Gründlich

Manche Studentinnen (wie ich nach der Handschrift vermute) arbeiten wirklich außerordentlich gründlich. Ich dagegen nahm das Buch nur zum Quergucken in die Hand, um an den Bleistift-Intertexten hängenzubleiben.
Dass – in einem Bibliotheksbuch, grmpf- ein guter Teil der Wörter als Vokabeln verstanden und an den Rand oder über die Zeile geschrieben wird, kennt man.
Fett in Klammern stehendes ist jeweils als Bleistiftkommentar zu denken:

Así, un ángel se encarga [übernehmen] de trasladar [Umsetzung] al monje [Mönch] Barlaán a su lado para que transforme su congoja [Schmerz] de haber nacido para la muerte en desdeo ardiente [brennend] de vida eterna [ewig], mediante la instrucción cristiana y el bautismo [Taufe].

239 Seiten, ein langer Weg.

Wirklich beeindruckend aber der Fleiß, der schon im Inhaltsverzeichnis ansetzt:

Capítulo I: Las Fuentes [Quelle, Schlüssel] ... 17
Capítulo II: Interpretación moral …………. 35
Resumen …………………………………… 44 [10 Seiten]
Capítulo III: Interpretación política ……….. 45
Resumen …………………………………… 57 [14 Seiten]
Capítulo IV: Interpretación filosófica ……… 59

Und so weiter.
Schön, dass das mal quantitativ ausgewertet wurde.

Zunächst den Bewohnern Pommerns hochachtungsvoll gewidmet

Das Buch meiner Ururururgroßtante Wilhelmine (nachgezählt, 4 Urs, ihr Bruder war mein Ururururgroßvater), der historische Roman Die Belagerung von Stralsund, weist eine Fülle von Paratexten auf. Gewidmet ist er („zunächst“ und „hochachtungsvoll“) den Bewohnern Pommerns, und auf dem Titel sind zur thematischen Situierung einige Verse aus Wallensteins Lager von Schiller zitiert:

 

So ein Bramarbas und Eisenfresser,
Will einnehmen alle festen Schlösser,
Rühmte sich mit seinem gottlosen Mund:
Er müsste haben die Stadt Stralsund,
Und wär‘ sie mit Ketten an den Himmel geschlossen.

Zwischen dem im Weblog bereits zitierten Vorwort und dem ersten Kapitel ist ein weiteres Gedicht über Stralsund eingefügt, dieses wohl von der Verfasserin selbst. Der Ton ist ein anderer als im Wallenstein-Auszug, und in dieser Differenz deutet sich wohl die Spannung zwischen der „Romantik“, den „süßen anziehende[n] Verhältnisse[n]“ und den „Kriegsscenen, Intrigue, Witz, Abenteuer […]“, wie sie die „Damenwelt“ einerseits und der „Cavalier, der Militair, der Civilist dieses oder jenes Standes“ andererseits fordern [Vorwort, VI]. Gemeinsam ist beiden Texten die Verbindung zwischen der Stadt Stralsund und dem Himmel.
Hier das Gedicht auf Stralsund von Wilhelmine von Sydow, genannt Isidore Grönau, 1861. Der „W“ zu Beginn ist im Original mit einer haarfeinen Efeuranke umzeichnet:

Wer im Volk wüßt‘ nicht zu sagen,
Wo das alte Stralsund liegt?
Seine stolzen Thürme ragen,
Wo der kühle Belt sich wiegt;

Wo die schöne Jungfrau Rügen
Sich zum starken Pommern sehnt;
Sich an seine Brust zu schmiegen
Ihre weißen Arme dehnt.

Wo das Meer, das dunkelblaue,
Drum so ruhig fließt vorbei,
Daß sich S t r a l s u n d d’rin beschaue
Und erkenn‘ wie schön es sei.

S t r a l s u n d ‚ s Thürme sind Gedanken,
Einfach, aber hoch und kühn;
Wie Gebet hinauf sie ranken
Und das Herz zum Himmel ziehn.

