Übrigens


Wenig überraschend, aber jetzt empirisch abgesichert: Ein dicker Schnupfen (> 10 Tage, > 10 Taschentücher pro nicht genauer definierter Zeiteinheit) verstärkt die bauchbedingte Kurzatmigkeit (R -1, nach fachkundigem Schätzen der Frauenärztin durch meinen Pullover hindurch) erheblich.

Japsen und Schnaufen. Und morgen Singen.

Veranstaltungshinweis: Musik


Claudio Monteverdi „Marienvesper“ (1610)
Vespro della Beata Vergine da concerto, composta sopra canti fermi
Sonntag, 25. Januar 2009

17:00 Uhr
St.-Andreas-Kirche, Braunschweig

Maria Bernius und Franziska Büdke, Sopran
Bernhard Schneider und Christian Rathgeber, Tenor
Matthias Weichert, Bariton und Felix Rathgeber, Bass
Ensemble Ventosum, Paris
Concertino Lüneburg auf historischen Instrumenten
Thomas Albus – Orgelpositiv, Oscar Milani – Cembalo, Frank Schmitt – Chitarrone
regerchor Braunschweig
Leitung: Karl Rathgeber

Am letzten Wochenende habe ich das zweite Vorsingen beim Regerchor be- oder überstanden und singe darum im Alt 1 mit, hurra. Bis Sonntag wird noch fleißig geprobt, aber es wird bestimmt schön. Karten gibt es bei den üblichen Vorverkaufsstellen in Braunschweig, über Ticket-Online und wahrscheinlich auch noch an der Abendkasse (da aber möglicherweise nur noch Hörkarten, keine Sichtkaren).
Ich freu mich schon.
Veröffentlicht unter Lala

Geschwisterliebe

Mit meiner Mutter besuche ich Ju (noch keine 3) und mein Patenkind Ja (1 Jahr).
Ja übt laufen, während Ju seine Bauklötze auf dem Tisch sortiert, „ich baue ein Land“, erklärt er, und benennt die Klötze. „Jetzt ein Dreieck. Das ist ist gelb“, kommentiert er, „und hierhin kommt ein langer Kreis.“ „Ah, ein roter Würfel“, sage ich etwas später. „Nein“, meint er, „ein Klotz.“
Nach einer Weile entschließt er sich, die großen Bauklötze auf dem Tisch zu lassen und die kleinen auf den Boden zu legen.
„Die kleinen Klötze sind für das Baby“, erklärt er uns, während er sie ordentlich auf dem Parkett aufreiht. „Wir teilen nämlich. … Aber nicht gerne.“

Zurück ins Regal [3]

Marisha Pessl: Die alltägliche Physik des Unglücks (Fischer 2007), übersetzt von Adelhaid Zöfel.
(Gebunden, 601 Seiten, rotes Lesebändchen.)

Die alltägliche Physik des Unglücks (Original: Special Topics in Calamity Physics, 2006) ist der Erstling einer US-amerikanischen Autorin (Jahrgang 1977, seufz). Kurz nachdem er auf Deutsch erschienen war, habe ich eine enthusiastische Kritik dieses Romans gelesen, ihn vor Weihnachten nun zufällig als Mängelexemplar gefunden, im Laden angelesen und gekauft. An Beschreibungen der Handlung konnte ich mich nicht erinnern, aber „verblüffend“ fällt in den Rezensionen häufiger, auch im Klappentext bejubelt „The Independent“ das Buch als „prall, brillant, verrückt“, „Die Zeit“ findet es unter anderem „[a]nspielungsreich, pointensicher […] sprachlich funkelnd“, und das alles stimmt, und es stimmt auch für die Übersetzung.
Die 600 Seiten sind in 3 Teile gegliedert, und diese wiederum in Kapitel, die alle die Titel von Werken der Weltliteratur tragen, von Othello über Herz der Finsternis bis Metamorphosen. Der Roman endet mit dem Kapitel Abschlusstest.
Das ist mehr als Spielerei: Die Protagonistin und Ich-Erzählerin Blue van Meer ist zur erzählten Zeit Schülerin der Abschlussklasse der High-School, vor allem aber ist sie die hochbegabte Tochter eines Politik-Professors, der mit ihr seit ihrer frühen Kindheit von Uni zu Uni durch die USA tingelt und ihr einen großen Teil ihrer Bildung im Auto vermittelt. Ein bisschen Nabokov ohne Inzest. Einen guten Teil dieses Wissens spuckt die Erzählerin im Text wieder aus, als wissenschaftliche Belege an allen möglichen und unmöglichen Stellen, so etwa nach vielen der Vergleiche, die sie permament bringt. Die
(teils fiktiven? überwiegend fiktiven?) bibliographischen Angaben im Text scheinen mir zusammen mit den Vergleichen eines der hervorstechenden Stilmittel des Textes zu sein. Das kann man vermutlich mühsam finden, aber mir hat die Lektüre viel Spaß gemacht.
Das sieht dann z.B. so aus:

Nigel war die Nullziffer (siehe „Negative Space“, Art Lesson, Trey, 19773, S. 29). Auf den ersten Blick (und auch noch auf den zweiten und dritten) war er ganz normal. Sein Gesicht – oder besser, sein ganzes Wesen – war wie ein Knopfloch: klein, schmal ereignislos. (107)

Oder so:

Als wir beschlossen, nicht mehr betrunken zu sein (der Tod hatte den gleichen Effekt wie sechs Tassen Kaffee und ein Sprung in die Beringsee), gingen wir zurück ins Wohnzimmer. Ein neuer Beamter hatte die Sache in die Hand genommen, Officer Donnie Lee, ein Mann mit einem kugeligen, schiefen Gesicht, das an eine missratene Vase auf einer Töpferscheibe erinnerte. Er ließ die Gäste antreten, „bitte geordnet, Leute“, mit der manischen Geduld eines Activities Director auf einem Kreuzfahrtschiff, der einen Landausflug organisiert. Nach und nach ringelte sich die Menge durch den Raum. (206)

