Guten Morgen, sagt der Vielfrag

Wie sich vielleicht herumgesprochen hat, leben wir mit einem kleinen Vielfrag zusammen, hier war ja die ein odere andere Kostprobe zu lesen. Es geht immer so weiter und weiter; kürzlich wollte er nun beispielsweise wissen, wie eigentlich Berge wachsen, ob alle Berge mal Vulkane waren, wer zuerst ausgestorben sei, Ritter, Dinosaurier oder Römer, und woher die Müllmänner genau wissen, wann das Müllauto voll sei, schließlich sei das wegen der Metallpresse nicht einfach so zu erkennen. Wir haben ihm nun antiquarisch die liebsten Was-ist-Was-Bücher aus unserer Kindheit gekauft (Versunkene Städte! Vulkane! Dinosaurier!), und wenig überraschend werden die Fragen dadurch nicht weniger. Einen vorläufigen Höhepunkt an Komplexität erreichte er mit einer Frage zu den Dinosauriern: „Wie hießen die Dinosaurier denn richtig, bevor ihnen jemand diese Namen gegeben hat, bevor die Menschen da waren?“
Ich denke noch nach.
Und eröffne in der Zwischenzeit eine neue Serie: Jeden Tag eine Frage, und zwar die erste, die uns Nuno morgens stellt. Meist noch vor dem Aufstehen gestellt, und meist sind es die ersten Worte, die ich am Tag höre.

Gefahr

„Mami, guck mal, ich bin ein Indianer und schleich mich hier so an. Ich bin ein Taschenindianer, weil an meinem Stirnschmuck eine Tasche hängt! Wo wohnen Indianer?“
„In Amerika.“
„Oh. Da wo Obama ist?“
„Ja, genau.“
„Obama ist nämlich ein Präsident. Ein Präsident in Amerika. Dann muss der Obama aber aufpassen! Indianer sind doch gefährlich! Sonst kommen die mit ihren Pfeilen und schießen ihn ab!“

Was wirklich zählt

[Fragen]
Manchmal hat das Kind ja eine Frage. Nachdem wir am Wochenende im Tierpark waren, wissen wir nun endlich auch, was Nuno eigentlich für ein Tier ist:

Es ist ein Vielfrag!

[Reden]
Nach dem letzten Beitrag wurde ich verschiedentlich gefragt (Ihr tut es also auch!), ob das Kind eigentlich nur Fragen stellt, oder ob es sonst auch noch zu etwas kommt am Tag. (Das Kind oder wir?) Natürlich stellt es nicht nur Fragen. Wenn Nuno gerade nicht fragt, erzählt er etwas. Wenn er sich die Welt nicht gerade erklären lässt („Mami, was weißt Du über Forellen? Ich möchte, dass Du mir alles darüber erklärst“), erklärt er die Welt selbst, zum Beispiel am Luchs-Freigehege im Tierpark, wo ein Luchs leise fauchend auf und ab strich. „Ich glaube ich weiß, warum der Luchs so röchelt. Wahrscheinlich raucht er, wenn die Menschen nicht da sind.“
Wenn er nichts zu fragen, nichts zu erzählen und nichts zu erklären hat, singt er oder reimt, erfindet neue Reimwörte, singt Reime oder zählt einfach, auf Deutsch oder auf Spanisch oder rückwärts.
Heute hat er sich für den nächsten Urlaub am Meer eine Taucherbrille, „Watscheln“ (also Flossen) und einen Schnorchel gewünscht. „Diesen Schlauch brauche ich auch! Den kann man in den Mund stecken, und damit kann man dann nämlich unter Wasser reden! So einen will ich haben.“
Andere möchten zunächst einmal atmen können, Nuno möchte unter Wasser reden. First things first. Wenn demnächst Fische ohnmächtig an der Wasseroberfläche treiben, wissen Sie bescheid.

