Hundeführerschein

Im Unterschied zu mir ist meine Freundin M eine erklärte Hundefreundin. (Ich bin nicht nur keine erklärte Hundefreundin, sonder gar keine, von sehr vereinzelten Ausnahmen wie Sam mal abgesehen). Nun möchte sich Freundin M einen Hund zulegen, und am Telefon erklärte sie mir, wie er sein soll:

[Listen, die erklären, wie etwas oder jemand sein soll, das oder den man sucht, erinnern mich übrigens unweigerlich an frühe Spanisch-Lektionen, da diese Wünsche subjuntivo nach sich ziehen und man den Gebrauch des subjuntivo also wunderbar und stundenland mit solchen detaillierten Wunschlisten üben kann. „Busco una casa que tenga vista al mar“ und so. Aber zurück zum Hund.]

Sie sucht also einen Hund mit folgenden Merkmalen:
Einen Hund aus dem Tierheim, der schon ein wenig älter ist und auch mal ein paar Stunden allein sein kann. Außerdem sollte er nicht zu groß sein und keine schwarzen Haare hinterlassen.
Und er sollte Auto fahren können.

Er sollte Auto fahren können! Ja holla, so einen Hund würde ich auch nehmen! Wenn er dann den Wagen auch noch selbst mitbringen würde… perfekt!


[Rhetorik]

Der schönste Satz heute kam von einem sehr alten Mann. Er stellte sich kurz vor Ladenschluss hinter mir an der Supermarktkasse an:

„Sie haben viel und ich habe es eilig.
Lassen Sie mich vor?“

[Ich ließ und er eilte weiter. Und versprach mir noch über die Schulter, ich käme in den Himmel. Nicht so eilig, hoffe ich.]

Vom langsamen Vermüllen

Auch wenn das Wort „Messi“ dank eines kleinen argentininschen Fußballers eine positive Aufwertung erfahren hat (Bruder #2 empfiehlt dazu dieses Video, Achtung, Ton leise drehen!), weckt es doch bei einem kritischen Blick in die eigene Wohnung die Angst davor, im eigenen Kram unterzugehen.
Weder Percanto noch ich sammeln ausdrücklich und gezielt irgendwelche Dinge. Es sammeln sich bei uns aber Bücher, CDs, Zeitungen, Schuhe, Schreibgeräte, Fotos und überhaupt bedrucktes Papier aller Art; dies geschieht unsystematisch und nicht einem höheren Ziel untergeordnet. Setzkästen kommen uns nicht ins Haus.

Es geschieht, und es geschieht unkontrolliert; manche Dinge scheinen sich zu vermehren, wenn man die Tür von außen schließt, andere werden fast von alleine mehr, wie die Zeitungen, wieder andere, wie insbesondere die Bücher und ja, auch die Schuhe, bekommen gelegentlich erwünschte Geschwister.
Dennoch: Die Angst davor, in der eigenen Wohnung zwischen den Dingen nur geduldet zu sein und den Lebensraum peu à peu an Gegenstände zu verlieren, ist vermutlich nicht ganz unberechtigt, denn weder Percanto noch ich können gut wegschmeißen.
Bei einigen wenigen Dingen hat das einen praktischen Aspekt, so weiß ich nicht, was ich mit dem halbleeren Eimer angetrockneter Farbe der Vormieter machen soll. Sowohl Müll- als auch Sperrmüllabfuhr haben ihn mir zurückgebracht, und um diesen Eimer mit den Rad in einen Wertstoffhof zu bringen, den es vermutlich auch in unserer Stadt in einem Industriegebiet gibt, ist der Leidensdruck wohl noch nicht groß genug. Diese Fälle sind aber, dies sei zugegeben, die wenigsten.

