Literatur

„Viví en pensiones o piezas pequeñas y trabajé en cualquier cosa mientras terminaba la universidad. Y cuando terminé la universidad seguí trabajando en cualquier cosa, porque estudié Literatura, que es lo que estudia la genta que termina trabajando en cualquier cosa.“

[Ich wohnte in Pensionen oder kleinen Zimmern und hatte irgendwelche Jobs, während ich die Universität beendete. Und als ich die Universität beendet hatte, hatte ich weiterhin irgendwelche Jobs, denn ich habe Literatur studiert, und das studieren die Leute, die am Ende dann irgendwelche Jobs haben.]

(Alejandro Zambra: Formas de volver a casa. Barcelona: Anagrama 2011, S. 87.

Sehr schöner chilenischer Roman, den ich heute ausgelesen habe. Und als ich mir gerade  mit einer chilenischen Dichterin schrieb und ihr davon erzählte, sagte sie, der Roman sei „re bueno“ und der Autor „simatiquísimo“, und übrigens sei er kürzlich bei ihr gewesen, und sie seien befreundet. Natürlich, Chile, Du verrückte lange Anthologie.) 

Random thinking

Ich überlege, ob ich meinen Verlag auch Zufälliges Pinguin-Haus nennen wollte.
(Was geht mit Willkürlicher Wildschwein-Winkel? Oder hab ich da was grundsätzlich falsch verstanden?)

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Auf den plötzlichen Wintereinbruch mit einem Mützen-Notkauf reagiert. Ein leicht flusiges Grau, unauffällig, wärmend und dabei überraschend kratzig. Extrem kratzig, untragbar kratzig eigentlich. Ein Blick auf das Schild klärt auf: 70% Wolle, 20% Angora, 10% Plastik. Wer kann denn so viel Wolle auf dem Kopf aushalten? Ich kaum, obwohl mit allen zehn Fingern die Stirn zu kratzen natürlich auch schön warm macht. Etwas blutig, aber warm. Und dafür hab ich die Mütze ja gekauft.

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Nennt sich die Schwulenbewegung von Luxemburg eigentlich „Rosa Luxemburg“?

Zwei Schlittenhunde

„Zwei WAS“, blaffte unser Physiklehrer, wenn wir ihm einfach nur eine nackte Zahl anboten, „zwei Äpfel? Zwei Schlittenhunde?“ „Zwei… Newton?“ versuchten wir dann, aber mit den Einheiten ist das eben schwierig. Dann lässt man die lieber weg, bevor man falsch liegt. Schwierig findet das auch der Sohn, aber er lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Zahlen verlangen die Angabe der Einheit, und zwar konsequent. „Wie lange dauert das noch“, fragt er, „Fünf Meter?“ Notfalls geht es auch ohne Zahl – wie groß er sei? „Kilometer!“ Und dann schmiegt er sich an meine neue Strickjacke, „Mami, darf ich mal fühlen? Die fühlt sich aber weich an.“ „Ja, ist die schön kuschelig?“ „Ja, die ist dreiviertel Kilo kuschelig!“ Viel präziser lässt sich Kuscheligkeit kaum angeben. Seine Physiklehrer werden ihre Freude an ihm haben. Mindestens 17 Grad.

Umzug

Wir ziehen gerade um. Diesmal ausnahmsweise nicht im echten Leben, sondern mit dem Blog.
Freunde mit Guerilla-Qualitäten haben die Gruppe „Neuesblogfürpercanta“ gegründet, und im Handumdrehen hatten mir die freundlichen Herren Dentaku und Widenka eine neue Bleibe mit eigenem Namen verschafft und den Umzug organisiert und eigenhändig gewuppt. Danke, Danke, Danke!
Angeblich soll hier nun leichter und mehr kommentiert werden. Ich freu mich schon!
Hier sieht es allerdings noch aus – die Kisten sind noch nicht ausgepackt und ich hab mich auch noch nicht nett adrett für meine Gäste angezogen. Setzt Euch darum doch einfach auf einen der Kartons, nehmt Euch schon mal ein Bier, Sekt gibt es später. Ich geh mal aufräumen.

