Kompliziert

J, bald zweieinhalb Jahre alt, ist gerade in der schönsten Warum-Phase. Es ist ja auch alles nicht so einfach. Warum fällt die Käsescheibe um? Warum ist es kälter? Warum wird es Herbst? Warum kommt Papi später? Warum muss er noch arbeiten? Warum bin ich noch klein? Warum spiele ich mit dem Bagger? Warum macht mir das Spaß?
Wir sitzen zusammen auf dem Sofa und gucken uns eines der Wimmelbücher an, was macht der Hund da? Und was sagt der Mann dann? Warum sagt er das?
Zwischendurch entschuldige ich mich, ich müsse mal kurz aufs Klo.
„Warum musst Du aufs Klo?“
„Ich muss mal eben pieseln.“
„Hast Du auch ein Schwänzchen?“
„Nein, ich habe kein Schwänzchen.“
„Warum nicht?“
„Ich bin eine Frau, und Frauen und Mädchen haben kein Schwänzchen.“
„Aber wie kannst Du dann pieseln?“
„Hm, das geht trotzdem… einen, nun, Ausgang haben wir schon.“
„Ich komme mal mit.“
Besser ist das. Wir gehen also zusammen aufs Klo, er begleitet uns öfter, selbst aufs Töpfchen zu gehen ist ihm aber suspekt und kommt ohne Windel und hochgezogene Hose gar nicht in Frage.
„Ich stell mich mal hier hin“, sagt er, guckt im Wechsel interessiert in die Badewanne und mir zu. Als ich die Hose zumache, schüttelt er den Kopf.
„Aber wenn Du eine Frau bist, warum hast Du dann einen Gürtel?“
Die Welt ist ein komplizierter Ort.

Kinder

Wenn das deutsche Durchschnittspaar 1,4 Kinder hat, heißt das wohl – da ich wenig knapp halbe Kinder kenne und auf dem Spielplatz vorwiegend entzückende Geschwisterpärchen zu beobachten sind, erst ein rosa, dann ein blaues Kind, oder umgekehrt, und wenige mit zwei oder mehr Geschwistern -, dass es sehr viele Einzelkinder gibt. Ich bin mit einem solchen verheiratet, das allerdings aus einem Land kommt, in dem ein Einzelkind ein naher Verwandter des Einhorns sein muss, zumindest was die Verbreitung angeht, und so richtig geplant war das wohl auch nicht. Er meint, das sei nicht schlimm, er hätte niemanden vermisst, aber so wie er sich um seine Freunde kümmert, ein Hütehund, der die Herde zusammenhält, so wie er sich in seine Ersatzfamilien integriert hat mit seinen Leihbrüdern, so denke ich doch, hätte er sie gehabt, den Bruder, die Schwester, er wüsste schon, was ihm fehlt.
Seine Mutter ist dafür die Jüngste von zwölf, und ein Glück, dass die Eltern so lange ausgehalten haben, denn was wäre sonst mit dem Einzelkind an meiner Seite und dem Wesen von 14 cm in meinem Bauch.
Heute waren wir auf einer Beerdigung, und wenn es außer der sowieso oft von mir gehaltenen Plädoyers für Geschwister noch einen guten Grund für mehr als ein Kind gebraucht hätte, dann mag der Anblick der Tochter der Verstorbenen genügt haben, sich Brüder und Schwestern für sein Einzelkind oder sein Erstgeborenes zu wünschen.
Die Frau, der die Trauerfeier galt, war nicht alt, sie lebte seit über 20 Jahren von ihrem Mann getrennt, hatte nach der Trennung damals ihre kleine Tochter mit nach Deutschland genommen und sie hier alleine aufgezogen. Vielleicht wollte sie mehr Kinder haben, aber dann kam die Trennung dazwischen, vielleicht wollte sie auch nur dieses eine, die Herzenstochter, weil es ihr selbst mit sechs Kindern zu Hause viel zu viel war, ich weiß es nicht, ich werde es auch nie erfahren. Gestorben ist sie nun wieder in dem Land, wo ihr Mann lebte und wo das Kind geboren wurde, ihr Herz hat einfach aufgehört zu schlagen, eine Woche, nachdem sie dort noch einmal neu anfangen wollte.
Die Tochter ist jung und schön, enthusiastisch und stark. Und selten habe ich einen Menschen gesehen, der inmitten anderer so alleine war wie diese junge Frau. Die Traueranzeige war nur von ihr unterschrieben, im Gottesdienst sprach der Pastor außer ihrer toten Mutter nur sie mit Namen an, neben ihr saßen wohl die Onkel und Tanten, doch sie ging als erste und allein den Mittelgang der Kapelle hinunter, schluchzend und das Gesicht rotfleckig. Auf dem Vorplatz stand sie mit Abstand zu Familie und Freunden, die sich alle gegenseitig hielten, und erwartete die Kondolenzen, alle umarmten sie, nur sie, denn wer zur Familie gehörte, war dort nicht mehr zu erkennen, zwischendurch stand sie mit hängenden Schultern, allein in der Septembersonne. Mehr als um den frühen Tod der Frau, die beerdigt wurde, habe ich heute um die Einsamkeit ihrer Tochter geweint.