Die Damenwelt fordert Romantik

Meine Ururur…großtante Wilhelmine (den genauen Verwandtschaftsgrad muss ich mal im Stammbaum nachzählen) war Schriftstellerin und hat außer hinreißenden Büchern über den „modernen Theetisch“ beispielsweise auch Theaterstücke zur moralischen Erziehung der Jugend verfasst, und einen historischen Roman, den ich nun, 147 Jahre später, in einem Antiquariat gefunden und gekauft habe. Der Besitz treibt mich in Gewissenskonflikte, denn ich brenne zwar darauf, ihn genauer zu betrachten – dies ist aber nur möglich, wenn ich ihn beschädige. Dieses Buch lag oder stand anderthalb Jahrhunderte ungelesen in irgendeinem Regal, in einer Kiste, in einem Bücherschrank, seine Seiten sind noch nicht aufgeschnitten. Besonders gut erhalten ist es zwar nicht, der überstehende Rand der Bögen ist geknittert und eingerissen, aber trotzdem scheue ich mich, das Messer anzusetzen. 210 Seiten Roman, ein Vorwort, nach dem auf dem Titel gedruckten Zitat aus Schillers „Wallensteins Lager“ auch ein selbstverfasstes Gedicht auf Stralsund vorweg. Und, ich bin entzückt, im Anhang Werbung: Ein „Verzeichniß neuer gediegener Unterhaltungsschriften, nebst Kritiken, welche im Verlage von A. Vogel und Comp. in Berlin erschienen, durch jede Buchhandlung zu beziehen und in jeder guten Leihbibliothek vorräthig sind“. „In demselben Verlage sind ferner erschienen“ Werke wie „Ein neuer Wahlmodus für Preußen von Baron von Schimmelmann. Rittmeister a.D., Preis 5 Sgr.“ oder „Kaiser Friederich II. Dramatie in fünf Aufzügen“ zum Preis von „1 Thlr.“
Meine historische Tante hat also einen Roman geschrieben, einen historischen, „Die Belagerung von Stralsund. Ein geschichtliches Erinnerungsbild, zunächst den Bewohnern Pommerns hochachtungsvoll gewidmet von der Verfasserin.“
Den einen Bogen des Vorwortes habe ich nun doch vorsichtig aufgeschnitten und freue mich sehr über diese einführenden Worte.
Voilà. Einleitende Gedanken zur Gattungsfrage des Historischen Romans, veröffentlicht 1861 von Wilhelmine von Sydow, aus Fraktur in ein Weblog übertragen von Percanta.


