Fünf Kinderbücher plus drei

Nachdem ich gestern meine „Fünf Bücher“ vorstellen durfte, wurde ich nach dem Verbleib einiger anderer Lieblingsbücher gefragt, die es nur oder nicht mal auf die Shortlist geschafft hatten (Kommentare dazu kommen noch), und ich wurde nach den Lieblingsbüchern von Nuno gefragt. Die Frage habe ich an ihn weitergeleitet, und anders als ich konnte er sich sehr schnell entscheiden. „Wir nehmen die fünf dicksten“, sagte er, er ist nämlich ein Vorlesetierchen und genießt es über alle Maßen, vorgelesen zu bekommen. Seine Großmutter liest ihm am Telefon stundenlang vor, während er wie eine Katze auf der Rücklehne des Sofas liegt. Zur Zeit fordert am Telefon Joppe von Gunnel Linde, aus dem Regal gezogen hat er andere – und dann doch nicht nur die dicksten, aber am Ende mehr als fünf. Wir lassen das jetzt so. Die Begründungen sind alle von Nuno, 4 Jahre und 5 Wochen alt. Ich habe nur protokolliert, das hat sich in diesem Blog ja bewährt.

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1. Otfried Preußler: Räuber Hotzenplotz 
Der Räuber Hotzenklotz! Weil der Seppl und der Kasper die Spur vom Sand gefunden haben. Und weil da ein Polizeimann vorgelesen war. Ich fande es gut, weil der Petrosilius Zwackelmann zaubern konnte.

2. Janosch: Ich mach dich gesund, sagte der Bär
Ich finde das gut, weil er dem kleinen Tiger geholfen hat. Und der Arzt! Und der hat gesagt, nächstes Mal werde ich aber krank, dabei weiß man gar nicht, wann man krank wird.

3. Otfried Preußler: Der kleine Wassermann
Weil der auf dem Karpfen Cyprinus schwimmen durfte. Und den Vater mag ich, weil der kleine Wassermann einmal draußen schwimmen durfte, als er ganz weit weg vom Ufer war.

4. Tomi Ungerer: Crictor, die gute Schlange
Weil da der Polizist dabei war, und die Schlange, weil die den Dieb gefesselt hat, und die Frau. Die heißt Madame Louise Bodot. Und dass die Schlange Zahlen machen kann. Können Schlangen so welche Zahlen?

5. Sven Nordqvist: Ein Feuerwerk für den Fuchs
Und bei Findus mag ich, dass der ein Gespenst war. Und das war alles.

plus 1. Astrid Lindgren: Lotta zieht um
Oh, dieses finde ich glaube ich nicht gut, weil die so böse ist. Aber ich finde es trotzdem gut.

plus 2. Astrid Lindgren: Weihnachten in Bullerbü
Den Großvater. Wir haben schon viele Bücher, aber das soll auch bleiben.

plus 3. A.A. Milne: Pu der Bär
Weil der Pu der Bär… ich finde nicht gut, dass der in die Dornen gefallen ist. Aber dass ihm vorgelesen wird, am Freitag. Das mag ich. Und ich will, dass wir das ganze dicke Buch jetzt lesen.

Fünf Bücher

Heute darf ich als Nummer 178 bei „Fünf Bücher“ mitmachen. Bei diesem schönen Projekt geht es um folgendes:

In jedem Regal gibt es Bücher, mit denen wir eine Geschichte verbinden (z.B. ein Buch aus der Kindheit, aus dem die Großmutter immer vorlas) oder solche, die sich nur schwer digital ersetzen lassen (Liebhaberstücke, Bildbände, etc.). Oft sind es aber auch Bücher, die uns aus anderem Grund viel bedeuten, weil sie uns nachhaltig geprägt, besonders berührt oder sogar verändert haben.

Heute also ich, mit fünf Titeln von fünf Autoren, deren Auswahl mir schwer fiel (einen Teil meiner Longlist findet sich in der letzten Kurzbesprechung) und die dennoch vielleicht nicht wirklich überraschend ist.