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Harzreise

Mir ist der Harz immer dunkel vorgekommen, dunkel und eng wie die grau verschindelten Häusergassen der Bergbaudörfer. Das ist sicher nicht fair dem Harz gegenüber, irgendjemand sagte mir mal, im Osten soll er teilweise ganz weit sein und von hellen Birken geprägt, fast skandinavisch. Wegen meines inzwischen kaum mehr provisorisch zu nennenden Wohnortes in Harzrandlage komme ich meist von Südwesten her in den Harz, vielleicht ist es der geographisch falsche Zugang. Vielleicht ist es auch der biographisch falsche Zugang. Er sollte bestens sein, sind doch sowohl mein geliebter Großvater als auch meine geliebte Mutter gebürtige Harzer. Oder „am-Harzer“, wie es in ihrem Geburtsort genau heißt. Doch vielleicht bin ich geprägt von meiner ebenfalls sehr geliebten Großmutter, der Mutter meiner Mutter und Ehefrau jenes Harzer Großvaters. Sie kommt aus einer ganz anderen Gegend, von der Ostsee. (Das ist meine Großmutter.) Ihr Ankommen im Harz war kein glückliches, sie war auf der Flucht und hochschwanger, bei sich hatte sie nichts als ein Kissen mit Säuglingsausstattung. Nachdem die Russen das Gasthaus ihrer Eltern übernommen hatten, kamen ihr Mann, der Kriegsheimkehrer, und sie erst einmal bei seinen Eltern unter. Das war ein Glück, ihrem Vater (und nicht nur ihm, natürlich) ist es nicht gut gegangen in der Sowjetischen Besatzungszone, wer weiß, was sie noch erlebt hätte – zusätzlich zu dem, was sie schon erlebt hatte und worüber sie nie offen sprach. Nur, dass der eine im Haus eigentlich sicher nett gewesen sei. Ihre Angst blieb aber spürbar bis weit nach der Wende. Dank ihrer weit fortgeschrittenen Schwangerschaft und weil sie Familie in der Nähe hatte, durfte sie nach der Flucht in überfüllten Zügen das Durchgangslager Friedland direkt wieder verlassen und zum Hof im Harz weiterreisen, doch bei den Schwiegereltern wurde sie mit ihrem neuen Status als mittelloses Flüchtlingsmädchen nicht mehr ganz so herzlich aufgenommen wie zuvor. Ihr kleines Mädchen, ihr erstes Töchterchen, für das die Erstlingsausstattung im Kissen war, ist kurz nach der Geburt gestorben. Davon hat sie mir viel später erzählt, und so habe ich zu dieser Geschichte meine ganz eigenen Bilder von ihr geerbt. Das also war der Anfang ihres neuen Lebens im Westen. Zwei Jahre später wurde ihre zweite Tochter geboren, meine Mutter, die Zwillingsmädchen kamen weitere zwei Jahre später in der nächsten Kreisstadt zur Welt. Da sind sie geblieben, meine Großeltern, und da wohne ich heute, ganz in der Nähe zu dieser Familiengeschichte also. Dennoch werde ich nicht warm mit dieser Gegend, und ganz und gar nicht mit dem Harz. Kann man Unbehagen erben? Kann man Prägungen über zwei Generationen annehmen? Oder bin ich einfach mit dem falschen Fuß zuerst in den Harz gegangen? Vor ein paar Jahren, meine Großmutter war schon tot und ich gerade schwanger, waren wir in ihrer alten Heimat, auf der Ostseeinsel. Als ich dort an der Seebrücke stand und über das weite Meer schaute, hinter uns Kiefern und Sand und landschaftliche Offenheit, habe ich mich so heimisch gefühlt. Das kann eigentlich auch nicht sein, denn dort bin ich ja nicht zu Hause und war es auch nie. Wenn überhaupt, bin ich ein Nordseekind. (Allerdings schwappte so ein Heimatgefühl auch in Dresden auf der Brücke über mich hinweg, da kommt die andere Familie her.) Aber ich stand dort am Strand, blickte auf die Seebrücke, dachte an die sepiafarbenen Bilder meiner Großmutter als junges Mädchen, wie sie so dort leicht und strahlend an dieser Brücke gestanden hatte, und versuchte diese Weite und dieses Meer mit dem Harz in Einklang zu bringen. Wie kann man mit Angst, Abschiedsschmerz und Ungewissheit über den Verbleib der Liebsten, aber auch mit viel Hoffnung im und unterm Herzen diese Reise antreten und dann dort – ich weiß nicht, was sie fühlte; ich fühlte mehr als 60 Jahre später vor allem Enge. (Buchenwald war noch enger, ja. Aber ich dachte in dem Moment nicht an Buchenwald, nur an diese Weite des Ostseestrandes, das Licht und die betörende Schönheit einer Insel, und an die Enge der Schindelgassen und die dunklen Tannen.) Das prägt mein Harzbild, und es ist ganz sicher ungerecht, ich habe dem Harz glaube ich nie eine Chance gegeben, sondern sehe ihn durch einen nicht gewussten, nur empfundenen Nachkriegsfilter. Wahrscheinlich ist auch der Harz ein heller Ort mit herrlicher Natur, wenn man nur bereit ist zu schauen.
Allerdings sind meine Mutter und ihre Schwestern gerade unterwegs im Harz, in ihrem Harz. Sie schrieben mir heute, wie sie gefahren sind: „Über Neinstedt, Totenrode, vorbei an der Datschensiedlung Abendruhe sind wie über Elend wieder in Sorge gelandet.“ Ein heiteres Fleckchen Erde also fürwahr.
(Sie schlagen als künftige Reiseziele Glücksburg und Freudenstadt vor. Ich möchte wieder an die Ostsee.)

Feliz cumpleaños, poeta.

Das war 2005. Morgens um 5 nach einer Fahrt durch das halbe lange Land, angekommen am Hafen von Puerto Montt und mit Blick nach Chiloé. 
Heute hat er Geburtstag, mein Dichter. Herzlichen Glückwunsch zum 75, Floridor! 
A un avión en la noche
Un
pirata
nos roba
las estrellas
y se las lleva al mar
sobre un
pez
volador.
(Floridor Pérez, sehnsuchtsvolles Kindergedicht aus Cielografía de Chile, 1973)