einen ganz neuen Sinn.
Nun gewöhnt man sich ja sehr schnell mütterspezifische Verhaltensweisen an und zieht die daheim bewährten Muster auch in der Außenwelt durch, selbst wenn das Kind nicht dabei ist. Bei der Arbeit in Gedanken Zwiebacktrümmer und Apfelschnitze aus einer Tupperdose anzubieten, wird man mir nachsehen (und dankend ablehnen), sollte ich aber meinem Chef in der Mensa die Kartoffeln kleinschneiden wollen, schreitet hoffentlich die Kollegin ein und hält mich zurück.
Wenn die kindliche Fixierung auf den Hausmüll länger dauert, wird auch mein Kontrollgang immer routinierter werden. In Tübingen war das ein von der Stadt vergebener Studentenjob, den Biomüll fremder Menschen mit langen Stangen nach Fremdmüll durchstokern; wie so ein Verhalten hier angesehen ist, kann ich noch nicht recht einschätzen. Sollten Sie mich bald an den Papierkörben der Bushaltestellen beobachten oder dabei erwischen, wie ich mit dem Regenschirm in den Containern hinter der Uni gründele, gehen Sie einfach weiter und tun Sie so, als hätten Sie mich nicht bemerkt. Es könnte mir peinlich sein. Und vielleicht finde ich dort ja das verschwundene Teil vom Elefantenpuzzle, oder wenigstens ein paar Pfandflaschen, die sich zu Geld machen lassen. So ein Haushalt mit Kind will finanziert sein, und es gibt schließlich keine Sicherheit, bei meinen Kontrollgängen auch in Zukunft genau den Moment abzupassen, wenn Baby B gerade das Tafelsilber entsorgt hat.

Mitbringsel

Von der Südamerika-Tante erfahre ich, nach Krankmeldung, dass wir uns mit dem Magen-Darm-Infekt wohl einen argentinischen Familienvirus importiert haben. Die hatten das alle direkt vor und nach unserem Abflug in etwas leichterer Form und sind schon durch damit. Ein Mitbringsel, quasi, kleines Geschenk an die Reisenden.
„Geschenke werden nicht zurückgenommen“, sagt die Tante. Und wiederholen ist gestohlen.

Vorgezogenes Pfingstwunder

Nun hat der Sohn nicht gleichzeitig mit dem freien Gehen auch das flüssige Sprechen begonnen, aber er kann Teekesselchen. Und zeigt Lernerfolge im Bereich „nicht werfen / sanft / streicheln, nicht hauen“ – zumindest versteht er uns.
Unser Osterfrühstück war aus Lazarettgründen etwas karg, aber Bruder #2 hat doch immerhin gefrühstückt und Baby B. hat sich zu seiner Gesellschaft ein blaues Ei genommen und beherzt hineingebissen, womit er es erfolgreich geknackt hatte. Die Großmutter hat es ihm dann gepellt und neben der von ihm selbst ausgewählten Tomate in die andere Hand gedrückt, so traf ich ihn dann an in seinem Hochstühlchen. Er leckte immer wieder an der Tomate und fand die merkwürdig, aber das Ei war prima, er hatte die Spitze schon aufgegessen und streckte es mir zufrieden entgegen. „Oh, Du hast ja ein Ei“, sagte ich, und Baby B. guckte in seine Hand, nickte und streichelte sich mit dem Osterei durch die Haare, „eiiii“, sagte er. Ja, auch das.