Vorwort

Während es für den Autor stets eine schwierige Aufgabe bleibt, der Lesewelt einen neuen Unterhaltungsstoff: „R o m a n“ genannt, zu bieten, dem bei der Verschiedenheit der Mode, der herschenden Geschmacksrichtungen, der Urtheilsfähigkeit der Leser, ja selbst der Frage: „lebt der Verfasser an irgend einem dunklen Orte in stiller Abgeschiedenheit? oder am großen Markte der Literatur, beschirmt von ihren ersten Leitern und Wortführern?“ meist ein zweifelhafter, nur selten glänzender Erfolg zu Theil wird, – so ist es der „h i s t o r i s c h e R o m a n,“ der seinem Schöpfer, sobald er ihn in’s Auge faßt, auf lockendem Grunde eine doppelte Klippenwand zeigt, die glücklich zu überschiffen, sein Pensum wird. Der Kenner fordert strenge unverfälschte Wahrheit, nicht darnach fragend, ob die bestaubten Chroniken, aus denen der Verfasser seinen Stoff zieht, in ihrer schwerfälligen, dabei aphoristischen Kürze, die ihm nur Namen und Daten und lose durch einander gewürfelte Ereignisse bietet, hinreichenden Charakter und Zusammenhang findet, um seinem Bilde Leben und Abwechslung zu verleihen.
Die Damenwelt fordert Romantik, süße anziehende Verhältnisse, leicht und blühend geschürzt, spannend verwickelt und glänzend gelöst, ohne daß die Chronik für alle diese Elemente ihm ein Körnchen bietet.
Der Cavalier, der Militair, der Civilist dieses oder jenes Standes, wenn er ja ein Buch zur Hand nimmt, fordert Kriegsscenen, Intrigue, Witz, Abendteuer, Welt=, Hof= und Genrebilder, Roués, Loretten, politisches und industrielles Leben, Alles in den heißesten Farben gehalten, und dem Feinschmecker von Leser so Appetit=reizend aufgetischt, daß die früh abgestumpften Geschmacksnerven gleich bei dem ersten Bissen alle Delicen der Welt heraus fühlen müssen, soll er das Buch genießbar und des Weiterlesens würdig finden; während die Chronik von dem Allen schweigt – und es dem Verfasser überläßt, mit der Sonde seiner Gedanken in ihre Tiefen zu fahren und aus dürren Einzelnheiten seine Gestaltungen zu errathen und zu formen, diese Einzelnheiten gegen einander zu halten, zu verschmelzen, die Aufmerksamkeit der Seele auf die hie und da durchblitzenden Geistesfunken zu lenken, die Zeit der Handlung zu beachten, und aus dem Allen endlich seien Charaktere zu erkennen, sie festzuhalten, und die Hinzuziehung der äußeren Hülfsmittel: „S t a f f a g e“ genannt, ein Lebensbild herzustellen, das ihm selbst klar und lieb wird, indeß es die Leser jeder Gattung nach Möglichkeit befriedigt.
„Die Belagerung von Stralsund“ schien mir einer solchen Bearbeitung würdig. Der Heldenmuth seiner Bürger, ihr einzig dastehender Triumph: die kriegerischen Pläne eines Wallenstein durchkreuzt zu haben, einen Lambert Steinwig und andere edle Patrioten an der Spitze; Wallensteins eigenes Auftreten; das leuchtende Heranschreiten Gustav Adolphs und anderer Heroen des dreißigjährigen Krieges; mancher lohnende Einblick in die pommersche Geschichte, die wir für die unterthaltende Darstellung noch wenig ausgebeutet finden; die Hofhaltung des vierzehnten Bogislaw, jenes letzten Herzogs von Pommern, mit welchem der Stamm seiner Selbstherrscher erlosch; die Rückblicke in die frühere Zeit und Herrlichkeit dieser Herrscher, welche ich zunächst in die Erinnerungen der Herzoglichen Witwe Sophie Hedwig von Braunschweig legte; ich hoffe, sie werden den Lesern willkommen sein, indem sie ihren Bücherschränken zugleich ein Stück reine unverfälschte vaterländische Geschichte bieten, umkränzt mit allerlei duftendem Rosen=, Myrthen= und Cypressengeflecht, das ich nur theilweise zur Staffage rechnen darf, da ich blos ein paar einzelne, die Geschichte nicht um ein Haar verletzende Phantasie=Gebilde in meine Darstellung webte, und nebst ausgezeichneten historischen Quellen, die mir durch fremde Güte wie durch eigene Anschauung zuflossen, selbst so glücklich war, einige pommersche und rügensche Familien=Chroniken zu erhalten, welche mir über die Barnekow’sche, von Gagern’sche und andere Familien alles Licht gaben, was ich für meine Darstellung brauchte. Wer an dem Steingischen Hause zu Stralsund Interesse genug nahm, um es bis an sein leider zu früh eingetretenes Erlöschen zu verfolgen, findet das Nähere auf dem Grabsteine des edlen Consuls in der St. Nicolaikirche zu Stralsund verzeichnet. Möge mein Erstreben erfüllet werden ….. mein Buch eine freundliche Würdigung finden!
Erfurt, im Februar 1861.

Die Verfasserin.

Alles Gute zum Geburtstag

Wachtel Weltmacht?

Schaut Euch nur die Wachtel an!
Trippelt aus dem dunklen Tann;
tut grad so, als sei sie wer.
Wachtel Wachtel täuscht sich sehr.

Wär sie hunderttausend Russen,
hätt den Vatikan zerschussen
und vom Papst befreit ja dann:
Wachtel Wachtel Dschingis Khan!

Doch die Wachtel ist nur friedlich,
rundlich und unendlich niedlich;
sie erweckt nur Sympathie.
Weltmacht Wachtel wird sie nie!

F.W. Bernstein wird heute 70, und er tut nicht so, er ist wer: ein Großer.

[F.W. Bernstein, Bilder und mehr.]

[Und eine Extraportion Stolz und Bewunderung gehen an Neiki. Er weiß schon wieso.]

