Johannisbeeren und Zirkus Pauli

Die ersten fünf, fast sechs Jahre meines Lebens habe ich im Süden gelebt, meine Freunde sprachen Dialekt und haben mir das rollende R beigebracht, was für meinen heutigen Beruf nicht unwichtig ist. Eine Freundin hatte einen reimenden Namen (Julia Schmulia*), die anderen waren alle adelig, nämlich die Simone von Schmidts* und der Wolfi von Schumanns* und der Johannes von unten. Vor allem war da Johannes von unten, Johannes war mein bester Freund und meine erste Liebe, obwohl er später nicht mehr so viel mit mir gespielt hat, als er in die Schule ging und Jungensfreunde hatte und ich noch ein kleines Kindergartenmädchen war. Wir sahen aus wie Zwillinge, trugen beide Pilzkopf und große Knieschoner über den Rollschuhen, und unsere Schlümpfe konnten wir auseinanderhalten, weil meine einen schwarzen Punkt unter den Füßen hatten. Als ich als Protestantin vom Sternsingen ausgeschlossen war, ohne dass ich den Grund verstand, haben wir uns verkleidet und sind als die Heiligen zwei Könige durch das Haus gegangen und haben gesungen, bei seinen und bei meinen Eltern. An dem Tag, als ich Fahrradfahren lernte, hat er mich im Rennen gewinnen lassen mit meinem kleinen blauen Rad, und für mich war es ausgemachte Sache, dass wir zusammengehören. Als wir in den Norden zogen, galt mein heftiges Heimweh, das erst gegen Ende der Grundschule nachließ und nur bei fränkisch sprechenden Touristen an der Eisdiele wieder aufflackerte, vor allem ihm.
Meine neuen Freunde aus der neuen Nachbarschaft hat diese Fernliebe sicher irritiert, so wie mein geerbtes Dirndl, das ich genau einmal zusammen mit schwedischen Clogs trug und mir dabei entsetzlich verkleidet vorkam, oder mein nicht lupenreines Norddeutsch. „Kiasche, nicht Kürsche!“ Wenn wir nicht wussten, was wir spielen sollten (außer in der Sandkiste oder Hallihallo oder mit unseren Fahrrädern und Kettcars im Kreis fahren oder mit ganz von alleine kaputt gegangenen Tontopfscherben auf der Straße malen oder Kaulquappen aus dem Graben fischen oder auf Stelzen rückwärts laufen) und wir uns langweilten und keiner mehr Vorschläge machte, dann fragten sie mich, was wir denn gespielt hätten, dort im Süden, und ich konnte auch nicht genau sagen, was der Unterschied war, aber Langeweile konnte ich nicht erinnern. Doch wenn sie Johannisbeeren pflückten, habe ich geweint. Später wollte mich Christian heiraten, der einzige Südamerikaner der Schule, er hat mir erst einen Kaugummiautomatenring geschenkt und dann einen aus sieben Einzelringen bestehenden Silberring seiner großen Schwester (ich habe ihr dann in ihrem Heimatland einen ähnlichen gekauft, nachdem ich gut 20 Jahre später tatsächlich einen Mann von dort geheiratet hatte – und doch nicht meinen Johannes, mit dem ich nur zu Beginn des Studiums noch einmal einen halb gemalten, halb geschriebenen Briefwechsel geführt hatte und seitdem nie wieder Näheres gehört.)
Als ich mit fast sechs Jahren dazu kam, waren die meisten anderen Kinder schon zu zweit, und wir haben dann Dreierallianzen gebildet, ich habe mit MiriundSonja* gespielt und mit FraukeundDaniel. Aber FraukeundDaniel blieben immer mehr FraukeundDaniel als FraukeDanielundPercanta. Das konnte man daran erkenne, dass sie mich zum Beispiel beim Indianerspielen an die Birke bei Daniel im Garten fesselten und dann woanders spielen gingen, während ich als „Kleine Wolke“ am Marterpfahl den Mücken und dem langen Nachmittag ausgesetzt war. Aber Indianer kennen keinen Schmerz und ich habe mich nicht beschwert.
In einem Sommer aber haben wir zu dritt einen Zirkus gegründet, Zirkus Pauli war unser großes gemeinsames Projekt, so ähnlich wie Eva-Lotta und Anders und Kalle Blomquist, und wir haben geübt und Plakate gemalt und Handzettel in die Briefkästen gesteckt, wir haben Stühle in den Garten gestellt und einen Vorhang zwischen die Birken gespannt, wir haben 20 Pfennig Eintritt genommen und schließlich waren alle Nachbarn aus der Sackgasse in unseren Garten gekommen. Frauke, die eine Brille hatte und die Älteste war, war Zirkusdirektor, und ansonsten waren alle alles. Geturnt wurde am Klettergerüst, mit mörderischen Absprüngen von der Schaukel und vom oberen Balken der Leiter, zu den Akrobaten gehörte auch eine kompliziert choreographierte Übung mit mehreren auf dem Boden liegenden Reifen, bei der wir viele Brücken machten. Außerdem gab es eine schöne Tiernummer mit einem Pferd, das zwei Beine von Frauke und zwei von Daniel hatte und eine nach Stall riechende Decke und einen Steckenpferdkopf, und ich führte es mit einer Gerte und in den Reiterstiefeln meiner Mutter im Kreis herum. Das war bestimmt ganz famos, wie Eva-Lotta gesagt hätte. Da Frauke Sportgymnastin war, ich in jener Zeit beharrlich daran arbeitete, auf Händen so gut zu gehen wie auf Füßen, und sich Daniel mit dem verzweifelten Ehrgeiz des einzigen Jungen der Gruppe ins Radschlagen gestürzt hatte, war die Akrobatennummer vielleicht gar nicht so schlecht, nicht für Grundschüler jedenfalls. Legendär geworden sind aber die Zauberer, die keine Zeit und Geduld gehabt hatten, aus den Zauberbüchern Tricks vorzubereiten und sich darum auf die Präsentation eines Chapeau-claques beschränkten, und die sehr lustigen Clowns, die wahnsinnig komisch hinter dem Vorhang hervorstolperten, an ihren Kleidern, Perücken und Nasen zupften, die Fußspitzen nach innen drehten und dann unter dem, nun ja, donnernden Applaus wieder aus der Manege verschwanden.
Aufgrund des großen Erfolgs machte die Zirkuscompagnie ihre Drohung wahr und trat im folgenden Sommer wieder auf. Dieses Mal konnten die kleinen Brüder nicht mehr beide im Laufstall als wilde Raubkatzen präsentiert und dadurch aus den Proben herausgehalten werden, so dass Bruder #1 einen sensationellen Gastauftritt bekam: Mit einem roten Sturzhelm und meinen alten Rollschuhknieschonern drehte er wie der Blitz auf dem gelben Dreirad mit schwarz-weiß-kariertem Formel-1-Sattel eine Runde um die Manege. Niki Lauda im Zirkus! Das war wirklich unerhört.
Irgendwann nach dem Schlussapplaus hat sich auch die Verbindung zwischen uns dreien gelöst. Die Artistin und Zirkusdirektorin hat Sport studiert, der Zauberer hat heute zwei Kinder
und Niki Lauda neuerdings ein Motorrad. Johannisbeeren sind nicht mein Lieblingsgemüse, und ich denke bei ihrem sauren Geschmack zwar immer an das moosige Gartenstück hinter dem Haus, wo der Johannisbeerstrauch steht, weinen muss ich jedoch nicht mehr. Wenn wir aber eine dilettantische Moderation sehen, eine beschämend laienhafte Darbietung auf viel zu großer Bühne, ambitioniertes Schauspiel oder Musizieren Erwachsener mit wenig Talent aber Publikum, dann seufzen wir und sagen „Zirkus Pauli“.