Wesentlich häufiger handeln wir mit einer gewissen Nachkriegs-Sparsamkeit: Diese Stiefel haben zwar einen indiskutabel schiefen Absatz und sind vorne auch nicht ganz dicht, wenn aber mal wirklich Sauwetter herrschen sollte, will ich ja auch nicht mit den guten Schuhen aufs Land. (Auf welches Land, könnte man sich natürlich fragen). Und die Linguistik-Unterlagen aus Tübingen, wer weiß, vielleicht brauche ich sie doch noch. Und bevor nicht die Schulhefte aus der 5. Klasse im Altpapier liegen, sind Dinge aus dem 2. Semester einfach noch nicht dran. Und wer weiß, wofür man eine Tasse ohne Henkel brauchen könnte. Als Pinselbecher, zum Beispiel, oder für absolut notwendige Einsätze, die exakt in dem Moment manifest werden, wenn das lange aufbewahrte Stück gerade abgeholt wurde. Die Zeitung vom letzten Wochenende habe ich übrigens auch noch nicht durch, vielleicht schaffe ich sie noch. Pappkartons und gepolsterte Umschläge sind sowieso aufzuheben für den nächsten Geburtstagskuchen oder die nächste CD, die sich per Post auf den Weg zu Freunden machen. Eine gewisse Prägung durch meinen Vater ist hier nicht auszuschließen. Mir ist in lebhafter
Erinnerung, wie in meinem Elternhaus ein abgebrochenes Messer aus dem Keller eines Tages fort war – und just an diesem Tag erstmals dringend gebraucht wurde. Also, auch die mehrfach getapeten Stummelmesser aufheben!

Schlimmer als diese praktischen Beweggründe sind die sentimentalen. Die Fotos, die ich in meinem Leben weggeworfen habe, könnte ich vermutlich alle einzeln benennen. Gegenstände aus fernen Ländern finden den Weg in den Müll niemals, denn wer weiß, wann man mal wieder dorthin kommt? Doch, es gab vor einiger Zeit ein paar Ausnahmen: der peruanische Kerzenständer ist in so viele Teile zerbrochen, dass ich einfach so getan habe, als könne
man ihn nicht mehr reparieren und die Bruchstücke mit geschlossenen Augen und heimlich erleichtert in den Müll befördert habe. Eine weitere Ausnahme sind die Wollhandschuhe und die Umhängetasche, in deren reiner Alpakawolle Motten siedelten und von dort aus Angriffe auf alles andere flogen: weg!

Die dritte Schwierigkeitsstufe im Wegwerfen wird erreicht, wenn diese Gegenstände Charakter haben. Dafür reicht ein wie auch immer geartetes Gesicht. Wie gefährlich Gesichter für eine leere, luftige Wohnung sind, kann meine Mutter bestätigen: Hässlichste Überraschungseifiguren okkupieren Platz auf dem Küchenregal, Schoko-Marienkäfer sitzen in großen Schwärmen im Bücherregal, weil etwas, was einen anguckt, nicht beseitigt werden kann. Es ist deshalb als ein Akt der Gnade zu werten, wenn mein Bruder einen kleinen, funktionslosen Plastikroboter einem Massaker unter Schuhgröße 47 unterzieht und ihn dadurch mülleimerfähig macht.
Rettung winkt mit dem Partner: Jemand, der alles zurücklässt (Heimat, Eltern, Kinderzimmer) und mit nichts weiter als einer Tasche und einem Rucksack ein neues Leben aufbaut, der muss doch für dieses Vorhaben der richtige sein, fähig, Wichtiges von Überflüssigem zu scheiden und sich von letzterem zu trennen!
Doch gefehlt… Dinge mit Gesicht üben auf Percanto die gleiche Wirkung aus wie auf uns. Schneemänner aus dem Kindergarten stehen nun mit einer Plastikgiraffe unschuldig lächelnd zwischen den Basilikumtöpfen.
Manchmal packt es mich dann doch, und ich werfe zuerst die Dinge weg, an denen ich doch ein wenig hänge, denn wenn die schon in der Tüte liegen, warum dann noch Mitleid haben mit dem verbogenen Alulöffel aus der Mensa (obwohl man den sicher gut zum Farbe rühren nehmen könnte)?
Bei dem letzten Anfall dieser Art war ein kleiner Bär mit in den Kopf geschraubtem Schlüssel-Ring und Werbeschriftzug auf der Fellbrust unter den Opfern, doch Percanto hat ihn aus dem Müll gerettet. „Das ist doch ein BÄR!“ (Ein Lebewesen, quasi!)
Eines der widerstandsfähigsten Opfer meiner Regulierungswut ist aber ein Tennisball, der nun schon zwei meiner Anschläge überstanden hat.