Cross-Over

Percanto zeigt mir einen Artikel über Schlafstörungen bei Paaren, den er aus der Zeitung ausgeschnitten hat, fragt mich, ob wir wegen meiner akustischen Überempfindlichkeit etwa auch in getrennten Betten schlafen müssen – und stutzt, als sein Blick auf das abgebildete Cover von „Ein Bett für zwei“ fällt.
Oh. Ob das etwa ein Nazi-Buch sei?
Liebe Leute vom Herbig-Verlag, was haben Sie sich bitte bei diesem Foto gedacht?

Nicht eigentlich


Das nennt man nicht eigentlich schlafen,

wenn man stundenlang wach ist.
Das nennt man nicht eigentlich Tiefe,
wenn das Gedachte nur flach ist.
Das nennt man nicht eigentlich Händel,
wenn die Kantate von Bach ist.
Das nennt man nicht eigentlich jauchzen,

wenn das letzte Wort „Ach“ ist.

Das nennt man nicht eigentlich feiern,
wenn das Geburtstagskind fort ist.

Heute wäre er 70 geworden.
Robert Gernhardt, *13. Dezember 1937,
† 30. Juni 2006.

[Aus „Später Spagat“. RG auch bei Isa]

Wein

So richtig ist der Funken nicht übergesprungen bei der Lesung von Antje Rávic Strubel. Große Heiterkeit auf beiden Seiten löste allerdings die Anmoderation aus. Die niedliche, lockige Germanistikstudentin stellte Rávic Strubel dem Publikum vor, berichtete von Leben, Büchern und Erfolgen und kam schließlich zu den Preisen: „… außerdem bekam sie 111 Flaschen Wein“, stutzte, guckte ins Publikum, zuckte mit den Schultern: „Was auch immer man damit macht.“
(Publikum und Autorin halfen mit Vorschlägen aus.)

Geburtstagsgeschenk


„Hey“, sagte mein Freund Th., „Du bist manchmal ganz schön selbstbewusst.“
Ich bin da nicht so sicher, aber das, was Günter Grass hier in der Hand hält, mit gelber Schleife umwickelt, ist mein Buch.


(Wer die Dame ist, weiß ich nicht; ich bin’s nicht.)
Ich habe es ihm am Samstag bei seiner Geburtstagsfeier in unserer Stadt geschenkt, und hier liegt es tatsächlich mitten auf seinem Geburtstagstisch, neben der rot-weißen Blechtrommel:


[beide Fotos Tageblatt]

Allerdings habe ich es ihm nur in die Hand gedrückt, etwas von „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag … bin Übersetzerin … Buch schenken… schöne Illustrationen“ stotternd.
Was ich – bewusst – nicht getan habe: Mir – wie die Dame auf dem Foto – die Blechtrommel signieren lassen. Ein Geschenk zu machen erschien mir viel schöner, und das finde ich immer noch.
Was ich ebenfalls nicht getan habe, wonach mich aber jetzt natürlich alle fragen: Etwas in das geschenkte Buch schreiben, oder eine Karte dazulegen. Weil mein Sternzeichen „Pessimist“ ist, und ich hätte nie gedacht, dass ich bei einer Veranstaltung mit 2.500 Leuten einfach am Ende
ohne Dängeln und Schlangestehen zur Hauptperson gehen kann. Da aber mein Aszendent „Man weiß ja nie“ ist, habe ich drei Minuten vor Aufbruch zu Hause doch noch eine Schleife um das Buch gewunden und es eingepackt – für Karten war da keine Zeit, und zur Frage „eine einpacken? Im Saal beschreiben?“ sagte der Pessimist in mir: „Quatsch. Wozu. Du wirst das Buch eh nachher wieder nach Hause tragen.“ Und der Realist: „Um Herrn Nobelpreis eine Karte zu schreiben, brauchst Du sowieso länger als einen Abend.“ Womit er vermutlich recht hatte.
Ist auch ganz egal: Ich habe Günter Grass meine Übersetzung geschenkt, ich habe ein Foto von ihm mit dem Buch in der Hand, und jetzt liegt dieses Buch vermutlich irgendwo bei ihm zu Hause. Das bereitet mir auch heute noch eine kleine glucksende Freude.