*Name von der Redaktion geändert, aber baugleich.

Reuen

Aus gegebenem Anlass den ganzen Tag immer wieder über Tätowierungen nachgedacht. Nicht für mich, bewahre. Aber über das Tätowieren an sich und über Motive und Motivationen, und dank Coolcats auf den Körper gebrachtem Satz „fear regret, not failure“ beziehungsweise „on n’est vieux que lorsque les regrets ont pris la place de nos rêves“ insbesondere über den Zusammenhang von Reue und Tätowierungen. Es gibt bestimmt hochdramatische Motivationen (den Namen eines geliebten Menschen, den man verloren hat), den Wunsch, einen besonderen Moment festzuhalten (die 5 olympischen Ringe auf den Körpern der Teilnehmer der Olympischen Spiele), Liebeserklärungen natürlich, das ist wohl ein Klassiker der populären Motive, die „Gaby“ im Herz oder wo auch immer. Oder ästhetische Statements – Verschönerung oder Signal. Im Prinzip kann ich das alles nachvollziehen, theoretisch. Aber machen? Wie vollzieht man den Schritt von vorstellen zu planen zu machen? Ein Schulfreund, der sich „Let love rule“ auf den Arm tätowiert hat, erzählte mir, dass Tattoos süchtig machen. Wenn man eins habe, wolle man ein weiteres. Und noch eins. Und plane bereits das nächste.
Damit das erste vieler Probleme, die sich bei mir – neben einer grundsätzlichen ästhetischen Abneigung – auftun: Wenn man sich für ein Motiv entschieden und es sich eingraviert hat und dann ein neues will – dann muss das doch zum ersten passen. Vom Stil, von der Platzierung. Aber will man das Gleiche zwei Mal? Für mich wären zwei oder mehr unterschiedliche Tattoos vermutlich schon darum ein Ding der Unmöglichkeit, weil ich bereits ein blau-weiß geringeltes Shirt zu einer blauen Hose mit Waffelpiqué für unzumutbaren Mustermix halte und mein Baby heimlich wieder umziehe, wenn Percanto Streifen mit Punkten kombiniert hat oder mehr als zwei Farben (einschließlich Weiß).
Dann: Wie sich für DAS richtige Motiv entscheiden, wenn es denn unbedingt ein Tattoo sein muss? Woher weiß man, dass es genau dieses Bild oder dieser Satz sein soll? Vielleicht ist einem dieser Satz später so fremd wie ein „Abi 2001“-Schild auf der Heckscheibe, besonderer Moment hin oder her? (Nein, hatte ich nicht, weder Abi 2001 noch eine Heckscheibe.) Oder so peinlich und fern wie die Bilder aus der Teddybärenphase mit zwölf? Oder man findet einfach ein noch schöneres? Okay, dann tritt vermutlich der obere Fall ein, und man lässt sich ein weiteres Tattoo stechen, solange Platz ist. Aber bereut man dann nicht doch das ältere Bild, den älteren Text, die ältere Ästhetik?
Was natürlich das Hauptproblem einschließt: Wie soll man sich in alles in der Welt für so etwas Irreversibles entscheiden? Woher weiß man, dass es DAS ist? Ich weiß ja nicht mal sicher, ob es wirklich Pistazieneis sein soll, obwohl die Erfahrungen damit gut sind.
Ich habe auch Ohrringe, in jedem Ohr einen, was mich ungefähr zwei Jahre Probieren (Plastikperlen und ausgeliehene Ohrringe mit Tesafilm an die Ohrläppchen kleben) gekostet hat. Und nun trage ich seit 17 Jahren Ohrringe, jeden Tag, meist total revoluzzerhafte Perlen, und habe es nicht bereut (wenn auch hinterfragt). Insofern kann auch ich irreversible Entscheidungen treffen. Die irreversibelste Entscheidung von allen ist natürlich Baby B. Und zugleich mein größtes Glück, weshalb mir die Irreversibilität immer noch den Atem verschlägt vor Dankbarkeit. Und wenn ich seinetwegen eine Art natürliches Pigment-Tattoo behalten sollte, bitte, geschenkt.
Dennoch schaffe ich es nicht, den Schritt oder die Schritte zur Tätowierung nachzuvollziehen. Wie entscheidet man das? Und das Nachdenken über Tattoos bestätigt mir nicht nur meine eigene Spießigkeit (wobei Arschgeweihe vielleicht auch eher Nachweis von Spießertum und Angepasstheit sind denn Zeichen von Flippigkeit oder ausgeprägter Individualität), sondern auch meine Unentschlossenheit in einigen Belangen. Nach einem halben Jahr in dieser Wohnung hängen noch immer keine Bilder, weil ich nicht sicher bin, welches wo hängen sollte. Dabei können wir jederzeit einen neuen Nagel in die Wand schlagen, und wenn wir zu viele Löcher in der Tapete haben, können wir umziehen, was vermutlich noch viel früher geschehen wird. Vielleicht sogar bevor ich mich durchgerungen habe, den wundervollen kleinen König endlich über den Esstisch zu hängen. Überflüssig zu erwähnen, dass der Künstler entscheiden musste, welches der in die engeren Wahl gekommenen Bilder ich bekomme, oder? Und obwohl ich glaube, dass er richtig entschieden hat (obwohl natürlich die Gescheiterte Hoffnung und Ein kalter Tag auch großartig sind, und natürlich die Maria), trotzdem würde es mir überaus schwer fallen, jemandem meinen Körper zum Bemalen zu überlassen. Ohne Möglichkeiten der Retusche.
Zusammengefasst kann ich weder entscheiden noch jemand anderem alle Entscheidungen überlassen. Zusammengefasst bin ich spießig und bieder und feige. Zusammengefasst denke ich zu viel an mein zukünftiges Ich und weniger an mein gegenwärtiges. Zusammengefasst hätte ich
, um auf Coolcats tätowierten Text und somit den Auslöser dieser Überlegungen zurückzukommen, in puncto Tattoos eher Angst, die Tat zu bereuen als das Unterlassen. Aber hey, zusammengefasst brauche ich mir wenigstens einige Gedanken zu meinem Dekolleté nie zu machen. (Hihi.)

