Noch 6

Heute ist Mai. Und zwar sowas von. Mai ist toll! Solange Mai ist, liegt die Abgabe erst im nächsten Monat, also braucht man sich im Mai noch überhaupt keine Sorgen zu machen. Überhaupt keine.
Ich pfiff im Dunkeln so vor mich hin…

Ja, wirklich. Wie ausnehmend gut, dass heute Mai ist.

Kann man machen

In meine Überlegungen, ob ich den Abgabetermin in zwei Wochen wohl noch um zwei bis vier Tage verschieben könnte, um so die Chance zu erhöhen, fertig zu werden und das Fertige auch noch mit dem DrVater zu besprechen, kam eine E-Mail.
Der Abgabetermin ist nun um vier bis sechs Tage vorverlegt.
Da warens nur noch neun. Abgabetag mitgerechnet.

Ist okay. Kann man machen.
Jedenfalls hab ich genug Adrenalin, um eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen. Ich schreib dann mal weiter.

Alles klar

Donnerstag:

Eine nette Bekannte steht vor mir, sie hat sich ein wenig verkleidet, ich erkenne sie dennoch. In rasender Wut werfe ich sie auf den Boden, stehe bebend auf ihr, knie auf ihrer Brust, streiche mit viel Kraft die Haare aus ihrem Gesicht, um sie ganz zu sehen, halte so zugleich die Haare aus der Stirn und ihren Kopf auf dem Boden. Voller Hass ziehe ich einen Edding aus der Tasche und male ihr einen roten Schnurrbart auf.

[Aufgewacht.]

Freitag:

Ich bin mit einer Menge Leute in einem grauen, schmalen Hotel, die Gänge so eng, dass man kaum hindurchpasst. Zwischen Mauer und Mauer gequetscht schaue ich hinaus, Wasser vorne, Wasser hinten, das Meer. Alle schauen aufs Meer, es liegt glatt und glitzernd in der Sonne. Es ist sehr glatt, viel zu glatt und viel zu weit zurückgezogen. Ich verstehe es als erste, doch kaum habe ich die Warnung gerufen, ist der Tsunami schon da, reicht bis in den 5. Stock des engen Hotels.
Wir stehen alle in den Wellen, ich werde aufgefordert, einen mir unbekannten spanischen Tanz vorzuführen am Abend. Ich kann nur Tango, aber Tango ist nicht erwünscht, sie möchten, dass ich mit einem fremden Partner, der gerade merkwürdige Schritte im ablaufenden Wasser macht, diesen spanischen Tanz präsentiere. Keine Widerrede.
Ich wehre mich gegen die aufgedrängte Vorführung und versuche doch schon, den mir unverständlichen Tanz zu lernen. Zwischen lauter angezogenen Menschen bin ich als einzige nackt.

[Aufgewacht.]

Ich finde, ein bisschen mehr Mühe könnte sich mein Unterbewusstsein schon machen beim Verschlüsseln.

Kulinaria

Da ich letztens Lust auf ziemlich deutsches Essen wie dunkles Brot mit Harzer Käse und saure Gurken hatte, habe ich ein Glas Essiggurken gekauft, das ich heute beim Abendbrot auf den Tisch stelle. Percanto isst helles Brot mit Frischkäse und Marmelade, ich biete ihm Gurken an, Harzer Käse versuche ich gar nicht erst. Er guckt skeptisch und lehnt ab:
„Nein, ich mag keine Frösche. Eingelegte Labor-Frösche ohne Arme und Beine. Quak, quak, quak.“

Vier!

Ohne zu suchen, nur beim im Gras sitzen und warten, habe ich heute vier (in Zahlen: 4!) vierblättrige Kleeblätter gefunden.
Sofort von meine Unabergläubischkeit abgefallen und im Brustton meiner Überzeugung an das Glück geglaubt.

Die Sache mit der Taube

Pfingsten. Ich habe eine Weile die Tauben vor der Kirche beoabachtet und überlegt, welche von ihnen nun der Heilige Geist ist. Wieder nicht erkannt.
Aber die Angelegenheit mit dem Heiligen Geist hat schon vor einem halben Leben fast dazu geführt, dass ich nicht konfirmiert worden wäre. In unserem Reform-Konfi-Unterricht konnte ich die Übungsaufgaben zur Dreifaltigkeit und zum Heiligen Geist nicht lösen, bin ohne abprüfbares Wissen in den Nebenraum zur Lernkontrolle gegangen und habe stattdessen unseren US-amerikanischen Reformpastor samt Handpuppe mit unbequemen Fragen belästigt. Wie das mit dem Heiligen Geist sei. Er konnte es mir nicht befriedigend erklären, hat es, wenn ich mich recht erinnere, auch nicht wirklich versucht. Ich habe damals noch eine Weile darüber nachgedacht, das Problem nicht für gelöst erachtet und dem Pastor mitgeteilt, ich würde den Teil mit dem Heiligen Geist im Glaubensbekenntnis so lange nicht mitsprechen, bis ich das verstanden hätte.
In der Predigt eine Woche später lobte er den kritischen Geist einer Konfirmandin, die keine leeren Worte nachsprechen wolle. Weitere Versuche, mir meine Fragen zu beantworten, hat er nicht unternommen. Bei der Konfirmation bekam ich dann doch noch eine Antwort. Für mich hatte der Pastor „Sprüche 3.5“ ausgewählt:

Vertraue auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand.

Pfingsten 2008, 17 Jahre später und vier Wochen vor der Abgabe überlege ich, diese wohlmeinenden Worte zu beherzigen und in die Danksagung der Dissertation aufzunehmen.