Mir wurde gerade ein Link zu einer Sammlung unübersetzbarer Wörter diverser Sprachen zugeschickt. (Ich glaube übrigens, zumindest Teile davon kürzlich woanders gesehen zu haben – im SZ-Magazin vielleicht? In der ZEIT?) Die Liste enthält unter anderem aus dem Deutschen Waldeinsamkeit (da gibt es doch bessere Beispiele, gibt es nicht?), aus dem Spanischen sobremesa und aus dem Italienischen culaccino, was das Beispiel ist, das ich schon woanders mit gleicher Illustration gesehen zu haben meine. (Unübersetzbarkeit – was geht mit solchen Verbketten?) Ich habe nun aus dem Stegreif auch keine Übersetzung in einem Wort (das ist wohl gemeint) für einen Begriff wie culaccino, wollte aber trotzdem eigentlich schon im ersten Satz „Sammlung vermeintlich unübersetzbarer Wörter“ schreiben. Denn so hübsch solche Listen sind, so viel die gelisteten Wörter auch über die Mentalität und die Prioritäten der zu den jeweiligen Sprachen gehörigen Kulturen zu verraten scheinen, wäre doch zu fragen, inwiefern sie tatsächlich „unübersetzbar“ sind.
Bei einem der großartigen Wolfenbütteler Übersetzer-Workshops für Lyrik(er), an denen ich teilnehmen durfte, ging es – natürlich, wie immer bei Lyrik-Übersetzung – am Rande einmal um die Frage, ob Lyrik überhaupt übersetzbar sei. Diese Frage wird gerne auch als Vorwurf formuliert, wenn man sich an Gedichtübersetzungen versucht. Ob das überhaupt gehen könne, und ob man nicht wenigstens ein echter Dichter sein müsse für sowas. Und mithin das ganze Unterfangen pure Anmaßung. Nun, Dichter, auch einer der Berufe, für die man seine Eignung nicht in einer staatlichen Prüfung mit Zertifikat nachweist. Aber ich schweife ab. Was jedenfalls einer der beteiligten Lyriker und Übersetzer zu dieser Überlegung sagte, war: „Ein Gedicht ist so lange unübersetzbar, bis es jemand übersetzt.“
Was für ein wunderbarer Satz.
Der Link wurde mir übrigens wegen Punkt 5 auf der Liste zugeschickt:
„Russian: Pochemuchka
Someone who asks a lot of questions. In fact, probably too many questions. We all know a few of these.“
Pochemuchka ist allerdings sehr hübsch. Als meine lieben Leser wissen Sie natürlich bereits, dass so ein Wort gewiss auf jede Liste gehört, die etwas auf sich hält; Sie wissen aber auch, dass das mit der Unübersetzbarkeit allerdings so eine Sache ist. Liebe Russisch-Übersetzer, liebe Listen-Ersteller: Ohne von Ihrem Problem zu wissen oder mehr als 20 Wörter Russisch zu können, habe ich die fragliche Vokabel schon mal für Sie übersetzt und zumindest hier im Blog als festen Begriff auf Deutsch etabliert. (Gut, jetzt kommt der Einwand mit der kritischen Masse, um von „etabliert“ reden zu können, aber hier ist er. Pochemuchka.)
Ein Wort ist so lange unübersetzbar, bis es jemand übersetzt. Nehmen Sie pochemuchka also von Ihrer Unübersetzbarkeitsliste und schreiben Sie stattdessen den Vielfrag in Ihr Vokabelheft. Und denken Sie dabei an meinen kleinen Jungen.