Oder auch so:

Sie erwartete, dass ich protestieren, auf die Knie fallen, jammern würde, aber das konnte ich nicht. Es war mir nicht möglich. Ich musste an etwas denken, was Dad einmal gesagt hatte: Dass manche Leute die Antwort auf alle Lebensfragen schon am Tag ihrer Geburt parat haben und es keinen Sinn hat, ihnen etwas Neues beibringen zu wollen. „Sie haben geschlossen, obwohl sie um elf Uhr öffnen, Montag bis Freitag, was ziemlich verwirrend ist“, sagte Dad. Und wenn man versuchte, das, was sie denken, zu verändern und ihnen etwas zu erklären, weil man hoffte, sie könnten vielleicht doch auch eine andere Sicht der Dinge verstehen, war das ein sehr anstrengendes Unterfangen, weil man nichts erreichte und einem hinterher alles wehtat. Es war, als wäre man ein Gefangener in einem Hochsicherheitstrakt, der wissen wollte, wie sich die Hand eines Besuchers anfühlte (siehe Leben im Dunkeln, 1967). Egal, wie verzweifelt man es sich wünschte und seine stumme Handfläche gegen die Glasscheibe drückte, genau an der Stelle, wo der Besucher seine Hand hatte – man spürt sie nicht. (434f.)

Neben Erwachsenwerden und Vater-Tochter-Beziehung und Clique und Schule passieren in diesem letzten High-School-Jahr eine Menge wenig alltäglicher Dinge, und die Zahl der überraschenden – aber stets vorbereiteten – Wendungen in der Handlung nimmt gegen Ende des Romans immer mehr zu. Darunter auch der „fabelhafte Grund“, um ihre Lebensgeschichte auf und über ihre Kindheit zu schreiben, „[…] vor allem über das Jahr, in dem sie aufgeribbelt wurde wie ein alter Wollpullover“ (9).

Lesen.
Die alltägliche Physik des Unglücks steht nun zwischen Dave Eggers: Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität (großartig!) und Haruki Murakami: Mister Aufziehvogel.

Tango argentino


Es folgt eine Werbeeinblendung in teilweise eigener Sache.
Percanto hat zusammen mit einem argentinischen Freund in Hannover Tangoculto gegründet: Sie geben Donnerstag und Freitag Tangokurse und organisieren an einem Samstag im Monat eine Milonga.
Anklicken, angucken, hingehen, tanzen (lernen)!

Eisnotiz


Falls ich Euch irgendwann mit der unwahrscheinlichen Idee kommen sollte, doch noch den Mount Everest oder K2 besteigen oder zu Fuß durch Grönland oder mit dem Fahrrad zum Südpol zu wollen: Erinnert mich bitte daran, dass schon bei lächerlichen -15 bis -22°C meine Finger beim Radfahren unangenehm weh tun und die an den Wimpern zu kleinen Kugeln gefrierende Atemluft zwar überaus putzig ist, auch dieses Vergnügen aber nicht zwingend länger als sagen wir eine halbe Stunde dauern muss.
Danke.

Nachgetragener Schluss [zu Zurück ins Regal 1 und 2]

Auf Wunsch einer einzelnen Dame und damit das Konzept der neuen Bücherserie schlüssig zu Merlixens Neu auf dem Nachttisch (mit Zitat der Anfänge) und zu Wiesenrautes Perlen gotischer Baukunst (Zitate aus der Mitte) passt, trage ich nun die Schlussabsätze der eigentlich bereits weggeräumten Romane von gestern nach.
Festhalten möchte ich auf der Nennung der Buchnachbarn auf dem Brett, bin mir hier aber weiter unsicher: Ist das Zitieren des Schlusses erwünscht, da so ein Eindruck vom Stil entsteht, oder eher lästig, da Verrat und Spoiler und man das Ende gefälligst genau dort, also am Ende selbst lesen sollte?

Meinungen, bitte!

So könnte es aussehen. Zusätzlich zu dem Kram von gestern. Die Romane enden so:

zu [1] Jeffrey Eugenides: Die Selbstmord-Schwestern

Und wir mussten wie Hunde ihre letzten Spuren erschnüffeln, an Schmutzabdrücken auf dem Boden, an Koffern, die unter ihren Füßen weggestoßen worden waren, mussten für immer die Luft der Zimmer atmen in denen sie sich töteten. Am Ende spielte es keine Rolle, wie alt sie gewesen oder dass sei Mädchen waren, von Bedeutung war einzig, dass wir sie geliebt hatten und sie uns nicht hatten rufen hören, uns auch jezt nicht hören, wenn wir mit unseren schütteren Haaren, unseren schlaffen Bäuchen sie von hier oben, im Baumhaus, aus jenen Räumen zurückrufen, in die sie davongegangen sind, um für alle Zeiten allein zu sein, allein im Selbstmord, der tiefer ist als der Tod und in dem wir niemals die Stücke finden werden, sie wieder zusammenzufügen. (S. 251)


zu [2] Tilman Rammstedt: Der Kaiser von China

Ich schaue auf die Tickets in meiner Hand, für morgen ist der Rückflug gebucht. Ich glaube nicht, dass ich ihn nehmen werde. Das ist mir tatsächlich viel zu eng. Alles ist mir gerade zu eng, und vielleicht werde ich enfach weiterfahren, mich einfach noch ein wenig umsehen, es ist schließlich ein großes Land.
Bis bald. Alles Gute,
K. (S. 191)