Fragen am Morgen

Mami, wie lange habe ich geschlafen?
Wann stehst Du auf?
Warum willst Du noch nicht aufstehen?
Stehen wir jetzt auf?
Was heißen die Zahlen auf dem Wecker?
Ist das 9-3-9?
Eine 6?
Und jetzt, 6-4-Opa?
Was war das für ein Vogel?
Darf ich den Wecker ausmachen?
Wie geht der aus?
Und wie geht der wieder an?
Darf ich auch so einen Joghurt essen?
Was ist das für einer?
Wo ist da die Mango?
Warum ist Dein Joghurt vielleicht nicht mehr gut?
Was passiert dann mit dem Joghurt?
Wie schmeckt der dann?
Was passiert, wenn man den isst?
Kann ich Wasser?
Warum haben wir keine Brötchen mehr für den Kindergarten?
Kann ich wieder so eine Frucht wie gestern mitnehmen?
Wieso haben wir keine Pfirsiche mehr?
Wie macht man Pfirsiche?
Was ist das in dem grünen Strich?
Warum sind die so wie Zitronen?
Wieso kann ich die nicht mitnehmen in den Kindergarten?
Kann ich Andrea anrufen und ihr sagen, dass Erfurt im Radio war?
Warum bringt die jetzt Ju zur Schule?
Wie alt ist Ju?
Oh, das ist größer als Du, oder?
Warum bist Du alt? Für mich bist Du gar nicht alt.
Ist der Lieblingsitaliener größer als Du?
Ein Jahr?
Wollen wir ihn anrufen?
Ist er schon am Flughafen?
Wann ist er da?
Dauert das lange?
Haben Babys im Bauch eine Milchstelle?
Können Wale springen?
Obwohl die doch gar keine Delphine sind?
Was fressen Wale?
Warum fressen die nicht was anderes?
Was ist auf dem Bild da?
Dürfen Kinder das ausmalen?
Mit welcher Farbe soll ich Moritz malen?
Wann hat er Geburtstag, heute?
Wie lange ist das noch?
Warum musst Du dann heute zur Post gehen?
Wer holt mich heute ab?
Warum war meine Käppi in der Tiefkühltruhe?
Was hat der Fuchs hier?
Warum hat der so einen langen Bart?
Ist das am Bauch auch ein Bart?
Haben Füchse Krallen?
Welche Tiere fressen Füchse?
Können Wölfe Füchse fressen?
Wie lang sind Fuchsbauten?
Können Katzen auf Bäume klettern?
Wie machen die das?
Machen die das so, auch mit den Händen?
Was fressen Katzen?
Wie bei Peter und der Wolf?
Aber der kleine Vogel hat das geschafft, warum hat der das geschafft?
Und wann kommt die Ente wieder aus dem Bauch vom Wolf?
Was fressen Eulen?
Und was noch?
Und wie fangen die die Mäuse?
Aber wenn die Mäuse in der Nähe von ihrem Loch sind, dann nicht, oder?
Wo wohnt Obama?
Was macht der da?
Aber wo genau arbeitet der?
Und macht der das für alle Amerikaner?
Und warum?
Und was macht er da?
Was?
Warum macht die Frau Merkel das auch?
Für alle?
Ist Obama in Afrika?
Ist der schon tot?
Magst Du den?
Welche Socken soll ich anziehen?
Kannst Du mir helfen?
Sind die Sandalen so richtig?
Warum wird Parkinson nie wieder gut?
Kannst Du nachher im Kindergarten noch winken?

 

Der kleine Naturforscher (II)

Nach der kleinen Exkursion in die verschachtelte Zoologie (hier) noch ein Ausflug in die Botanik. Auf dem Rückweg vom Kindergarten bemerkten wir lauter neue Blumen, weiße Buschwindröschen und gelbe, hm, wahrscheinlich Huflattich? So kleine gelbe, was blüht denn so früh? Bzw. so gleichzeitig?
„Mami, wie heißen die Blumen an der roten Rutsche im Kindergarten?“ Ich weiß es nicht? „Die sind so klein und gelb, die Blume ist gelb und so dipp dipp dipp.“ Hm, ich weiß nicht. Du kannst sie mir ja morgen mal zeigen. Waren das auch solche wie gerade eben? „Nein. Wir müssen das mal in dem Buch suchen, und wenn ich sie sehe, dann musst Du mir die Buchstaben vorlesen, die da stehen.“ So machen wir es. Und dazu gibt es das erste Eis auf dem Balkon, was jetzt als natürliches Lesezeichen die Seiten „Gelbe Blüten“ verklebt. Nuno blättert und schüttelt den Kopf. Kein Löwenzahn. Keine Butterblume. Nein. Nein. Nein. „Nein, da kein Weiß dabei, nur Gelb, so, dipp dipp dipp, ohne was in der Mitte.“ Auf Seite 374/75 wird er fündig: Es ist Wiesen-Wachtelweizen, da ist er sicher. Wiesen-Wachtelweizen, das hätte ich auch an der roten Rutsche nicht benennen können.IMG_7417

Zur Vertiefung dieser unreflektierten Anekdote empfehle ich zwei sehr durchdachte, lange und lesenswerte Beiträge: das Nuf mit „Das naturdegenerierte Kind“ und Herrn Buddenbohm mit „Frühkindlicher Förderung“.