Percanta allein zu Hause oder: Meine schönsten Ferienerlebnisse

Fast alle meine Lieben sind im Urlaub, auf Wochenendausflügen, Skilaufen oder wenigstens bis Sonntag auswärts arbeiten. Ich selbst bin nicht im Urlaub, aber im Mutterschutz, und den verbringe ich seit diesem Wochenende vorwiegend zu Hause. Doch nicht nur passieren die meisten Unfälle im Haushalt, auch sonst kann man daheim viel erleben. Heute zum Beispiel habe ich mit dem Erleben gleich um 4 Uhr früh angefangen, um das Programm durchzukriegen, und lehrreich ist es auch noch.

Auch wenn mir zum Glück relativ bald eingefallen ist, dass auf dem Beipackzettel des Medikaments, das ich gerade nehme, bei Nebenwirkungen etwas von „wässrig“ stand, war ich nicht gleich wieder ruhig und schläfrig, als ich um 4 Uhr früh mit dem nicht ganz aus der Luft gegriffenen Gedanken an eine undichte Fruchtblase aufwachte. Im Gegenteil kann dieser Gedanke auch zu dieser unmöglichen Zeit erstaunlich munter machen.
Um die Überlegungen etwas in vernünftige Bahnen zu bringen, habe ich den ph-Wert jener Flüssigkeit überprüft. Zum Glück hatte ich vom Herrn Vater eine Packung Teststreifen bekommen; diese stammen allerdings aus dem Krankenhaus und sind für Leute gedacht, die die Ergebnisse auch ohne Anleitung interpretieren können, weshalb ich nach dem erzielten Wert erst einmal die gewünschten Werte in Erfahrung bringen musste. Google funktioniert auch um 5 Uhr früh, und das Ergebnis war dann so beruhigend, dass ich anschließend nur noch anderthalb Stunden wach lag und darüber nachdachte, was ich täte, wenn nun doch, und der Mann nicht da, und das Köpfchen bestimmt noch nicht im Becken, und der Name nicht entschieden, und wie sieht es hier überhaupt aus, und die Kliniktasche nicht gepackt, wo das Stammbuch ist, weiß ich, aber.
All das ist nicht so gut für die Nerven, aber ich hab was über ph-Werte gelernt und man muss ja auch nicht immer und immerzu schlafen. Das konnte ich dann überraschenderweise doch noch, und zwar so lange, dass ich fast den Kinderwagen-Übergabe-Termin mittags verpasst hätte. Eine liebe Freundin hat mir im Zug den von einer Cousine geerbten Wagen mitgebracht; er ist sehr edel und offensichtlich auch sehr praktisch (auch wenn ich es statt so praktisch vielleicht lieber etwas romantischer gehabt hätte, mit einem richtigen Korb oben, wo man das Kind auf eine Matratze und unter ein plustriges Steckkissen legen kann, Sie wissen, was ich meine). Der Wagen war eine gute Gelegenheit für Lektion zwei, nach dem Üben von Wagen-Falten und Laufrichtungändern: Wenn man den Kinderwagen oben an der Straße abstellt, nicht die Fußbremse feststellt und sich von der Freundin verabschiedet, rollt er heimlich, still und leise und ziemlich schnell den Weg herunter, wo er dann im Gebüsch landet. Heute mit Kameratasche als Baby-Dummie ausprobiert. Das wiederholen wir eher nicht.
Nun macht es mich total wuschig, dass ich nicht verstehe, wie das Kopfteil der Tragetasche funktioniert. So wie es jetzt ist, würde das Baby kopfüber hinausrutschen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das so sein soll. Ich habe die Tragetasche in alten Bedienungsanleitungen auf pdf gefunden, doch zu meinem Problem steht da nichts, ich habe probiert, gebogen, gelesen, gefragt, bisher ohne Ergebnis, nur dass ich immer wuschiger wurde. Morgen vesuche ich es bei der Cousine, ihre Tochter sieht nicht aus, als wäre sie oft mit dem Kopf zuerst aus dem Kinderwagen gerutscht.
