„Ich finde es ja gut, dass Menschen Namen haben“, hat ein guter Freund von mir einmal gesagt, „und darum spreche ich meine Freundin auch einfach mit ihrem Namen an.“ Namen, das hat was für sich; auch ich sollte mir Gedanken über unseren Gebrauch von Kosenamen machen.
Wenn Nunos feuerspeiende Drachen mit blauen und lila Flügeln miteinander kämpfen spielen, klingt das nämlich so: „Komm mal her, Schatzi. Wo ist denn unser Drachenkind? Ich hab für uns Suppe gekocht. Schatzi, huste bitte in den Topf rein, sonst ist überall Feuer.“
Schatzi. Was soll ich noch sagen. Ist es besser, sich Tiernamen zu geben? „Na, mein Hasenkind“, sagte ich einmal zu Nuno, und er schaute mich erbost an: „Ich bin doch kein Hase! Ich bin Wassermann!“
Und dann kuschelt sich früh morgens ein kleiner Junge unter meine Decke, behaglich und zufrieden, mit etwas besseren Ohren könnte man ihn wohl schnurren hören. „Du darfst“, flüstert er mir zu, „Du darfst mich so lange streicheln wie Du willst, Mami!“ So verschmust ist er selten, ich streichele, er schnurrt unhörbar. Ich drücke ihn an mich und frage leise, ob er heute ein kleiner Kuschelbär sei. „Ja, ich bin ein Bär. Wir sind alle Bären, und wir essen gerne Fisch. Wir fangen Lachse am Fluss! Und jetzt kuscheln wir in einer Höhle. Wir sind nämlich keine Eisbären, wir sind Warmbären.“
20 * C + M + B * 13
[Die Heiligen drei Könige aus dem Nordenland, wie Nuno sagt.]
Dinner for one, zum ersten Mal
Stolpert der über die Katze?
Ist das ein Tiger?
Ist die tot?
Warum ist die tot?
Warum ist der Kopf noch dran?
Warum liegt der da auf dem Fußboden?
Wo ist Pumuckl?
Warum stolpert er?
Wie sprechen die?
Ist das in England?
Wo ist England?
Stolpert der wieder?
Gleich?
Ist das ein Stolpermann?
Kann man das Lachen nicht sehen?
Aber warum kann man das Lachen nicht sehen?
Hat der Tiger ihn jetzt gebissen?
Warum trinkt der alles?
Was ist ein Diener?
Ist der alle Besuchs?
Stolpert der wieder!
Das ist ein Stolpermann!
Ha! Ha! [sehr künstliches Lachen]
Warum lachen die immer?
Die sollen nicht immer lachen.
Was heißt „Schneider“?
Wie heißt der Mann?
Der da stolpert?
Warum heißt der James?
Warum sagt sie nicht „James“, sondern „Schneider“?
Was hat der gemacht?
Was ist betrunken?
Hat der gerade eben gespuckt?
Warum bringt der alles weg?
Ist das Schwein?
Auf dem Teller, was er jetzt verloren hat?
War das Schwein?
Der ist die Treppe hochgegangen! Mit dem Essen!
[nun echtes Lachen]
Der nimmt immer Bier!
Gießt der falsch?
Wie gießt der?
Was macht der denn?
Das ist doch kein Pferd!
Warum springt der so?
Warum hat der falsch gegossen?
Der trinkt alles aus!
Und die Blumenvase gegessen!
Stolpert er wieder über die Katze?
Warum nimmt er sie hoch?
Ist das zu Ende?
Warum bringt er sie ins Bett?
Bringt sie ihn ins Bett?
Ist es zu Ende?
[Ja. Gutes neues Jahr!]
Weihnachtswetter
Falls Sie sich über das miese Wetter zu Weihnachten gewundert haben sollten (hier: 7-15°, Regen), der Grund ist ein ganz einfacher: Den Schlitten vom Weihnachtsmann ziehen fliegende Regentiere. Sagt der Sohn. So sieht’s aus.
Weihnachten
Da Nuno sich seit Ostern intensiv mit der Kreuzigung beschäftigt, sucht er in jeder Krippe nach dem Kreuz, sucht im Anfang nach dem Ende und sieht das Weihnachtswunder stets durch den Kreuzestod getrübt – „aber kreuzigen, das darf man nicht.“ Die Auferstehung mag ihn nicht trösten, denn er sagt: „Ich glaube, wenn Jesus aufgestanden ist, war er gar nicht richtig tot.“
Der Weihnachtsmann spielt hier praktisch keine Rolle, er hat schon uns als Kindern nicht die Geschenke gebracht, die kamen nicht anonym, sondern von Verwandten, bei denen wir uns auch zu bedanken hatten. Die Entscheidung gegen den Weihnachtsmann fiel nicht bewusst, wir haben nur irgendwie versäumt, ihn einzuführen. Geheimnisvoller Geschenkbringer ist der Nikolaus (oder der Postbote: als kürzlich beim Heimkommen ein Amazon-Paket an der Tür lehnte, war Nuno entzückt: „Der Nikolaus war nochmal da!“) Durch den katholischen Kindergarten sind anstelle des Weihnachtsmannes aber die Fragen der Religion stets präsent, präsenter, als ich das gedacht hätte. Krippen sind das größte, und Nuno strahlt, wenn er das Jesuskind gefunden hat. Wie oben angedeutet, ist er aber ein kritischer Geist; und wenn man selbst in Bethlehem geboren ist, dann ist die Sache mit Weihnachten noch ein bisschen komplizierter als sowieso. So erzählte er glücklich, er habe das Haus gesehen, wo er geboren sei – „da drinnen ist aber Stroh, oder?“ Und fragt er uns, wo wir geboren seien, und wir antworten mit den Namen einer Stadt, hakt er sofort nach: „In einem Stall, oder?“
Und er fragt. Und fragt. Hier ein Auszug, etwa fünf Minuten gestern früh. Es war noch dunkel, die Antworten waren knapp, Sie ergänzen selbst:
„Ist Christus Jesus?
