Umziehen als Lebensform

Es stand glaube ich in diesem schön gestalteten Umzugsbuch – im Schnitt zieht jeder Deutsche 5x in seinem Leben um.
Klar, damit das mit dem Durchschnitt hinkommt, braucht man neben dem Menschen, der z.B. auf seinem elterlichen Bauernhof geboren wird und diesen irgendwann übernimmt und erst viele Jahre später aufs Altenteil im Westteil des Geländes zieht (zählt das als Umzug?), auch diejenigen, die entsprechend häufiger umziehen. Marine-Kinder gehörten bei uns in der Schule dazu, alle 2 Jahre ein neuer Stützpunkt für den Papa und ein Umzug für alle. Ich gehöre auch zu denen, die regelmäßig umziehen, damit im Mittel der Deutschen dann die Fünf rauskommt. In nun knapp dreieinhalb Dekaden Leben bin ich gerade zum neunten Mal umgezogen, Umzüge innerhalb der Auslandszeit nicht mitgerechnet, und dabei waren die Schuljahre stabil: Von der 1. bis zur 13. Klasse kein einziger Umzug! In den übrigen Jahren ist die Frequenz entsprechend höher. Da zahlt es sich aus, wenn man etwas langsam im Einrichten ist: Wo nichts an der Wand hängt, muss auch kein gerade erst gebohrtes Dübelloch wieder zugemoltofillt werden. Unpraktisch dagegen, dass der Berg Zeug immer weiter wächst und die Möbel langsam massiver werden – die Böcke mit Holzplatte wurden beispielsweise gerade durch einen geerbten, geräumigen, echten Schreibtisch ersetzt. Unpraktisch auch, dass ich die Neigung habe, immer oben zu wohnen, jetzt wieder in den Wipfeln der höchsten Bäume. „Es gibt doch so schöne Parterre-Wohnungen“, sagte der Möbelpacker, als er die Waschmaschine durchs Treppenhausfenster wuchtete. „Aber man will doch mal ein Eigenheim haben, vielleicht im Grünen“, sagen alle jungen Bankkauffrauen, die mir Bausparverträge verkaufen wollen, die ich stets dankend ablehne, da ich nicht weiß, wo ich mal leben werde, und das noch länger nicht. „Irgendwann will man doch bauen“, insistieren sie, geschätzte 10 Jahre jünger als ich, und berichten halb ratlos, halb enthusiastisch von ihrem Häuschen in einem der Dörfer umzu, und mit „irgendwann“ meinen sie „schon längst“. Inkompatible Welten. Ich habe ein Buch geschrieben, ich habe einen Sohn bekommen. Das Haus müssen andere bauen. Ich ziehe um.

Mythen

Ich habe heute mit meinem Kind einen, vielleicht zwei urbane Mythen widerlegt.
Mythos 1: Latte macchiato enthält Kaffee.
Mythos 2: Kaffee macht wach.
Bei Mythos 1 drängte sich der Verdacht ja schon länger auf, und dass Kaffee wach machen soll, konnte ich an mir selbst noch nie verifizieren und halte diesen Zusammenhang schon lange für ein Gerücht. Meine Mutter pflegte früher zu sagen: „Ich bin so müde; ich mach mir mal einen Kaffee, dann kann ich schnell etwas schlafen“, und genau das tat sie dann. Wobei „schnell schlafen“ bei meiner schlafbegabten Mutter hieß, noch deutlich vor Erreichen des Kissens einzuschlafen, was ohne Kaffee der normale Einschlafmoment war.
Das die private Prägung, aber der Volksmund behauptet es ja hartnäckig, positiv wie negativ: „Ich brauch erst mal einen Kaffee zum Wachwerden“ oder „Jetzt kann ich keinen Kaffee mehr trinken, sonst schlaf ich die ganze Nacht nicht.“
Zum heute durchgeführten Versuch: Als die Nachbarin am späten Nachmittag da war, habe ich ihr und mir Latte macchiato gemacht, dem Kind Kakao. Als die Nachbarin weg und ich allein in der Küche war, hat das Kind meinen Latte macchiato (noch etwa 3 Fingerbreit in einem großen Latte-macchiato-Glas) ausgetrunken. Ich habe den letzten Schluck gesehen, „mmmhm!“ sagte er, nickte zustimmend, hielt das Glas hoch, sagte noch „Tee!“ und trank aus. Wenig später, nachdem er Pizza gegessen, staubgesaugt und mit dem Bagger gespielt hatte, ist er zur ganz normalen Zeit normal schnell eingeschlafen.
Resultate: Wenn damit (Kind trinkt wesentliche Mengen Latte macchiato, Kind schläft) Mythos 1 widerlegt sein sollte und Latte macchiato eben keinen Kaffee enthält, kann Mythos 2 dennoch wahr sein. Das lässt sich aus der Versuchsanordnung nicht ableiten. Wenn Mythos 2 mit unserem kleinen Versuch widerlegt werden konnte, ist davon dennoch der Wahrheitsgehalt von Mythos 1 noch nicht betroffen. Vielleicht entsprechen, was aufgrund der Faktenlage nicht zu entscheiden ist, beide Mythen nicht der Wahrheit. Ganz sicher aber sind, das kann als Ergebnis festgehalten werden, nicht beide Mythen wahr.
Auch wenn noch Fragen offen geblieben sind, haben wir doch en passant noch eine andere überlieferte Kaffeeweisheit falsifiziert: „Nicht für Kinder ist der Türkentrank“. Baby B. findet schon. Lecker.