Der Autor dieses Lyrikbandes selbst hat es übrigens ähnlich gemacht, als er hier in Deutschland war. Sein erster Weg führte zu Lichtenberg, und er wollte unbedingt ein Foto von ihm, Lichtenberg, mit seinem, meinem, unserem Buch in der Hand:



[Foto: Percanto]

Hat irgendwie Ähnlichkeit mit Amélies Gartenzwerg, unser Buch.

Bücherstöckchen

Ein Stöckchen von Isa, Dankeschön!

Liest Du gerne?
Ja. Ich bin ganz freiwillig Literaturwissenschaftlerin geworden und auch nicht aus Mangel an Alternativen.
Und ich übersetze Literatur auch nicht primär darum, weil man damit so furchtbar reich wird.
Also: Ja!

[Ich wollte hier einen Exkurs zur oft gestellten Frage schreiben, ob man nicht durch ein Literaturstudium, durch Literaturanalysen und Textkenntnis die Freude am Lesen und an Literatur verliert. Es wurde aber gerade zu wirr und zu ausufernd, darum kurze Antwort: Nein! Lange Antwort: Später.]

Wenn ja, welches Genre?
Romane, Lyrik, extrem kurze Prosa.
Zeitungen (bis zum Abo-Ende noch SZ und Spiegel, bis letzte Woche auch FAS).
Blogs (siehe rechts).
Comics (zuletzt gekauft: Toda Mafalda (Gesamtausgabe). Jetzt schon zu Weihnachten gewünscht: Calvin & Hobbes Gesamtausgabe im Schuber).

Ich lese auch Sachbücher, manche gerne, manche nicht so. Viele dieser Sachbücher handeln allerdings wieder von Literatur. Aktuell liegt aufgeschlagen neben mir: Ibáñez Langlois: Para leer a Parra (Seite 101, und das seit Stunden.)
Ich lese fast nie (mehr) Theaterstücke (zuletzt Ionescu: Die kahle Sängerin, zu empfehlen).
Nicht so sehr mein Fall sind Erzählungen mittlerer Länge (also von Kurzgeschichte bis Novelle); für mich bitte entweder richtig verdichtet (halbe Seite?) oder richtig ausführlich. Dennoch liegen neben dem Sachbuch gleich fünf Bände mit argentinischen Erzählungen, aus denen ich noch ein gutes halbes Dutzend Texte auswählen und dann im Winter behandeln (lassen) muss.
Ich lese eigentlich nie Bedienungsanleitungen. Und ebenso selten und fast ebenso ungern Fantasy.

Dein letztes Buch hieß wie?
Ich lese parallel. Auf Deutsch zuletzt zu Ende gelesenes ganzes Buch: Anna Funder: Stasiland, was ich zusammen mit Ossip Mandelstam: Gedichte (in Übersetzung von Paul Celan) geschenkt bekommen habe. Zuletzt „mal wieder“ gelesen: gestern Abend Borcherts Kurzgeschichte „Nachts schlafen die Ratten doch“ für Percantos Hausaufgabe. Zuletzt „angeschafft“ im weiteren Sinne, nämlich per Fernleihe bestellt und gerade erhalten: Juan Luis Martínez: La nueva novela.
Und diese Stapel links von mir sind alle in Arbeit. Bei den Büchern auf dem Nachttisch habe ich den Faden verloren.

Würdest Du es weiterempfehlen?
Stasiland habe ich schon weiterempfohlen.
La nueva novela.Tja… Wem? Ich finde es spannend, allerdings nicht wegen der Geschichte – ich bin noch nicht sicher, ob es überhaupt eine hat. Der Titel „Der neue Roman“ ist Programm, es handelt sich um ein formales und inhaltliches Experiment, Auflösung der Genregrenzen zwischen Lyrik und Prosa, aber auch zwischen Literatur und Kunst oder zwischen Autor und Leser. Der Leser bekommt zum Beispiel auf einer Seite eine ganze Reihe Arbeitsaufabgen – ein Verb erfinden, das eine sehr komplexe Situation (die auf vielen Zeilen beschrieben wird) bezeichnet; ein Wort so oft nacheinander aussprechen, bis es abhebt und frei im Raum schwebt etc.