Lernen

Ich habe einen Doktortitel, der mir noch nicht aberkannt wurde. Ich habe eine Prüferlizenz für die Zentrale Mittelstufenprüfung Deutsch und eine Zulassung als Master-Prüferin. Ich könnte Euch Flattervögel erklären, Mürbeteig, spanische Versschlüsse oder interne Fokalisierung bei heterodiegetischer Erzählinstanz. Und jetzt lerne ich Stricken. Und übe Demut.
Wie kam man überhaupt darauf, dass Stricken funktionieren könnte?
Ich gehe wieder aufribbeln. Und fange von vorne an. Demut.

Von der Flüchtigkeit des Wortes. Und des Ruhmes.

Wie im Radsport werden übrigens auch in der Wissenschaft im Allgemeinen und von Doktorarbeiten im Besonderen die B-Proben nicht sofort untersucht, sondern für einen späteren Zeitpunkt aufbewahrt, wenn die Methoden der Doping-Ermittler zu denen der Betrüger aufgeschlossen haben. Nicht dass Sie in 33 Jahren sagen, Sie hätten das nicht gewusst.

Ein hellblaues Radio mit Saiten

Zwei Stunden lang sitzt Nuno im Gitarrenladen auf einem Verstärker und spielt auf der selbstausgesuchten hellblauen Ukulele, während der Lieblingsitaliener größere und PS-stärkere Instrumente ausprobiert. Zwei Stunden Hingabe und danach der mit großem Augenaufschlag formulierte Wunsch, sich die „kleine Gitarre“ noch zum anstehenden Geburtstag wünschen zu dürfen. Wir nehmen das gute Stück gleich mit, und Nuno ist selig. Er spielt und singt seitdem fast ununterbrochen, und besonders freut er sich, dass es seine kleine Gitarre ist. Anders als bei den Instrumenten der Großen darf er hier nicht nur mal zupfen, sondern – solange er sie gut behandelt – auch alles andere. Einzeltöne („Unterschiede spielen“, wie er sagt), Schrammeln, die Ukulele ein- und auspacken, mit oder ohne Plektron spielen, mit oder ohne Gesang. Und das beste: Er darf auch an den sonst verbotenen Wirbeln drehen: „Das ist meine kleine Gitarre. Darum darf ich an den Schrauben drehen, bist ein neues Lied kommt.“

The Next Big Thing Blog Hop (einfacher vielleicht: „Buchschreibestöckchen“)

Ein Stöckchen. Es gibt noch Stöckchen! Dieses Buch-Schreibe-Stöckchen habe ich von Isabel zugeworfen bekommen, Autorin von Sachen machen, die es wiederum von Pia Ziefle hat, der Autorin von Suna. Und darum geht es, um das Schreiben und neue Buchprojekte.
Ich bin nun keine Autorin, aber ein Buch schreibe ich trotzdem, und worum da es eigentlich geht, möchte Isabel nun also von mir wissen. In den folgenden 10 Fragen:

Was ist der Arbeitstitel Ihres Buchs?
Das Großprojekt.
So heißt es jedenfalls in meinen Dateien und Ordnern. Es hat auch noch einen anderen Arbeitstitel, aber dazu später.

Woher kam die Idee für das Buch?
Ich habe nach einer Idee gesucht, ich habe dann sehr kurzfristig für eine Bewerbung eine gebraucht und mich einen Abend mit Kolleginfreundin A. in eine Kneipe gesetzt und nachgedacht und diskutiert, die Kolleginfreundin ist sehr gut im Ideen für Bücher entwickeln. Am Ende des Abends hatten wir zwei Ideen, von denen ich eine ausformulierte und einreichte. Sie wurde abgelehnt, ein Jahr lang dachte ich dennoch an dieser Idee herum, las und skizzierte, und dann las ich anderes und kam von der Idee ab und über den Roman Kamchatka irgendwie auf mein neues Thema. Und diese neue Idee verfolge ich nun. (Erst ein Jahr über was anderes nachdenken, das mache ich immer so. Keine gute Technik.)

Unter welches Genre fällt Ihr Buch?
Qualifikationsschrift. Oder Fachbuch.