Apropos wuschig. Lektion drei: Wenn man hinten an der Waschmaschine die Stecker umstöpselt, kann man an den Wasserhahn kommen und diesen um eine entscheidende halbe Drehung verschieben. Das wiederum kann der Grund sein, warum nach 2 Stunden vermeintlichem Waschgang (bunt, 4o°) die Tür nicht aufgeht und ein strenges „FH“ leuchtet. Die Waschmaschine ist dann zum Glück nicht kaputt, aber mit Wasser geht Waschen deutlich besser. (Zur Strafe und um heute noch fertig zu werden, im neuen Versuch aber nur Kurzwäsche, pflegeleicht, pff.)
Apropos wuschig, apropos waschen. Lektion vier: Der große blaue Becher steht nicht stabil auf dem Sofa, und ein halber Liter schwarzer Tee ist auch auf Cord eine recht nasse Angelegenheit. Der Fleck in Form und Größe von halb Europa brachte mich zum Entschluss, auch gleich die zusammen mit dem Sofa von Bruder #1 geerbten Schokoladenflecken aus dem Beddinge-Cord-Bezug (blau) zu waschen. Angesichts einiger dringend zu erledigender Dinge (vgl. Gedanken zwischen 4 und 6 Uhr früh) ist Sofabezugwaschen natürlich ungefähr so sinnvoll wie Nägel lackieren nach einem Erdbeben, aber ich hatte auf ein schnelles und großflächiges Ergebnis gehofft. Leider lässt sich (Lektion fünf) Beddinge-Cord-Bezug (blau) zwar bei 60° waschen, passt aber nicht in die Maschine. Lektion sechs: In der Badewanne lässt er sich waschen, aber in nassem Zustand nicht mehr von einer einzelnen (schwangeren) Frau herausheben. Auch mit Zerrung im Oberarm nicht. Nun übernachtet Beddinge-Cord-Bezug (blau / nass) in der Wanne und ich werde morgen Abend wieder duschen, wenn Percanto zurück ist und ihn in den Keller verfrachtet hat, wo dann vermutlich die Leinen in die Knie gehen.
Lektion sechs: Die polnische Nachbarin trägt mit Grund Pelzmütze im Wäschekeller, denn dies ist ein kalter Ort für lange Gespräche unter tropfenden Socken.

Die angelassene Herdplatte (vorne links, Spinat) habe ich aber – wuschig hin oder her – bemerkt, bevor irgendwas gebrannt hat. Insgesamt war es also kein schlechter Tag.
Und sobald das Sodbrennen etwas nachlässt, lege ich mich hin, um ausgeschlafen zu sein für einen neuen Tag voller Abenteuer im Mutterschutz.

Das Jahr in Fragen und Antworten


Wir sind wieder zu Hause, bei Tee gibt es Ausstecherle-Gulasch (diese fragilen Kekse überleben leider nie den Postversand), die ganze Wohnung riecht penetrant nach Zwiebeln (Lauchsuppe für heute Abend) und bevor wir gleich zu Handfegers aufs Land fahren, wird es höchste Zeit, den Jahresrückblick in 27 Fragen zu beantworten.

Dieses Jahr war zweitgeteilt – viel Arbeit bis Mitte Juni / Mitte Juli und etwas einseitiges Sitzen in der Arbeitskabine der Bibliothek, und dann die großen Veränderungen, eine nach der anderen. Ich bin noch immer etwas atemlos und habe das Gefühl, viel mehr passt nicht in so ein Jahr. Es gab eigentlich überhaupt kein Mittelmaß, es war anfangs ausgesprochen anstrengend, dann gab es wundervolle und großartige Ereignisse, großes Glück, echte Freundschaft und herzklopfende Liebe, und es gab tiefschwarze Momente und Verzweiflung. Wobei das Glück das ist, was noch da ist. Und bin sehr gespannt auf das neue Jahr, das gleich mit der größtmöglichen Veränderung beginnen wird.
Aber Frage für Frage:

  1. Zugenommen oder abgenommen?
    Erst ab, bis die dicke Arbeit fertig und eingereicht war, dann langsam und konstant zu. Jetzt habe ich ein Plus von gut 10 Kilo, bin schwerer denn je und schaue mich dennoch lieber im Spiegel an denn je. Vor allem um die lustige Körpermitte.
  2. Haare länger oder kürzer?
    Mal so, mal so. Alles in allem ungefähr gleich, schätzungsweise.
  3. Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
    Kurzsichtiger. Aber sie sind weniger schlimm geworden als befürchtet. Dafür eine neue Brille, die schick ist, aber an den Rändern immer noch unscharf. Doofer Effekt, finde ich.
  4. Mehr Kohle oder weniger?
    Kohle?
  5. Mehr ausgegeben oder weniger?
    Mehr für „Lebensmittel unterwegs“ oder „Kaffee in der Bibliothek“ incl. Luxusvariante „Kaffee von der Tankstelle“ (nach den Cafeterien-Schließ-Zeiten). Mehr für Umzug, Möbel, Kram. Mehr für Ärzte. Mehr für Papier. Wie immer zu viel für Reparaturen. Weniger für Musik, Urlaub (hm?) und anderen netten Kram.
  6. Mehr bewegt oder weniger?
    Insgesamt vermutlich weniger. Den Pfahlsitz-Rekord auf Bibliotheksterrain habe ich zwar durch regelmäßiges Laufen auszugleichen versucht, aber zeitgleich mit dem Abstieg vom Schreibtisch bekam ich Sportverbot. Nach dem Umzug mehr Fahrrad, weniger Fußweg. Dennoch, eher weniger.
  7. Der hirnrissigste Plan?
    „In der ersten Juniwoche Arbeit abgeben“ (von der noch nichts geschrieben war.) Hat aber geklappt. Also doch nicht so hirnrissig, vermutlich.
    Vielleicht auch „mit dem Fahrrad und dem Zug und dem Bus zu Ikea fahren“.
  8. Die gefährlichste Unternehmung?
    Eher ungefährlich gelebt. Thromboserisiko durch stundenlanges Sitzen gesteigert. Glühbirnen ausgewechselt ohne den Strom abzuschalten. Wohooo!
  9. Der beste Sex?
    Der beste? Der effektivste resp. folgenreichste war irgendwann Anfang Juni. Aber ich kann mich nicht daran erinnern.
  10. Die teuerste Anschaffung?
    10 Ausgaben meiner Arbeit. Möbel. Neues Fahrrad für den Mann. Anteile an einem Umzugsunternehmen. Dieses Wesen in mir, zwar schon angeschafft, aber wirklich teuer wird das erst noch.
  11. Das leckerste Essen?
    Wieder mal die Kartoffelsuppe meiner Mama?
  12. Das beeindruckendste Buch?
    Schon lang in meinem Besitz, aber erst im Mai gelesen, spät nachts, um die tagsüber verbrauchte Sprache zu wieder aufzufüllen: Jeffrey Eugenides: Middlesex. Seit langem das erste Buch, was mich wirklich wieder in seinen Bann gezogen hat. Lesen, ohne aufhören zu können.
    Und gefreut hab ich mich über Tilman Rammstedt: Der Kaiser von China, weil ich mit Tilman zusammen studiert habe und seine Bücher immer besser werden.
    (Zählt der Mutterpass als Buch? Dann auch der.)
  13. Der ergreifendste Film?
    Ich war ungefähr gar nicht im Kino. Aber Ostern habe ich fast ganz alleine im großen Kino No Country for Old Men gesehen, war sehr beeindruckt und seither ein bisschen in Javier Bardém verliebt.
  14. Die beste CD?
    Die wichtigsten: Alle von Element of Crime, die Isa mir geschickt hat, weil es der Soundtrack meiner Abschlussphase wurde.
  15. Das schönste Konzert?
    Tristan! Fünf Stunden auf der Sesselkante, und hinterher der 3. Akt in Endlosschleife.
  16. Die meiste Zeit verbracht mit …?
    Floridor und seinen Texten und dem, was daraus wurde.
  17. Die schönste Zeit verbracht mit …?
    Allen zusammen auf Usedom? (Ich weiß sowas immer nicht, so Superlative.)
  18. Vorherrschendes Gefühl 2008?
    Wow. Hilfe. Hurra. Nein. Bitte nicht. Hoffentlich. Jajaja. Wow.
  19. 2008 zum ersten Mal getan?
    Eine Doktorarbeit beenden (mit allen Folgen wie: Erstmals eine Doktorarbeit verteidigen oder das Gänseliesel küssen).
    Schwanger werden (mit allen Folgen wie: Erstmals schniefend und gebannt auf einen Ultraschallmonitor starren oder entscheiden, welcher Bezug in die Wiege soll).
    Einen Vertrag für mehr als 1 Jahr unterschreiben (noch ohne Folgen außer einer gewissen Ruhe).
    Eine Unterlassungserklärung unterschrieben (mache ich auch nie wieder. Neinein!)
  20. 2008 nach langer Zeit wieder getan?
    Auf der falschen Seite an einer mündlichen Prüfung teilgenommen.
    Mit der ganzen Familie in den Urlaub gefahren.
    Patentante geworden.
  21. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?
    E.s Ende.
    Diese Sache mit der Unterlassungserklärung.
    Die ein oder andere Geschichte mit der alten Wohnung. Und mit der neuen.
  22. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
    „Bleib bei uns!“
  23. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
    Ich schenke sehr gerne, aber das weiß ich nicht.
  24. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
    Ich bekomme auch gerne Geschenke, aber auch das weiß ich nicht. Geweint habe ich beim Stampler zum Nikolaus, dessen Füßchen mit Nüssen und Schokolade gefüllt haben.
  25. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
    Vielleicht: „Wir würden uns freuen, wenn Du seine Patentante wirst.“
    Oder: „Das ist das Herz, es ist alles gut.“
  26. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
    „Ich bin schwanger!“ (Auch in den Varianten: „Du wirst Onkel.“ und „Hier ist mein Gorgonzola. Den darf ich jetzt nicht mehr essen.“)
  27. 2008 war mit einem Wort …?
    Extrem.