Auf einer Seite, auf der es um Fische geht, sind zwei Angelhaken eingeklebt.
Obwohl es ein spanischsprachiges Buch ist, enthält es auch ein deutsches Morgenstern-Gedicht. Solche Dinge.
Wäre es meines, würde ich es sicher anderen Leuten zeigen und zum Staunen einladen, mir fallen aber gerade wenige Leser ein, denen ich es als Urlaubs- oder Schreibtischlektüre ans Herz legen würde.

Warum hast Du Dir genau dieses Buch zugelegt?
Auf der Suche nach etwas ganz anderem habe ich ein Zitat aus diesem Buch gefunden, das ich mochte: „Los pájaros cantan en pajarístico, / pero los escuachamos en español.“ Etwa: Die Vögel singen auf vogelsch, aber wir hören sie auf Deutsch. Bzw. Spanisch. Und dann wollte ich sehen, wie der Rest vom Buch ist.

Welches war das miserabelste Buch, das Du je in der Hand hattest?
Inhaltlich? Sprachlich? Ich weiß nicht. „Je“ ist ganz schön lang.
Aber eines der technisch miserabelsten Bücher war eine Piraten-Ausgabe von Vargas Llosas La casa verde. Ein Klassiker, den ich aber eben wegen dieser Ausgabe nie zu Ende gelesen habe. In Arequipa (Peru), wo ich damals lebte und das Buch gekauft hatte, waren nur Raubkopien zu bekommen – und die Lektüre war zu unsinnlich und zu frustrierend, besonders für eine Spanisch-Anfängerin. Ich habe das Buch sogar noch (fürs Kuriositäten-Kabinett), aber ist eigentlich unlesbar: In Druckerschwärze ertrunkene Wörter, nicht mehr zu entziffernde Buchstaben in 2 Punkt-Größe mit Tinte für 20 Punkt und auf jeder Seite entweder oben ein bis drei Zeilen abgeschnitten oder rechts die jeweils letzte Silbe. Oder beides. Tut mir leid, Mario.

Bist Du ein Bücherquäler? Entsorgst Du z.B. die Schutzumschläge, machst Eselsohren oder besudelst die Seiten?
Ein Bücherquäler? Ich hoffe nicht. Keine Eselsohren, keine Schutzumschlagsentsorgung. Aber ich markiere und unterstreiche oder male Fragezeichen an den Rand – mit Bleistift. Ich habe mich schon als Kind mit meinem Klavierlehrer gestritten, weil er Fingersätze mit Kugelschreiber eintrug. Das geht gar nicht, weder in Noten noch in Büchern, und das halte ich auch heute noch so. Aber so wie ich in Partituren Zeichen und Singanweisungen eintragen muss, muss ich auch Literatur oft mit Bleistift lesen. Nicht zu reden von Sachbüchern. Gewidmete Ausgaben, Objektbücher wie die Nueva Novela, die meisten Gedichtbände und andere ästhetische Genüsse lasse ich in Frieden, und wenn ich ein Gedicht analysiere oder übersetzen will, mache ich vor dem Bekritzeln eine Kopie und verziere dann die. Aber ich schreibe in Bücher, ja. Ist das Besudeln?
(Musterbeispiel für lieblosen Umgang ist für mich ein Südamerika-Reisender, der sich einen dicken Schmöker mitgenommen hatte und jeden Abend die Seiten, die er gelesen hatte, rausriss und wegwarf. Um Gewicht zu reduzieren. Hm.)

Was machst Du mit den Büchern, wenn Du sie gelesen hast?
Wenn sie gut waren: Noch ein wenig in meiner Nähe behalten. Wieder lesen. Verleihen. Irgendwann einen schönen Regalplatz für sie suchen.
Wenn sie schlecht waren: Mit Missachtung strafen. Nicht zu Ende lesen. Einen versteckten Regalplatz suchen. Sie wieder in die Bibliothek bringen.

Stöckchen weiterreichen:
Merlix (von dem ich eine der schönsten Blog-Geschichten der letzten Zeit gelesen habe. Die andere schönste Blog-Geschichte der letzten Zeit kam von Martina, die den Stock schon hat).
Etosha (auf deren Blog ich schon seit ein paar Tagen nicht komme).
Cassandra (von der ich hoffe, dass sie trotz ihrer Augenplage lesen kann und mag).