90 Minuten Zeit für 5 Vorträge à 20 Minuten und eine gemeinsame Diskussion ansetzen (bitte nachrechnen), dann den Raum wechseln und wieder zurückwechseln, die angemeldete Technik nicht parat haben, schließlich 20 Minuten später anfangen und dann von den Vortragenden verlangen, dass einfach jeder nur 10 bis 15 Minuten redet – der Beginn der Sektion ist flexibel, das Ende aber fest, denn im Anschluss gibt es „andere Aktivitäten“ und Kaffee – und dann trotz vieler Meldungen jegliche Diskussion nach dem letzten gehetzten Vortrag unterbinden, weil keine Zeit, auf Drängen einer Vortragenden dann zwar doch Fragen erlauben, aber als Moderator bei der ersten Frage den Raum verlassen und die zweite unterbrechen, nun sei Schluss, definitiv, da kann man sich, nachdem man für diesen Vortrag von 20 Minuten Tausende von Kilometern zurückgelegt hat, sein Leben daheim umständlich umorganisiert und auf hilfreiche Schultern verteilt und eine bitte nie nachzuzählende Summe Geld ausgegeben hat, da kann man sich schon etwas verarscht vorkommen.
Und die kokettierend und achselzuckend vorgebrachte Erklärung „Eso es Chile“ stellt nicht zufrieden, sondern macht erst recht zornig, denn was hat Respektlosigkeit mit einem schlechten Image zu tun, was in Wirklichkeit ja nicht einmal zutrifft, und die Grundrechenarten funktionieren hier, in diesem neoliberalen Wirtschaftsland, doch sonst auch ganz gut.
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Studenten der gastgebenden Uni schämen sich nach eigener Aussage für die (Des-)Organisation, die Kommunikation und den Ablauf innerhalb der „mesas“, andere Vortragende loben den Kongress als „una maravilla, hermosísimo“. Irgendwo dazwischen wird es sein.
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Und dann Studentenproteste auf dem Campus – wogegen, spricht sich nicht rum – und Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei, Tränengas und Steine und Wasserwerfer. Stundenlang belagert sich ein kleines Grüppchen Studenten, am Ende alle pitschnass, mit den im gepanzerten Wasserwerfer verschanzten Carabineros, nur manchmal kommen drei oder vier aus dem Panzer geklettert, mit Helmen und Schilden und immer dicht beieinander bleibend. Die übrigen Studenten, Dichter und Kongressteilnehmer gehen mittlerweile nach Hause oder warten bis abends ab, was passiert. Nichts.
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Über Umwege wird mir heute ein Buch überreicht, in das mir Antonio Skármeta eine ziemliche Widmung geschrieben hat, „amigo“ steht drin und „admirador“, und das Datum: 27.4.2007. Einige Dinge brauchen ihre Zeit, bis sie ankommen.
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Und dann mit den verbliebenen Dichtern noch mehr Lesungen, und eine Gruppe junger Poeten will wild sein und wirft Klopapierrollen durch den Raum und muss selbst etwas lachen, und irgendwann wickelt einer die chilenische Fahne, die neben der Tafel aufgebaut ist, in Klopapier. Der neben mir sitzende Wissenschaftler aus New York flüstert mir zu, dass das in den USA nicht möglich gewesen wäre, die Jungs wären sofort festgenommen worden. Ich flüstere zurück, dass das in Deutschland auch nicht möglich gewesen wäre, sie hätten zwischen den Weltmeisterschaften wahrscheinlich keine Fahne gefunden.
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Eine Gruppe müder und durchgefrorener und etwas desorientierter Wissenschaftler beschließt, nach der letzten Lesung – und irgendeine Lesung wird schließlich die letzte sein – noch was trinken zu gehen.
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Morgen Valparaíso.
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(Bürgersteig, Ñuñoa. Per te.)