Zimt und Nuss und Mandelkern (Geschichte ohne Pointe, aber mit Rezept)

Weihnachten ist eine lange Kette von Ritualen, von denen keines fehlen oder abgewandelt werden darf. Beim Karpfen blau machen staunen, am Weihnachtsbaum das kleine Körbchen suchen, das Engelchen vom Klavier auf die Krippe setzen.
Traditionell, das heißt bei den Eltern zu Hause und in den Adventspäckchen, gibt es im Advent auf jeden Fall auch Dresdner Christstollen (eines der Kriegsrezepte meiner Großmutter, Mutti hat ihr 1940er-Backbuch mal komplett durchprobiert, geblieben ist es glaube ich bei Omis Stollen 1943), Florentiner, Ausstecherle (unbedingte Lieblingsfiguren: das rennende Schwein, dann das Kamel, das Nashorn), Vanillekipferl und Berliner Brot. Dieses Jahr gab es statt Berliner Brot sehr gutes Spritzgebäck, und da ich endlich! einen Ofen habe, wollte ich die eigene Adventsbäckerei mit dem fehlenden Berliner Brot beginnen. Ausstecherle hatte ich schon mit dem Patenkindsbruder gemacht, was einige Tränen gab, weil er nicht den
ganzen Teig roh essen durfte, nicht alle Mandeln unter dem Tisch verteilen sollte und weil er sehr unentschlossen war, ob die krumpeligen Regenwürmer auch in den Ofen sollten oder nicht.Am Ende war er aber sehr glücklich und sehr stolz auf seine halben Herzen, die Schweinespuren und die letztendlich mitgebackene Wurmfamilie.Berliner Brot geht eigentlich schnell und einfach, dummerweise hatte ich Muttis Rezept nicht und Mutti war unterwegs, und Familienkekse nach außerfamiliären Rezepten sind natürlich so eine Sache. Ich habe also ein paar Rezepte so kombiniert, wie es mir am wahrscheinlichsten erschien, ganz wichtig sind viele Nüsse, viele Mandeln und große Stücke Blockschokolade. Noch wichtiger ist die hellblaue Schürze mit den weißen Streublüten von meiner Mimi. Die Schürze ist sehr zerschlissen, die Bänder bestehen fast nur noch aus Knoten, aber sobald ich die Enden zu einer kurzen Schleife binde, fühle ich mich transparent – so, als würden durch mich mit der Schürze erst meine Mutter hindurchscheinen und durch sie ihre Mutter, Mimi. Die Wirkung ist nicht mehr so unmittelbar wie zu Beginn, als ich die Schürze – noch mit einem Stückchen Bindfaden und einer Wäscheklammer in der Tasche – die ersten Male umgebunden hatte, aber immer noch spüre ich ganz deutlich die Generationen. Dieses Mal habe ich die Schürze über den Babybauch gewickelt, und Mimi hätte sich so über diese neue Generation gefreut, dachte ich dabei. Und sich bestimmt furchtbare Sorgen gemacht um mich und den ersten Urenkel.
200 g Mandeln standen im Rezept, aber erst als ich das Tütchen brauner Kerne ausgekippt hatte, fiel mir ein, was nicht dabeistand: Mandeln schnipsen! Das letzte Mal war bestimmt 15 Jahre her, oder noch länger, vielleicht hatte ich sogar noch auf dem roten Schemel gestanden, um besser an die Mandeln in der Blechtasse mit blauem Rand zu kommen. Sofort gegenwärtig war dann aber wieder das Gefühl der fast verbrühten Fingerspitzen – und vor allem das der ausgekühlten, feuchten Mandelhäutchen.
Dank dieser zwei Kilo Baby in mir bin ich gerade sowieso nie allein, und ein wenig Gewürzgeruch, Schürzenstoff, Bullerbüzitate oder feuchte Mandelhäutchen scheinen zu genügen, um mich vollends zur Mamuschka zu machen, um neben dem zappelnden Figürchen im Inneren auch immer wieder die Hüllen der vorigen Generationen bewusst zu machen.
Das Berliner Brot ist bei uns übrigens eigentlich ein Stippgebäck, hart wie Bundeswehrkekse. Das frei variierte Rezept führte zu merkwürdig lockerer Lebkuchenkonsistenz, die Kekse ließen sich nicht nur widerstandslos schneiden, sondern zerfallen beim Bewegen einfach. Und enthalten wohl etwas zu viel an Gewürz.
So hab ich sie gemacht, das Familien-Originalrezept wird möglicherweise nachgereicht.

* * *
400 g Margarine
500 g brauner Zucker (oder weniger Zucker, dafür aber noch Rübensirup)
4 Eier
2 EL Zimt
gemahlene Nelken, Cardamon, Orangenschale, Zitronenschale, Muskat, Koriander, Anis nach Gefühl (etwas weniger Gefühl tuts auch)
200 g Blockschokolade, teils gerieben, teils in Stückchen gebrochen
500 g Mehl
1 Pkt. Backpulver
200 g ganze Haselnüsse
200 g Mandeln

Puderzucker und Zitronensaft

Margarine, Zucker, Eier und Gewürze, Mehl und Backpulver gut mixen. Schokolade, Nüsse und Mandeln unterrühren.
Ein Backblech mit Backpapier auslegen, den Teig darauf verteilen und glattstreichen. Bei mir hat es für anderthalb Bleche gereicht, der Teig ging aber – für ein ganzes Paket Backpulver – erstaunlich wenig auf.
Ofen auf 180° vorheizen, etwa eine halbe Stunde backen.
Wenn die Masse ein wenig abgekühlt ist, mit Zuckerguss (mit einem Spritzer Zitrone) bestreichen (er sickert auf dem warmen Teig fast vollständig ein, am Ende bekommen die Kekse dadurch aber eine leichte Kruste) und in Rauten schneiden.

In einer Blechdose zwischen Schichten von Backpapier aufbewahren.