Alles anders, alles neu


Heute ist der 9. September 2008. Ein Dienstag im Altweibersommer.

Oder genau 2 Monate nach der Disputation, siehe oben rechts.
Oder der 16. Elul 5768.
Oder (glaube ich) der 8. Ramadan 1429.
Oder der 28. August 2008 nach dem Julianischen Kalender, und in China ist Jahr der Ratte. Heute ist der Tag nach dem Tag, an dem die Schwalben wegflogen (das tun sie an Mariä Geburt), oder der Namenstag von Sergio und Omar.

Aber wir rechnen jetzt anders. Für uns ist heute vor allem: 15 + 2.


Total uninspiriertes Ersatzbloggen

Ich will ja. Ich hatte auch Ideen. Aber.
Und jetzt, was soll ich jetzt über Olympia bloggen? Kann ich gleich über die WM, oder über Damals.

Statt dessen schreib ich mal wieder von Skype ab.
Heute aber ohne Pointe:

[…]
[02.09.2008 12:11:17] Isabo : sollen wir eingetlich mal wieder bloggen?
[02.09.2008 12:11:22] Isabo : *seufz*
[02.09.2008 12:11:25] Percanta : öh
[02.09.2008 12:11:26] Isabo : total uninspiriert
[02.09.2008 12:11:29] Percanta : was ist bloggen?
[02.09.2008 12:11:37] Isabo : so internettagebuch
[02.09.2008 12:11:41] Isabo : mit katzenbildern
[02.09.2008 12:11:48] Percanta : ist das seriös?
[02.09.2008 12:12:09] Isabo : nee
[02.09.2008 12:12:14] Isabo : total peinliche sache
[02.09.2008 12:12:23] Isabo : für gelangweilte hausfrauen und erfolglose selbstdarsteller
[02.09.2008 12:12:27] Percanta : vielleicht sollt man das gar nicht anfangen
[02.09.2008 12:12:32] Isabo : besser, ne?
[02.09.2008 12:12:33] Percanta : man lernt bestimmt nur komische Leute kennen
[02.09.2008 12:12:37] Isabo : ih!
[02.09.2008 12:12:41] Isabo : wie, in echt, meinst du?
[02.09.2008 12:12:46] Isabo : im wirklich leben?
[02.09.2008 12:12:48] Isabo : leute aus dem internet?
[02.09.2008 12:12:52] Isabo : kann ich mir nicht vorstellen
[02.09.2008 12:12:56] Isabo : das wäre ja total komisch
[02.09.2008 12:12:59] Isabo : geradezu pervers
[02.09.2008 12:13:13] Isabo : das sind doch alle pickelige nerds
[02.09.2008 12:13:13] Percanta : die haben bestimmt alle einen Vogel
[02.09.2008 12:13:19] Isabo : verklemmte und so
[02.09.2008 12:13:28] Isabo : sozialgestört
[02.09.2008 12:13:42] Isabo : die sitzen doch nur dauernd vor dem computer, weil sie mit echten menschen probleme haben.
[…]

Bloggen. Sehr suspekt. Ich denk nochmal drüber nach.
Vielleicht fällt mir dabei was ein.

 

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