Und wieder 3 Wochen um.
Seit ich aus Chile zurück bin, habe ich wahnsinnig viel gelesen und noch mehr Bücher gekauft, geschenkt, als Arbeitsmaterial zugeschickt bekommen, ich könnte endlich wieder für „Zurück ins Regal“ schreiben, mehr als genug, allein: Ich musste beim Lesen schon schlingen, habe auf jeder Seite die Seitenzahl mitgelesen und mitgerechnet (Hälfte, noch ein Drittel, noch ein Viertel, noch ein Zehntel, durch, nächstes Buch), Schnitt lag am Ende wieder bei knapp einem Roman am Tag (incl. Notizen), ich schaff das Rezensieren nicht auch noch. Höchstens könnte ich die Karteikarten zu den einzelnen Büchern und Autoren hier einkleben.
Und dann war ich unterwegs, habe sechs Mal mit Autoren geredet, moderiert, gedolmetscht, mir die vorher inhalierten Bücher signieren lassen.
Und dann habe ich alle Bücher (und alle Tassen und alle Stühle und alle Kissen und alle Schuhe und alle Fotos und diese ganze unfassbare Menge ZEUG) eingepackt. Und ein paar Kilometer und 3 Stockwerke höher wieder ausgepackt, das heißt, da bin ich noch dabei. Weil: unfassbar viel Zeug. Und immer noch keine Zeit.
Und heute fängt die eigentliche Arbeit an.
Und dann versuche ich, auch mal beim Kind und beim Liebsten zu sein.
Dass ich auch noch kein Internet habe und das Blog ein bisschen kaputt ist, fällt da kaum mehr ins Gewicht. Was ich sagen wollte: Es ist nicht so, dass es gar nichts mehr zu erzählen gäbe. Aber zu bloggen, das schaff ich gerade nicht.

Nuno und die Kinna

Baby B. nennt mich neuerdings nicht mehr wie alle anderen Frauen „Mama“, sondern differenzierter „Mami“. Und nun hat er auf sich selbst gezeigt und nicht „meiner“ gesagt, sondern strahlend „Nuno“. Erkannt. Die Entwicklung macht Riesensprünge.
In der Kita hat er drei Erzieherinnen, die alle noch „Mama“ heißen, aber jeden Tag kann er einen neuen Namen von einem der Kinder. In seiner Gruppe sind außer Nuno selbst: Anna, Inna, Bin, Beca, Hiha, Klakla, Obi, Mahuhu und Unu. Und Kinna. (Bei Beca muss man sich übrigens auf den Kopf klopfen, weil sie immer mit einer Mütze in die Krippe kommt. Beca gehört zu den größeren Mädchen, die schon seit letztem Jahr in die Kita gehen, und sie ist die erste, von der er morgens nach dem Aufwachen spricht. „Beca!“ Große Liebe.) Wer erkennt die anderen, wer möchte lösen?