* * *
Probieren Sie es aus, bis es hier die nächste Folge vorweihnachtlichen Sentiments mit extra Zimt gibt.

 

Technikkarma [2]


Ok, ich lass das letzte Posting namens „Techni“ mal so stehen. Passt schon. Denn die Technik und ich vertragen uns nicht wirklich gut. Das hat zum Teil sicher mit einem Desinteresse an bestimmten Zusammenhängen meinerseits zu tun, wie zum Beispiel am Zusammenhang von Hubraum und Fahrleistung. Überhaupt, Autos, ach. Aber eine Menge der Erlebnisse oder Zusammenstöße, die mich und Technik verbinden, sind so einfach nicht zu erklären. Dass bis gerade eben mein Internet nicht ging, liegt sicher teilweise schon an mir, weil ich nicht wusste, was der Unterschied zwischen WAP und WPE und so ist, und was ich davon brauche, und wo ich das herkriege, und.
Aber! Meine Freunde verdrehen vermutlich die Augen, weil die Liste meiner technischen Missgeschicke lang und absurd ist. Genauer gesagt handelt es sich um mich und Elektrogeräte. Ein in Flammen stehender Toaster? Meiner! Ein Laptop, bei dem versehentlich kein Lüfter eingebaut wurde? Meiner! Ein Computer, bei dem ein anderer Freund und Berater irgendwann meinte, „vom Balkon werfen“ würde vielleicht helfen, sonst wisse er auch nicht? Meiner!
Ich kann inzwsichen Fernsehen empfangen, aber ZDF nicht. Unser alter DVD-Player kann die Schublade auf und zu machen, und tut das auch ausdauernd. Sonst aber nichts. Meine unkaputtbare Gangschaltung muss in diesem Jahr zum zweiten Mal ersetzt werden, geht leider nur noch einer von sieben Gängen. Keine Glühbirne erreicht die vorgesehene Lebensdauer, sie machen einfach „ping“, wenn ich den Schalter umlege. Nur die von mir gekauften „Dinge“-Lampen in blau werden von Ikea zurückgerufen. Für die Reparatur meines von einem Blitz zerlegten Computers musste ich einmal nichts bezahlen, weil sich die Techniker so über das spaßige Gerät amüsiert hatten. „Ach lass mal, das war so lustig die Woche, wenn du das Material bezahlst, reicht das.“ Was damals passiert war? Der Blitz hatte fast nichts kaputt gemacht – nur die Tastatur ging zwar nach wie vor mit allen anderen Computern, nicht aber mit meinem. Mit meinem Computer ging nur noch eine andere Tastatur – WENN man dann noch einen amerikanischen Adapter dazwischenschaltete. Fragen Sie nicht. Den Grund kannten die Techniker auch nicht. Aber dafür pfiff der Tower, wenn man die Seitentür öffnete. Als ich den Computer abholen wollte, baten sie mich, noch kurz zu warten. „Der Andreas hat das Pfeifen noch nicht gehört, wenn du kurz Zeit hast, zeigen wir ihm das noch, hihi.“ Macht nur. (Seitdem fühle ich mich mit meinen Elektrogeräten wie eine Mutter ungezogener Kinder. Ja, das sind meine. Nein, ich finde es auch nicht gut.)
Gestern Abend ist eine der drei Glühbirnen der Deckenlampe in unserer kleinen Küche kaputtgegangen, einfach beim Anknipsen. Kurz bevor vorhin Herr Jodies vorbeikam, um nach dem neuen Patienten Laptop zu sehen, hatte ich dann gemerkt, dass sich dafür meine Kühl-Gefrier-Kombination in einen Schrank mit Licht verwandelt hatte. Auch schön. Aber nicht so gut für die tiefgefrorenen Sachen. Stecker war drin, dieses Licht funktionierte ja auch, aber er kühlte eben nicht mehr. Schade. Also habe ich den Nachmittag über gebacken und gebraten: zwei Apfelstrudel, jede Menge Fisch, eine Bratente. Dazu Sahne geschlagen, die Eier sollte ich vielleicht auch hart kochen. Den gebratenen Fisch hat die Nachbarin zusammen mit dem Spinat und den Himbeeren bei sich wieder eingefroren, den einen Apfelstrudel mit Sahne bin ich portionsweise bei verschiedenen Nachbarn losgeworden, Pizza wollte keiner, fürs Eis wars zu spät. Kurz nach der Brat-Koch-Back-Aktion bekam ich den Tipp, einfach mal den Stecker rauszuziehen und wieder einzustecken. Ich bin auf den Stuhl geklettert, die Steckdose ist oben über dem Kühlschrank, er ging auch raus – und mit ihm die ganze Plastikabdeckung, die leider bevor ich zugreifen konnte, hinter den Kühlschrank und damit komplett hinter die Einbauküche fiel. Tja. Selbst wenn er sich durch Einstecken wieder aktivieren ließe, auch das nun schwierig.
Der Laptoparzt kam, ich führte ihn kurz in die Küche, weil ich ihm Torte des besten Konditors der Stadt versprochen hatte, auch er wollte über diese hinaus keine Pizza und keinen Fisch und keinen ganzen Apfelstrudel. Kaum war ich durch die Tür, flackerte das verbliebene Deckenlicht und begann das Radio zu knistern und zu rauschen.
Vielleicht verstehen Sie nun, warum meine Eltern mich bis heute empört anrufen, wenn bei ihnen zu Hause ein Elektrogerät kaputtgeht. Auch wenn es eine vollkommen elektronikfreie Thermoskanne ist, die zerspringt, während ich 14.000 km weit weg bin.
Sollte sich Ihr Computer beim Lesen dieses Blogs merkwürdig verhalten, plötzlich das Licht ausgehen oder Ihr Fernseher implodieren, besuchen Sie besser eine andere Seite befreundeter Blogger. Ich bitte im Voraus um Entschuldigung.
 

