Zimt und Nuss und Mandelkern (Geschichte ohne Pointe, aber mit Rezept)

Weihnachten ist eine lange Kette von Ritualen, von denen keines fehlen oder abgewandelt werden darf. Beim Karpfen blau machen staunen, am Weihnachtsbaum das kleine Körbchen suchen, das Engelchen vom Klavier auf die Krippe setzen.
Traditionell, das heißt bei den Eltern zu Hause und in den Adventspäckchen, gibt es im Advent auf jeden Fall auch Dresdner Christstollen (eines der Kriegsrezepte meiner Großmutter, Mutti hat ihr 1940er-Backbuch mal komplett durchprobiert, geblieben ist es glaube ich bei Omis Stollen 1943), Florentiner, Ausstecherle (unbedingte Lieblingsfiguren: das rennende Schwein, dann das Kamel, das Nashorn), Vanillekipferl und Berliner Brot. Dieses Jahr gab es statt Berliner Brot sehr gutes Spritzgebäck, und da ich endlich! einen Ofen habe, wollte ich die eigene Adventsbäckerei mit dem fehlenden Berliner Brot beginnen. Ausstecherle hatte ich schon mit dem Patenkindsbruder gemacht, was einige Tränen gab, weil er nicht den
ganzen Teig roh essen durfte, nicht alle Mandeln unter dem Tisch verteilen sollte und weil er sehr unentschlossen war, ob die krumpeligen Regenwürmer auch in den Ofen sollten oder nicht.Am Ende war er aber sehr glücklich und sehr stolz auf seine halben Herzen, die Schweinespuren und die letztendlich mitgebackene Wurmfamilie.Berliner Brot geht eigentlich schnell und einfach, dummerweise hatte ich Muttis Rezept nicht und Mutti war unterwegs, und Familienkekse nach außerfamiliären Rezepten sind natürlich so eine Sache. Ich habe also ein paar Rezepte so kombiniert, wie es mir am wahrscheinlichsten erschien, ganz wichtig sind viele Nüsse, viele Mandeln und große Stücke Blockschokolade. Noch wichtiger ist die hellblaue Schürze mit den weißen Streublüten von meiner Mimi. Die Schürze ist sehr zerschlissen, die Bänder bestehen fast nur noch aus Knoten, aber sobald ich die Enden zu einer kurzen Schleife binde, fühle ich mich transparent – so, als würden durch mich mit der Schürze erst meine Mutter hindurchscheinen und durch sie ihre Mutter, Mimi. Die Wirkung ist nicht mehr so unmittelbar wie zu Beginn, als ich die Schürze – noch mit einem Stückchen Bindfaden und einer Wäscheklammer in der Tasche – die ersten Male umgebunden hatte, aber immer noch spüre ich ganz deutlich die Generationen. Dieses Mal habe ich die Schürze über den Babybauch gewickelt, und Mimi hätte sich so über diese neue Generation gefreut, dachte ich dabei. Und sich bestimmt furchtbare Sorgen gemacht um mich und den ersten Urenkel.
200 g Mandeln standen im Rezept, aber erst als ich das Tütchen brauner Kerne ausgekippt hatte, fiel mir ein, was nicht dabeistand: Mandeln schnipsen! Das letzte Mal war bestimmt 15 Jahre her, oder noch länger, vielleicht hatte ich sogar noch auf dem roten Schemel gestanden, um besser an die Mandeln in der Blechtasse mit blauem Rand zu kommen. Sofort gegenwärtig war dann aber wieder das Gefühl der fast verbrühten Fingerspitzen – und vor allem das der ausgekühlten, feuchten Mandelhäutchen.
Dank dieser zwei Kilo Baby in mir bin ich gerade sowieso nie allein, und ein wenig Gewürzgeruch, Schürzenstoff, Bullerbüzitate oder feuchte Mandelhäutchen scheinen zu genügen, um mich vollends zur Mamuschka zu machen, um neben dem zappelnden Figürchen im Inneren auch immer wieder die Hüllen der vorigen Generationen bewusst zu machen.
Das Berliner Brot ist bei uns übrigens eigentlich ein Stippgebäck, hart wie Bundeswehrkekse. Das frei variierte Rezept führte zu merkwürdig lockerer Lebkuchenkonsistenz, die Kekse ließen sich nicht nur widerstandslos schneiden, sondern zerfallen beim Bewegen einfach. Und enthalten wohl etwas zu viel an Gewürz.
So hab ich sie gemacht, das Familien-Originalrezept wird möglicherweise nachgereicht.

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400 g Margarine
500 g brauner Zucker (oder weniger Zucker, dafür aber noch Rübensirup)
4 Eier
2 EL Zimt
gemahlene Nelken, Cardamon, Orangenschale, Zitronenschale, Muskat, Koriander, Anis nach Gefühl (etwas weniger Gefühl tuts auch)
200 g Blockschokolade, teils gerieben, teils in Stückchen gebrochen
500 g Mehl
1 Pkt. Backpulver
200 g ganze Haselnüsse
200 g Mandeln

Puderzucker und Zitronensaft

Margarine, Zucker, Eier und Gewürze, Mehl und Backpulver gut mixen. Schokolade, Nüsse und Mandeln unterrühren.
Ein Backblech mit Backpapier auslegen, den Teig darauf verteilen und glattstreichen. Bei mir hat es für anderthalb Bleche gereicht, der Teig ging aber – für ein ganzes Paket Backpulver – erstaunlich wenig auf.
Ofen auf 180° vorheizen, etwa eine halbe Stunde backen.
Wenn die Masse ein wenig abgekühlt ist, mit Zuckerguss (mit einem Spritzer Zitrone) bestreichen (er sickert auf dem warmen Teig fast vollständig ein, am Ende bekommen die Kekse dadurch aber eine leichte Kruste) und in Rauten schneiden.

In einer Blechdose zwischen Schichten von Backpapier aufbewahren.

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Probieren Sie es aus, bis es hier die nächste Folge vorweihnachtlichen Sentiments mit extra Zimt gibt.