Nach dem ersten habe ich ihn selbst wieder aus dem Müll gefischt, weil er mich so vorwurfsvoll ansah. Den zweiten Versuch – mit geschlossenem Deckel – hat Percanto vereitelt und den Ball gerettet. „Siehst Du nicht, wie er Dich anguckt?!“ Doch, doch, ich sehe… Er hat es jedenfalls wieder geschafft (merke: Niemals einem kaputten Ball in einem Moment des Übermuts Augen aufmalen! Wegen „die Geister, die du riefst“ und so!) und liegt im einen Billy, zweites Brett von unten, bei den Kochbüchern. (Oben stehen vor den Reclam-Lektüreausgaben die Schülergeschenke.)

Hife! Luft! Frei von Ballast in hellen, leeren Räumen leben! Das wäre mein Ideal!

Nur meine Bücher müssten natürlich da sein. Mein alter Bär, ohne Diskussion. Und die Fotos, und die Kameras, klar. Meine Stifte, auch der kanadische, auch wenn er eigentlich nicht mehr schreibt, aber den haben die Verwandten aus Toronto mitgebracht.

Und der Tennisball, der auch, denn wer hat schon einen solchen?

Hilfe! Auxilio! Sorcorro! Help!


Veröffentlicht unter Kram

Sinnlose Koinzidenz

Jetzt und in diesem Moment stimmen Blogbesucherzahl und mein Geburtsjahr überein (schon mindestens seit 1800 kann ich den Blogcounter nur als Jahreszahl lesen).
Aber wenn SIE das jetzt lesen, ist die Übereinstimmung natürlich schon wieder dahin.

Was immerhin bedeutet, dass Sie mit Blick auf den Zähler einen „terminus ante quem“ für meinen Geburtstag haben.

Spülerbe

Meine Mutter nimmt zum Abwaschen einen Lappen.
Mein Vater eine Bürste.
Ich einen Schwamm.

Frage: Welches Gen ist fürs Spülen verantwortlich?

(Vielleicht sollte ich Drittmittel beantragen, eine Forschungskommission einsetzen, die Untersuchung ausweiten und auch meine Brüder einbeziehen. Möglicherweise ließe sich ein Zusammenhang zwischen Spülwerkzeug und Augenfarbe feststellen.)

Komparative Studien

Es hat sich ergeben, dass ich dieses Semester einige Male an eine eher kleine Uni in einer eher kleinen eher katholischen Stadt fahre und dort jeweils einen Tag vor einer erstaunlich großen Gruppe Studentinnen verbringen. Der Besuch der Damentoilette in Gebäudeteil H (oder C, ich habe irgendwann den Überblick verloren, moderne Uniarchitektur ist nicht so mein Fall) bot die Gelegenheit, Inschriften auf Klotüren zu lesen. Ich hätte nicht gedacht, dass in diesem Bereich große Unterschiede zwischen den Universitäten bestehen, aber doch.
An meiner Heimatuni stehen an den Klowänden Dinge wie:
Nazi-Aufmarsch verhindern!
Stop Faschismus! Fight Racism!
Basisgruppe
Studiengebühren sind unfair
P I love you
Lesbensorgentelefon
und diverse Fragen und Ratschläge zu Sex im allgemeinen und Sex mit Frauen im speziellen, die ich hier wegen der Googel-Treffer nicht zitiere.

An der anderen Uni stand:

Gibt es wahre Liebe?
J I love you
Mädels, ein Tip: Lasst euch nicht mit Arschlöchern ein.
[durchgestrichenes und wegradiertes, dahinter:] Dann hast du dich in den falschen verliebt!
GOTT ist LIEBE

Vielleicht sollte ich mal jemanden von den Culture-Studies vorbeischicken. Die müssen sowas doch können.