Warum?
Feiert er Weihnachten Geburtstag?
Aber kann man ihm Kuchen machen, wenn er im Himmel ist?
Was ist „aufgestanden“?
Aber jetzt ist er noch im Himmel, ne?
Aber aus dem Himmel kann man gar nicht wiederkommen?
Warum haben sie ihn gekreuzigt? Das darf man nicht.
Hattest Du Jesus im Herz?
Was heißt „Heiland“?
Was macht der heile?
Warum ist Jesus im Stall geboren?
Was ist eine Herberge?
Ist das auch in Italien?
Warum ist Jesus nachts geboren und ich abends?
War ich da ganz klein?
War ich in deinem Bauch?
Und Thore war bei seiner Mama im Bauch?
Und eine Mama, die kein Kind im Bauch hatte, wie heißt die?
Bist du auch im Stall geboren?
Aber warum in der Kliniko?
Und liegt da auch Stroh?
Und was ist im Überraschungsei?
Wo wohnt Dornröschen?
Können wir die besuchen?
Und James Bonds?
Und wie spricht der?
In welcher Nähe ist England?
Mami, du sollst antworten, nicht schreiben.
*
Jesus ist das Licht der Welt. Aber ich auch. Und Omi auch.“
Und Ihr auch. Frohe Weihnachten.
Maria
Unsere Esther bei ihrem Flashmob in Heidelberg. Oder, wie mein Patensohn (5) sagte, ein Engel in Stiefeln.
Raumfahrttraining
Trost und Rat
Heute feierte mein kleines, glückliches Patenkind seinen fünften Geburtstag, und der große Robert Gernhardt wäre heute 75 geworden. Wäre er, darum hier aus sein kleiner Text „Trost und Rat“. Auch von ihm selbst gelesen.
Trost und Rat
Ja wer wird denn gleich verzweifeln,
weil er klein und laut und dumm ist?
Jedes Leben endet. Leb so,
daß du, wenn dein Leben um ist
von dir sagen kannst: Na wenn schon!
Ist mein Leben jetzt auch um,
habe ich doch was geleistet:
ich war klein und laut und dumm.
Aus Wörtersee, 1981.
Vor fünf Jahren dazu: „Nicht eigentlich„.
[Robert Gernhardt, *13. Dezember 1937, † 30. Juni 2006.]
Geheimnisse
Ich bin ja ein Hamster und ein Schönfinder. Und trennen kann ich mich auch nicht. Darum hebe ich auch Schokolade erstmal auf, und besonders gut aussehende aka schön verpackte Schokolade hebe ich erst recht auf. Lange. Oder für immer. Das ist wohl erblich, meine Großmutter hat uns manchmal Schokoladenosterhasen in die Weihnachtspost gelegt, so war sie die aufgehobenen Schätze elegant und für unsere Verhältniss auch noch zeitnah los – und wir saßen da mit eigentlich ungenießbarem Süßkram, der aber Augen hatte und darum nicht weggeworfen werden konnte. Mein Vater sammelt prinzipiell ungefähr alles (und trägt meiner Mutter immer noch nach, dass sie irgendwann dieses eine Messer ohne Griff aus dem Keller weggeworfen hat, denn just in diesem Moment, nach kaum 15 Jahren im Keller, hätte es seine Funktion erfüllen können und wäre gebraucht worden! So ist das immer); außerdem ist er sparsam, auch und gerade mit Lebensmitteln. In den Dänemark-Urlaub haben wir früher die gesamte Verpflegung für eine fünfköpfige Familie mitgenommen. Vor Ort dazugekauft wurden nur Brot, Kammerjunkere (dänische trockene Kekse) und Blaubeermarmelade vom Brugsen. Der Rest kam von uns bzw. von Aldi und wurde geschmuggelt, Gouda im Reserverad und ansonsten viel Nudeln und Raguletto. Für sich selbst hatte er für jeden Tag exakt eine Dose Bier (es war ja Urlaub!), die Palette stand im Auto immer unter meinen Füßen. Und einmal gab es – für drei Wochen Urlaub und fünf Personen – eine Tüte gebrannte Mandeln. Um die haben wir abends gespielt, Stück für Stück, wer im Rommé gewann, bekam eine Mandel. Wer nicht gewann, nicht. Pech. Dann hält so ein Tütchen auch eine Weile. Die Sammlung von Schokolade mit Augen (unzählige Generationen Marienkäfer, Nikoläuse und Hasen) im Bücherregale neben seinem Bett wird uns dereinst in fernster Zukunft vor Probleme stellen; ich hoffe sehr, dass dann ein Volkskunde-Museum Interesse hat.
