Für alle lütten Leckersnuten

Eine der großen örtlichen Bäckereien lädt in der Adventszeit Kindergartengruppen zur Weihnachtsbäckerei in ihre professionelle Backstube ein. Für den Bäcker ist es eine nicht ganz unaufwendige Werbung, für ungefähr alle Kindergartenkinder der Stadt ein großes Vergnügen. Gestern war Nunos Gruppe dran, die 25 Kinder wurden außer von den Erzieherinnen auch von einzelnen Müttern begleitet, die beim Beaufsichtigen helfen (nicht, dass eines der Kinder irgendwann wie die Hexe im raumgroßen Ofen landet, wo 600 Brote Platz haben). Tatsächlich sind die Kinder aber in so einem Umfeld ausgesprochen diszipliniert, sie standen allesamt stundenlang auf umgedrehten Brotkörben als Fußbänke um den riesigen Arbeitstisch herum und werkelten. Wir begleitenden Mütter hatten gar nicht viel zu tun und haben dann eher mal – im Interesse aller späteren Kekse-Esser – Nasen geputzt, den Kleineren beim Ausstechen geholfen oder volle gegen leere Bleche ausgetauscht. Beim sehr ernsthaften Backen unterstützt wurden die Kinder von drei reizenden Profis, die nach dem Advent mit täglicher Kindergartenbäckerei sicher einen keksfreien Tag oder vielleicht wenigstens einen Orden aus Salzteig verdient haben. (Der Keksteig wird von den Profis erstaunlich dick ausgerollt, das ist aber möglicherweise der besseren Handhabbarkeit durch Kinderhände und der dazugehörigen Frustrationstoleranz geschuldet. Das hatte allerdings letztes Jahr schon erbittere Diskussionen mit zum heimischen Backen eingeladenen Besuchskindern zur Folge, denen mein Teig viel zu dünn war. Wenigstens fingerdick, so die Norm unter Dreijährigen dieser Stadt. Erfolgreiche Kundenprägung, so geht’s!)

Während der ganze Wagen voller Keksbleche im Ofen war, durften wir die Bäckerei besichtigen. Eine Kita-Gruppe wiegt übrigens zusammen – ohne Erzieherinnen – 372,5 kg, und ein Besuch im Kühlraum belebt die zuckrig verklebten Geister schlagartig.
Es ist interessant, wie unterschiedlich diese kleinen Menschen arbeiten. Manche stechen sehr sorgfältig sehr wenige Herzen aus, andere basteln aus den Teigresten neue Figuren, manche haben eine fast industrielle Produktion an Sternschnuppen, während wieder andere zaghaft den Tannenbaum mit nur minimalen Verschiebungen an immer fast die gleiche Stelle ihres Teigstückes drücken und dann nur einzelne Zweigspitzen aufs Blech befördern können.

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Noch unterschiedlicher sind sie beim Verzieren, von sorgfältig als Augen ausgewählten Rosinen über exakt gebaute Zäune aus aufrecht stehenden Mandelsplittern bis zu veritablen Erdrutschen aus Hagelzucker („kannst du mir auch mal das Salz geben?“) war alles dabei. Unter der Deko auf dem letzten Bild waren jedenfalls vorher irgendwo Kekse.

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Wir hatten zuvor schon das ganze Wochenende zu Hause Kekse gebacken, und zwar in rauhen Mengen. (Bereits nach vier Stunden Ausstecherle fragt man sich ja, warum man je geduscht hat… Außerdem habe ich nun in der Küche wieder das gleiche Platzproblem wie jeden Dezember.) Von daher ist es nicht verwunderlich, dass das Thema Nuno bis in den Schlaf verfolgt. Heute Nacht rief er mich mehrmals, und als ich ihn schließlich fragte, was er denn eigentlich wolle, murmelte er, ohne ganz aufzuwachen: „Ich will das Herz…“ Meines hat er ja, also meinte er wohl das Ausstecherle. Tagsüber hat er dann in den Backpausen noch Rezepte notiert. Falls Sie also noch etwas backen möchten, hier ein Rezeptvorschlag vom Sohn. Er hat es zwar nur für einen Bäcker namens THOMAS verfasst, aber Sie dürfen sich sicher inspirieren lassen. Gutes Gelingen.