Stau


Ferienende, Semesterbeginn, Schwangerschaftshalbzeit, letzte Woche im alten Zuhause. Es staut sich ein bisschen, alles.
Überhaupt ist die letzten Wochen sehr viel passiert, zu viel und zu fordernd zum bloggen (anscheinend), klauende Kollegen und zickende Nachmieter, lauter Dinge, die man nicht dringend braucht, aber immerhin komme ich inzwischen wieder dazu, Belangloses zu schreiben, ein Anfang. Belanghaftes dann vielleicht auch wieder. Dann.

Heute habe ich 13 Kisten gepackt, einen Müllsack gefüllt und eine Alpapierkiste, Percanto hat zwei Kisten gepackt, die aber bestimmt ordentlicher als ich meine. Heute waren die Treppenhausmaler da und haben die Tür lackiert und mir Farbe verkauft, und der Möbeltransporterverleiher war da und hat die Größe des benötigten Wagens geschätzt und in den Kleiderschrank geguckt, zum Glück auf Percantos Seite, die ist ordentlicher. Nicht da war die Post, und die Zeitung auch schon wieder nicht. Nachsendeauftrag läuft aber erst ab nächster Woche, also kann ich unter „E abmelden“ und „Krankenkasse“ und „Techem“ auch „mal wieder bei der Zeitung anrufen“ schreiben.
Dann bin ich mit dem Rad, wo schon wieder die Gangschaltung kaputt ist (bevor ich die Sachen unauffindbar einpacke, sollte ich die Quittung der letzten Gangschaltung raussuchen), durch einen strahlend goldenen Vormittag gefahren und habe mich darauf gefreut, gleich das zappelnde Wesen in meinem Bauch zu sehen. Bei meiner Ärztin habe ich das Baby vermessen lassen, seine Händchen, Füße und seinen Bizeps bewundert und seine Zunge gesehen. Nieren hat es auch, und Rippen und Wirbel und ein gleichmäßig mit 150 Schlägen pulsierendes Herz. Großes Glück. Ganz großes Glück.
Heute hat sie nicht mehr wegen der geringen Gewichtszunahme geschimpft, und einen Bauch habe ich jetzt ja endlich, sie jedenfalls fand das auch.
Als ich kurz in der Uni war, waren dort neue Sachen ins Büro geschwemmt worden, Einlegeböden für Karteikästen und ein Simpsons-Radiergummi, aber noch immer nicht alles, was mir gehört. Ich habe noch schnell die Chefin vom Ganzen überfallen und sie um eine Einschätzung der Situation gebeten, schwierig, eigentlich gehörte der liebe Kollege in die Psychiatrie. Wir schlafen nochmal drüber. Im Gegenzug hat sie mich überfallen und gefragt, ob ich nicht ab Mittwoch auch die Einführung in spanische Linguistik übernehmen will. Ob sie vielleicht auch für französische Landeskunde jemanden braucht?, fragte ich, oder portugiesische Didaktik?, schon, aber Linguistik hätte ich doch wirklich studiert, und zwar – das war der Bezirz-Teil, klar – ausgezeichnet, sonst würde sie mich ja nicht fragen. Schwupp hatte ich zwei Einführungen im Arm und auch dafür bis morgen Zeit, mir das zu überlegen.
Jetzt habe ich Milchreis gekocht mit dem letzten Topf, den ganzen alten Kakao weggeworfen und weiter gepackt und sortiert und die Nachbarn gefragt, ob sie mit der Entscheidung weiter gekommen sind, ob sie unsere Küchenmöbel wollen (sind sie nicht), und Beate hinterhertelefoniert, ob sie ihren Herd zurückwollen, aber Beate ist nicht da.
Und da es jetzt streng auf Mitternacht zugeht, sollte ich vielleicht mal anfangen, mir zu überlegen, was genau ich 14 Wochen lang mit zwei verschiedenen Seminargruppen unternehmen will. Und was ich morgen Nachmittag den kleinen Erstsemestern repektive den Senioren am Vormittag dazu erzähle. Und das Buch lesen, was wir zuerst behandeln. Und mich mit der neuen Literaturwissenschaftseinführung vertraut machen.
Und mir, bevor ich dann abends zum Streichen in die neue Wohnung fahre, vielleicht besser aus dem Kopf schlagen, auch noch ein Fach zu unterrichten, mit dem ich mich seit 5 Jahren nicht befasst habe. Oder?

Alles anders, alles neu


Heute ist der 9. September 2008. Ein Dienstag im Altweibersommer.

Oder genau 2 Monate nach der Disputation, siehe oben rechts.
Oder der 16. Elul 5768.
Oder (glaube ich) der 8. Ramadan 1429.
Oder der 28. August 2008 nach dem Julianischen Kalender, und in China ist Jahr der Ratte. Heute ist der Tag nach dem Tag, an dem die Schwalben wegflogen (das tun sie an Mariä Geburt), oder der Namenstag von Sergio und Omar.

Aber wir rechnen jetzt anders. Für uns ist heute vor allem: 15 + 2.


wieder da

Nach dem letzten Blogeintrag brachen zehn Tage voller Glück und Glücksfälle über mich hinein; ich weiß gar nicht, wo ich mich zuerst freuen soll.

Da außerdem mein Internet zu Hause nicht funktioniert (das fällt nicht unter die Glücksfälle im engeren Sinne, aber gerade auch nicht sehr ins Gewicht), komme ich überhaupt nicht zum Bloggen. Aber jetzt vielleicht mal wieder. Ich geb mir Mühe.
Und freu mich einfach weiter.