Entsprechend habe ich den Inhalt meines Nikolausstiefels immer mindestens bis Ostern gestreckt, was zu Frust bei meinen Brüdern geführt hat – wenn Du die Schokolade nicht isst, gib sie doch uns! Aber ich aß ja, alle paar Tage mal ein Stück, ganz langsam. Nikoläuse aß ich tatsächlich nicht, die guckten mich an, wie sollte ich das Papier abreißen. Heute weiß ich, sie schmecken meist auch nicht, aber diese Erfahrung muss man erstmal machen. (Vielleicht schmecken frische Nikoläuse ja auch, wer weiß.)
Mein Sohn hat im seinem Wesen durchaus einiges von mir, auf seinem „Schokoteller“ mit dem Inhalt des Nikolausstiefels wächst momentan auch die Zahl der kleinen Schokolädchen aus dem Kalender stetig an, denn er legt sie morgens „erstmal“ dorthin. Nun haben sie aber im Kindergarten einen Nikolaus im Stiefel gehabt, und zwar einen ganz besonders schönen, fair gehandelten und offenbar kirchentreuen Nikolaus, der nicht wie der Weihnachtsmann aussieht, sondern wie eben der Nikolaus, mit Mitra und Stab. Wir fuhren nach Hause, er trug den Schatz in der Hand und begann sehr bald, das Papier aufzureißen. „Willst Du den wirklich jetzt aufmachen“, fragte ich, ein bisschen auch um die Sitze besorgt, „warte doch bis zu Hause. Und sieh doch, wie schön er aussieht, der sieht wie ein richtiger Nikolaus aus, Du kannst ihn doch noch aufheben.“ Kaum war das Wort dem Mund entflohen, ärgerte ich mich ein bisschen über mich selbst – wollte ich eine Schoko-mit-Augen-Sammlung im Kinderzimmer anlegen, anschwellend an Umfang und sich mindernd an Qualität bis zum Tag seines Auszugs, um dann zu entscheiden, wohin mit all der in bunte Alufolie verpackten Schokolade, „nimm sie doch mit ins Studentenwohnheim“?
Aber Nuno sah das sowieso anders. „Der ist schön“, stimmt er zu, schaute mich dann aber verschwörerisch an, im Begriff, mir ein Geheimnis zu verraten: „Aber unter dem Papier ist Schokolade.“
*
Und zum Glauben lesen Sie bitte zunächst, bevor ich hier zu Stroh und Kreuzigungen komme, bei Herrn Buddenbohm weiter, der eine wunderschöne „Kleine Anmerkung zum Weihnachtsmann“ hat.
Wenn ich einmal groß bin
„Was willst Du werden?“, wird Nuno (3) gefragt. „Ein Schulkind“, sagt er dann oft, denn ein Schulkind sein ist das größte und gleichzeitig vielleicht irgendwie erreichbar. „Wenn ich ein Schulkind bin“, fängt er viele Sätze an, und wenn er ein Schulkind ist, das ist ganz klar, darf und kann er praktisch alles. „In der Schule“, erklärt er, „in der Schule spielen wir draußen Fußball, und dann gehen wir rein, essen was, schlafen und dann werden wir abgeholt.“ So ungefähr mag es sein in der Schule, jedenfalls gaukeln die Schulhöfe mit fußballspielenden Kindern den neidvoll hinüberschauenden Kindergartenkindern einen solchen Schulalltag vor.
Außer ein Schulkind zu werden hat er aber auch noch andere Berufswünsche, ganz oben rangieren abwechselnd Busfahrer (Linie 6 oder 9, das ist unentschieden, aber er wird mich immer mitnehmen) und Feuerwehrmann. Zum Feuerwehrmann stand er auch dann noch, als ein kleines Mädchen, das Prinzessin will und um deren Freundschaft Nuno heftig buhlt, ihn fragte, ob er ein Prinz – ihr Prinz gar! – werden wolle. Nein, lieber Feuerwehrmann.
Einmal verkündete er, „Singer“ werden zu wollen, aber nur mit zwei Liedern: Eu se tu pego und dem Imperial March, oder wie er sagt: Darth Vader. Dann kam er aber wieder auf den Feuerwehrmann zurück. Vor einigen Tagen nun ein Sinneswandel: „Ich weiß jetzt, was ich werden will“, sagte er. „Wenn ich zehn bin, werde ich Astronaut.“
Astronaut, okay. Aber erst mit zehn, das ist beruhigend.
Er dachte ein wenig nach, blickte sinnend in den Himmel. „Vielleicht“, sagte er dann, „vielleicht werde ich aber auch einfach ein ganz normaler Mensch.“