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Maßlos

Ach, die maßlose Jugend. Immer alles haben wollen. Nicht? Nicht.
Natürlich möchte Nuno spontan oft etwas haben. Das „Espiderman-Zelt“ im Supermarkt, warum wir das nicht kaufen? Dass er schon ein Indianerzelt hat, egal, das ist ja ganz anders als eins mit Espiderman, und Espiderman nimmt auch weniger Platz weg! Meist ist er mit meinem „Nein“ dann aber recht schnell auch zufrieden.
Seine Süßigkeiten, vor allem die kleinen „Sankt Martins“, die es bei fast allen Kindergeburtstagen gibt, verwendet er v.a. in seiner Kinderküche zum Kochen, seine Adventskalenderinhalte werden so alt wie unsere und liegen noch jetzt im November einträchtig neben den Osterhasen im Küchenschrank. Nur TicTacs wünscht er sich öfter, isst die sogar, bietet aber auch allen davon an – immer genau eines. Seine Jackentaschen klappern darum ebenso wie die seiner Omi, beide haben in ihren Taschen stets eine Schachtel TicTac neben Eicheln und Kastanien. Außerdem ist Nuno vielleicht der einzige kleine Junge, der sich ehrlich über Anziehsachen freut. Für ihn ist das „weiche Paket“ nicht die Enttäuschung am Gabentisch, er ist sehr modebewusst und freut sich tatsächlich über ein neues Hemd, ein Shirt, sogar über neue Socken und Unterwäsche freut er sich und wählt morgens gezielt aus – „ich möchte aber gerne die schicke Unterhose mit dem Knopf anziehen, und diese Socken passen da nicht zu.“
Aber wir möchten diese Vorlieben nicht ausnutzen und dem Kind zu Weihnachten einfach seine Winter-Ausstattung schenken. Neue lange Unterwäsche! Und handgestrickte Pulswärmer! Nein, wir sind ja gar nicht so. Was wünscht er sich also? Hat er Wünsche? Er hat. Und zwar gleich zwei dieses Jahr, mit denen er nach und nach rausrückte. Er wünscht sich, erstens, eine kleine Klapp-Haarbürste für seinen Schwimmkurs. Und zweitens wünscht er sich einen Stoff-Löwen. Den wünsche er sich schon lange, haben wir jetzt erfahren, und wir hatten keine Ahnung, denn er spielt überhaupt erst seit kurzem mit Stofftieren und legt erst seit wenigen Wochen Wert auf seinen kleinen Zoo im Bett zum Schlafen (der ehemals weiße Klapperhase Schmuddel, und die namenlosen Tiere Affe, Pinguin und den Brunobär). Den Löwen aber wünscht er sich schon seit anderthalb Jahren – hat es aber nicht verraten. Aus Bescheidenheit? Vielleicht. Aber vor allem, weil die Regeln so sind. Vor anderthalb Jahren lagen wir im August auf Ischia auf der Terrasse und schauten in den nächtlichen Himmel. Perseiden-Nächte über dem Mittelmeer, und bei jeder Sternschnuppe durfte man sich etwas wünschen. Nuno sah zwei, der eine Wunsch hat sich bereits erfüllt – ein Hubschrauber, das ergab sich so –  und den anderen hat er nun seit dem Sommer 2012 für sich behalten, denn Sternschnuppenwünsche darf man ja nicht verraten. Und so wartet er nun seit zwei Sommern und zwei Herbsten auf einen Stoff-Löwen als Sternengabe. Nun hat er sich durchgerungen, den Wunsch zu verraten und hegt weihnachtliche Hoffnungen. Auch wenn das eigentlich gegen die Regeln ist und sich der Wunsch nun vielleicht erst recht nie erfüllen wird… Eine kleine Klappbürste und ein Kuschellöwe. Wir gucken mal, was sich machen lässt.

Hieronymustag

Heute, am 30. September, ist der Gedenktag des Heiligen Hieronymus. Alle, die zufällig Hieronymus heißen, können also heute Namenstag feiern (herzlichen Glückwunsch dazu), vor allem aber begehen die Übersetzer diesen Tag als den ihren, denn Hieronymus ist Schutzpatron der Übersetzer.
Isabel hat sich bereits zu diesjährigen Veranstaltungen aus diesem Anlass geäußert. Ich nutze die Gelegenheit auch, um auf eine Veranstaltung in drei Wochen hinzuweisen: Am 25. Oktober liest und spricht die Spanisch-Übersetzerin Susanne Lange im Literarischen Zentrum Göttingen in der schönen und jetzt schon verdienstvollen Reihe „neu_übersetzt“. Es geht um ihre monumentale Neuübersetzung des ebenso monumentalen Don Quijote, und ich darf den Abend moderieren. Diese Übersetzung wurde ausnahmsweise von den Medien ziemlich aufmerksam wahrgenommen, und außer bei der Ansicht des Originals oder Lektüre der Übersetzung der zwei Bände selbst kann man auch beim Anhang und den Kommentaren ab und zu ehrfürchtig verstummen. Mit Verstummen wird man Literatur und Literaturübersetzung natürlich nun nicht gerecht, und für ein abendfüllendes Gespräch mit einer Übersetzerin ist Verstummen schon gar der völlig falsche Ansatz. Darum fange ich gleich heute, am Hieronymustag, mit den Fragen an. Und ich frage erst einmal Sie und Euch: Was würde Euch denn interessieren an so einem Abend? Welche Fragen zum Quijote, zu Susanne Langes Großprojekt oder zum Übersetzen ganz allgemein würden Sie denn interessieren?
(Keine Sorge, ich bereite mich dann schon ordentlich vor und mache mir sowieso auch meine eigenen Gedanken – aber: „El andar en tierras y comunicar con diversas gentes, hace a los hombres discretos.“ Und ein bisschen klüger, und den Abend vielleicht noch interessanter.)