Wie lautet die Einsatzzusammenfassung Ihres Buches?
[Eine was? „Kann ich bitte eine Zusammenfassung des gestrigen Einsatzes bekommen“, fragte der Vorgesetzte den Polizeibeamten. „Natürlich, ich lege den Bericht nachher auf Ihren Schreibtisch.“]
Die eigentlichen (Arbeits-)Titel von solchen Büchern sind ja meist sperrige Einsatzzusammenfassungen. Ein-Satz-Zusammenfassungen. Eine nicht ganz titelfähige, aber immerhin sperrige Zusammenfassung in einem Satz wäre vielleicht: In einigen Romanen aus Europa, Lateinamerika und Afrika, die Ereignisse der Zeitgeschichte thematisieren, wird als Erzählinstanz ein Kind konstruiert – warum eigentlich, wie wird das gestaltet und welche Funktionen hat das?

Welche Schauspieler sollten Ihre Charaktere in einer Filmumsetzung spielen?
Oh, Fachbücher werden ja viel zu selten verfilmt. Für die Rolle der heterodiegetischen Erzählinstanz mit interner Fokalisierung wähle ich Javier Bardem und  für die homodiegetische Erzählinstanz Christoph Waltz. Den Tod des Autors könnte vielleicht Woody Allen überzeugend darstellen, für die Diskussion zwischen (Neo-)Realismus und Experimentellem Schreiben würde ich gerne Anneke Kim Sarnau und Susanne Lothar gewinnen, was natürlich ein Problem ist. Für den historischen Abriss komme ich wohl um Guido Knopp nicht herum. Den Teil lasse ich dann vielleicht doch lieber weg.

Werden Sie Ihr Buch selbst verlegen oder wird es vertreten durch einen Agenten?
Weder noch. Ich würde mir einen Verlag suchen. Und auf eine Finanzierung hoffen.

Wie lange haben Sie gebraucht, um den ersten Entwurf Ihres Manuskripts zu schreiben?
Verbotene Frage! Der Zeitplan hängt am Regal neben dem Schreibtisch und ist jetzt schon Makulatur. (Das Exposé ging sehr schnell, der Rest ist Lebenszeit. Nicht nur meine.)

Welche anderen Bücher würden Sie mit Ihrem Genre vergleichen?
Mein Erstling, die Dissertation. Und all diese Titel, die gerade Politiker um ihre Titel bringen. Hier aber: alles ganz redlich. Natürlich.

Was sonst über Ihr Buch könnte das Interesse des Lesers wecken?
Oh, wissenschaftliche Qualifikationsschriften werden meist ganz von alleine Bestseller. Von meiner Dissertation [2010] sind regulär glaube ich schon zwei Exemplare verkauft worden. Was könnte helfen? Urzeitkrebse vielleicht?

Möchten Sie andere Autoren für das Interview nominieren?
Gerne. Die meisten haben das Stöckchen aber schon; warum sonst wäre ein Autorenstöckchen inzwischen bei mir gelandet. Wie sieht es denn noch mit Mek aus? Wurde da nicht auch mal von einem Buchprojekt gemunkelt? Und Kassandra. Dankeschön.

Heiteres Personenraten

Ein einfaches Rätsel. Sie erkennen gewiss, von welchen Personen der Zeitgeschichte Nuno (noch 3) spricht?

a) „Der Tadana, der spricht englisch, engländisch. Dann ist der ein Engländer. Das weiß ich schon, dass der ein Engländer ist! Und er hat Haare, aber die sind ganz kurz.“

b) „Das ist der Blödkönig von Italien! Der muss doch ins Gefängnis!“

Weihnachten

Da Nuno sich seit Ostern intensiv mit der Kreuzigung beschäftigt, sucht er in jeder Krippe nach dem Kreuz, sucht im Anfang nach dem Ende und sieht das Weihnachtswunder stets durch den Kreuzestod getrübt – „aber kreuzigen, das darf man nicht.“ Die Auferstehung mag ihn nicht trösten, denn er sagt: „Ich glaube, wenn Jesus aufgestanden ist, war er gar nicht richtig tot.“
Der Weihnachtsmann spielt hier praktisch keine Rolle, er hat schon uns als Kindern nicht die Geschenke gebracht, die kamen nicht anonym, sondern von Verwandten, bei denen wir uns auch zu bedanken hatten. Die Entscheidung gegen den Weihnachtsmann fiel nicht bewusst, wir haben nur irgendwie versäumt, ihn einzuführen. Geheimnisvoller Geschenkbringer ist der Nikolaus (oder der Postbote: als kürzlich beim Heimkommen ein Amazon-Paket an der Tür lehnte, war Nuno entzückt: „Der Nikolaus war nochmal da!“) Durch den katholischen Kindergarten sind anstelle des Weihnachtsmannes aber die Fragen der Religion stets präsent, präsenter, als ich das gedacht hätte. Krippen sind das größte, und Nuno strahlt, wenn er das Jesuskind gefunden hat. Wie oben angedeutet, ist er aber ein kritischer Geist; und wenn man selbst in Bethlehem geboren ist, dann ist die Sache mit Weihnachten noch ein bisschen komplizierter als sowieso. So erzählte er glücklich, er habe das Haus gesehen, wo er geboren sei – „da drinnen ist aber Stroh, oder?“ Und fragt er uns, wo wir geboren seien, und wir antworten mit den Namen einer Stadt, hakt er sofort nach: „In einem Stall, oder?“
Und er fragt. Und fragt. Hier ein Auszug, etwa fünf Minuten gestern früh. Es war noch dunkel, die Antworten waren knapp, Sie ergänzen selbst:

„Ist Christus Jesus?
Warum?
Feiert er Weihnachten Geburtstag?
Aber kann man ihm Kuchen machen, wenn er im Himmel ist?
Was ist „aufgestanden“?
Aber jetzt ist er noch im Himmel, ne?
Aber aus dem Himmel kann man gar nicht wiederkommen?
Warum haben sie ihn gekreuzigt? Das darf man nicht.
Hattest Du Jesus im Herz?
Was heißt „Heiland“?
Was macht der heile?
Warum ist Jesus im Stall geboren?
Was ist eine Herberge?
Ist das auch in Italien?
Warum ist Jesus nachts geboren und ich abends?
War ich da ganz klein?
War ich in deinem Bauch?
Und Thore war bei seiner Mama im Bauch?
Und eine Mama, die kein Kind im Bauch hatte, wie heißt die?
Bist du auch im Stall geboren?
Aber warum in der Kliniko?
Und liegt da auch Stroh?
Und was ist im Überraschungsei?
Wo wohnt Dornröschen?
Können wir die besuchen?
Und James Bonds?
Und wie spricht der?
In welcher Nähe ist England?
Mami, du sollst antworten, nicht schreiben.
*
Jesus ist das Licht der Welt. Aber ich auch. Und Omi auch.“

Und Ihr auch. Frohe Weihnachten.

Wenn ich einmal groß bin

„Was willst Du werden?“, wird Nuno (3) gefragt. „Ein Schulkind“, sagt er dann oft, denn ein Schulkind sein ist das größte und gleichzeitig vielleicht irgendwie erreichbar. „Wenn ich ein Schulkind bin“, fängt er viele Sätze an, und wenn er ein Schulkind ist, das ist ganz klar, darf und kann er praktisch alles. „In der Schule“, erklärt er, „in der Schule spielen wir draußen Fußball, und dann gehen wir rein, essen was, schlafen und dann werden wir abgeholt.“ So ungefähr mag es sein in der Schule, jedenfalls gaukeln die Schulhöfe mit fußballspielenden Kindern den neidvoll hinüberschauenden Kindergartenkindern einen solchen Schulalltag vor.
Außer ein Schulkind zu werden hat er aber auch noch andere Berufswünsche, ganz oben rangieren abwechselnd Busfahrer (Linie 6 oder 9, das ist unentschieden, aber er wird mich immer mitnehmen) und Feuerwehrmann. Zum Feuerwehrmann stand er auch dann noch, als ein kleines Mädchen, das Prinzessin will und um deren Freundschaft Nuno heftig buhlt, ihn fragte, ob er ein Prinz – ihr Prinz gar! – werden wolle. Nein, lieber Feuerwehrmann.
Einmal verkündete er, „Singer“ werden zu wollen, aber nur mit zwei Liedern: Eu se tu pego und dem Imperial March, oder wie er sagt: Darth Vader. Dann kam er aber wieder auf den Feuerwehrmann zurück. Vor einigen Tagen nun ein Sinneswandel: „Ich weiß jetzt, was ich werden will“, sagte er. „Wenn ich zehn bin, werde ich Astronaut.“
Astronaut, okay. Aber erst mit zehn, das ist beruhigend.
Er dachte ein wenig nach, blickte sinnend in den Himmel. „Vielleicht“, sagte er dann, „vielleicht werde ich aber auch einfach ein ganz normaler Mensch.“