Update: Nach eingehender Untersuchung der Blüten an den Büschen auf dem Weg befand Nuno heute früh, es könnten doch Forsythien sein. Wir bleiben aber dran und begutachten heute Nachmittag noch einmal die fraglichen gelben Blumen an der Rutsche.

Update II: Wir haben die Umgebung der roten Rutsche inspiziert. Dort steht tatsächlich ein Forsythienstrauch; die  Beschreibung „kleine Blume und nur ganz kleines Grün“ für einen Kindergröße deutliche überschreitenden Strauch ist aber auch erklärbar: Der Strauch war das eine, Nuno wollte aber vor allem eine botanische Bestimmung der sehr kurzstengeligen gelben Blüten zwischen den Grashalmen. Es ist aber keine neue Art, es handelt sich lediglich um einzelne herabgewehte Forsythien-Blüten auf der Wiese. Für die seine Beschreibung „kleine Blume, eine gelbe Blüten ohne was in der Mitte, nur so dipp dipp dipp, ganz kleines Grün“ doch recht zutreffend war.

 

Nahrungskette

Und dann war da noch Nunos Überlegung, was mit dem Frosch passiert, wenn der Storch ihn am Stück schluckt. Und anders kann ein Storch das ja eigentlich nicht, denn er hat ja keine Zähne und kann ihn nur ganz herunterschlucken. Wahrscheinlich quakt er dann im Bauch vom Storch, das Prinzip ist ihm aus Peter und der Wolf bekannt. „Und dann kann er seine lange Zunge aus dem Maul vom Storch rausstrecken, also aus dem Schnabel. So bl blb bl bl, so guckt dann die Zunge vom Frosch aus dem Schnabel. Er hat ja so eine lange Zunge.“ Und was passiert dann, wenn der Frosch aus dem Storchenbauch heraus mit seiner langen Zunge eine Fliege fängt? „Lebt die Fliege dann auch? Dann ist die Fliege im Bauch vom Frosch und der Frosch ist im Bauch vom Storch.“
Wir lassen das Bild ein bisschen sacken. Fliege in Frosch in Storch. Eine klassische Nahrungskette, nur etwas komprimiert. „Oh! So eine Puppe habe ich doch! Die mit dem Baby! Eine Puppe und noch eine Puppe und noch eine Puppe, immer innendrin.“ Der Babuschka-Storch, natürlich. Achten Sie mal drauf, Sie erkennen ihn an der langen Zunge.

Der Sache auf den Grund gehen

Sie haben auch das Gefühl, in dem einen Unterschrank in Ihrer Küche riecht es schlecht? Ich kenne das. Und ich weiß, was man dagegen tun kann, wenn man ein bisschen Mut zusammennimmt. Ich habe Ihnen das mal aufgeschrieben. Gehen Sie der Sache auf den Grund. Sie können das.

1. Öffnen Sie die Schranktür.
2. Stecken Sie den Kopf in den Schrank und atmen Sie durch die Nase ein.
3.Ok. Nun öffnen Sie die zugeknallte Tür wieder, Abhauen gilt nicht.
4. Versuchen Sie sich vorzustellen, was derart stinken kann.
5. Verdrängen Sie Bilder zersetzter Mäuse und madenwimmelnder Kadaver.
6. Überprüfen Sie, was Sie außer Tellern und Platten noch im unteren Schrank haben.
7. Die Schale mit den Ostersüßigkeiten und die Keksdose sehen gut aus. Suchen Sie weiter.
8. Nehmen Sie vorsichtig die Plastiktüte mit den Schokoladeneiern und -hasen heraus.
9. Fassen Sie Mut.
10. Öffnen Sie die Tüte ganz.
11. Kehren Sie von der offenen Balkontür wieder in die Küche zurück.
12. Vermeiden Sie zu atmen.
13. Schauen Sie nochmal in die Tüte.
14. Freuen Sie sich: Es ist kein totes Tier.
15. Stellen Sie fest, dass zwischen den Schokoladeneiern auch ein gekochtes Ei war.
16. Das beim Transport im Zug offenbar zerbrochen ist.
17. Kippen Sie, bevor der Fluchtreflex einsetzt, alles in die Spüle und befördern in der gleichen Bewegung das Ei samt Tüte in den Müll.
18. Versuchen Sie nicht zu kotzen.
19. Knoten Sie die Mülltüte zu und rennen Sie in den Hof zur großen Mülltonne, rein damit, Deckel zu.
20. In angemessener Entfernung atmen Sie wieder ein.
21. Punkt 18 ist unrealistisch. Grämen Sie sich nicht, wenn Sie an der Stelle versagt haben.

Viel Erfolg.