 

 

40 años

Wie jedes Jahr erinnere ich auch heute wieder mit dem gleichen Lied an den anderen 11. September, den chilenischen von 1973.

Yo pisaré las calles nuevamente…

Gestern haben sich in Santiago zwischen der Moneda und Plaza Italia die Menschen auf den Boden gelegten las grandes Alamedas por donde pasa el hombre libre, para construir una sociedad mejor -, um an die Verschwundenen der Diktatur zu erinnern. Me detendré a llorar por los ausentes.

Ich wollt, ich wär…

… unter dem Meer, im Garten einer Krake möcht‘ ich sein!
Das haben wir im Kindergarten gesungen, eigentlich haben es die Kinder der Gelben Gruppe gesungen und uns anderen aus der Blauen oder Roten Gruppe den Mund verboten, sobald wir die ersten Takte anstimmten: Wegen des gelben U-Bootes gehörte dieses Lied ausschließlich den Kindern der Gelben Gruppe. Klar. „Unter dem Meer“ oder „Unter Wasser“ ist auch das Thema des diesjährigen Kita-Faschings bei Nuno im Kindergarten. Nuno ist in der Grünen Gruppe, aber da die Gelbe Gruppe in seiner Einrichtung die Krippen-Gruppe ist, hoffe ich, er kommt um die Revierkämpfe beim gelben U-Boot herum. Zu Hause trällert er themenbezogen jedoch vor allem „In einen Harung jung und schlank,/ zwo, drei, vier, sit-ta-taa, tirallala…“. Unter Wasser. Sie lesen den Kleinen Wassermann, sie singen Herings- und andere Wasserlieder, sie bereiten das alles prima vor. Und Donnerstag dürfen sie sich verkleiden. Wahrscheinlich hängt es mit seinem Geburtstag in der Faschingszeit zusammen, dass Nuno bereits mit gerade so – nämlich seit gestern – vier Jahren mehr Kostüme hat als ich je hatte. Er könnte als zwei verschiedene Ritter gehen, als Musketier und als Indianer, er kann Bauarbeiter sein oder Prinzessin, und Marienkäfer war er auch schon. Unter-Wasser-Ritter sind allerdings eine seltene Spezies, und Nunos Vorstellungen von seinem diesjährigen Faschingskostüm standen auch vom ersten Tag der Thema-Einführung fest: Er wollte Krake sein. Krake, klar. Kraken gibt es in den Kostümabteilungen der örtlichen Kaufhäuser natürlich nicht. Aber eine Krake ist für eine in Handarbeitsdingen total desinteressierte Mami selbstverständlich kein Thema. Du willst eine Krake sein? Du wirst eine Krake sein, Schatz.
(Um kurz zu erläutern, wie ich nähe: Der Marienkäfer trug eine rote Strumpfhose, ein rotes Shirt und ein symbolisches Punktetuch um den Hals geknotet. Den Punktestoff hatte ich aus dem Stoffladen, ich habe ihn zu einem ungefähren Quadrat geschnitten und den ausfransenden Rand mit Gardinenband meiner IKEA-Gardinen umgebügelt.)
„Das Internet“ spülte mir dann aber ein paar wunderbare Kraken-Kostüme an Bord (#1, #2), und Nuno und ich waren gleichermaßen angetan von der Kapuzenkrake. Die sollte es werden.
Aus einer blauen Kapuzenjacke (Kapuzenpullover gab es leider nicht einfarbig und ohne größere Motiv-Aufdrucke) in Schulkindgröße, einer halbierten Styroporkugel, Wackelaugen, silberweißer 3D-Stoffmalfarbe und Watte als Armfüllung habe ich nun also mit Nähunterstützung meiner Mutter (merci!) eine Krake genäht.

Und so sieht sie aus.

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IMG_6753Wir hatten noch darüber diskutiert, ob eine Krake sieben oder acht Arme oder Beine hat. Nuno schlägt immer wieder „sieben“ vor, und darum muss er gelegentlich nachzählen.

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Und wie viele Saugnäpfe?

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Egal. Passt schon! Und weggeschwommen, in einer blauen Tintenwolke.

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