Phantomschmerz

Wir haben doch ein gewisses Talent für dämliche Verletzungen.
Bruder #2 betreibt die Kampfsportart Handball, da bleiben Kiefer- und Nasenbrüche oder Nierenprellungen (hinter dem Tor war eine Mauer, ärgerlich) nicht aus. Seine üblen Karnevalsverletzungen sind vermutlich auf das sträfliche Ignorieren seines Genpools zurückzuführen – als Norddeutscher hat man im Kölner Karneval einfach nichts zu suchen. Und wenn doch, sollte man gut gucken, ob da gerade ein Kölschglas steht, wo man sich hinsetzt. Ansonsten verbringt man den Rest der Woche schon mal auf dem Bauch liegend im Krankenhaus. Immerhin, künstlicher Darmausgang war nicht nötig.

Ich selbst habe vor allem so dämliche wie spektakuläre Fahrradunfälle gebaut, z.B. beim Versuch, das Hinterrad durch beherztes Bremsen vorne anzuheben (klappt und führt unverzüglich zu einer neuen Kieferprellung), oder weil ich auf dem Gepäckträger balancierend fahren wollte. Zu Hause habe ich mich dann damit herausgeredet, mir sei ein Stock in die Speichen gekommen. Es reichten aber auch einfach Kurven auf Schotter oder Kettenabsprünge auf Kastanienlaub, um komplette Salti mortale (mit Szenenapplaus) und ähnliches zu fabrizieren. Als außerordentlich gefährlich für meinen Hinterkopf, Ohnmachten inklusive, haben sich Fensterrahmen, Ecken, Sofakanten erwiesen. Mein Sport ist dagegen erstaunlich verletzungsfrei abgelaufen, und den Speer hab ich wohl mal in die Tartanbahn gerammt, nicht aber in Weitspringer.
Unserem Vater gelingen die schönsten Stürze beim Spazierengehen, wenn er, die Hände in den Hosentaschen, ins Straucheln gerät. Beim Rad- und Skifahren trägt er Helm, der Bürgersteig aber kam überraschend und rauh.
Als Zuschauer einen Handball aufzufangen ist auch keine besonders gute Idee, zumindest nicht, wenn die Kollegen im OP sich darauf verlassen, dass die Finger am nächsten Tag einsatzbereit sind.
Bruder #1 fing schon als kleiner Junge mit Armbrüchen an. Die großen Jungs hatten das Kindergartenkind auf dem Bolzplatz ins Tor gestellt, das hat der dünne Unterarm nicht lange mitgemacht. Jetzt betreibt er neben Dingen wie Kiten auch den schönen, körperlosen Sport Basketball. Finger und Gelenke müssen da schon mal dran glauben, und wie unser Vater seinen quer abstehenden Zeh im Urlaub (wieder eine Bordsteinkante, mit Badelatschen) kurzerhand (bevor der Schmerz im Hirn ankommt) wieder nach vorne gerichtet und getaped hat, mussten auch Bruderfinger schon mal neu ausgerichtet werden. Finger, Knöchel, Sprungelenke, alles nicht besonders spektakulär bei Ballsportarten. Ein neues Level hat Bruder #1 vor fünf Wochen mit Augenverletzungen erreicht. Nur um zwei Freiwürfe rauszuschinden, hat er sich vom Gegner im Auge herumpulen lassen. Schlag aufs und Finger ins Auge ergibt Prellungen, Abschürfungen, Verbeulungen an Orten, von denen man nicht ahnte, dass sie geprellt, abgeschürft, verbeult werden können. Sollten sie wohl eigentlich auch nicht. Sein Sehvermögen hat sich inzwischen wieder von 40 auf 80% hochgearbeitet, und Licht erträgt er auch wieder. Gute Besserung weiterhin, kleiner Bruder!
Wie ich drauf komme? Die Szene wurde, wie ich gerade entdeckte, für das World-Press-Photo 2007 von Profi-Basketballern nachgestellt:
Hier das Foto.

Weder beim Bruder noch bei den Protagonisten des Fotos ist vermerkt, ob die Zeitstrafen dort und Freiwürfe hier letztendlich den Sieg brachten.

(Die World-Press-Photo-2005-Ausstellung, die ich an einem heißen Novembertag in Santiago de Chile besucht habe, war übrigens eine der beeindruckendsten Ausstellung, die ich je gesehen habe.)

Ohrschellen

Die (neuen, grasgrünen, gutklingenden) Kopfhörer haben den Vorteil, dass sie – hinten in den Computer und oben in die Ohren gestöpselt und mich solcherart mit Bach oder Miss Li verbindend – mich daran hindern, mal kurz aufzustehen um dies oder das nachzugucken, wegzulegen oder aus dem Regal zu nehmen. Nicht mitten im Agnus Dei jedenfalls.
Der Nachteil: Sie haben keine Internet-Kindersicherung. Also bleibe ich geduldig sitzen und gucke halt Mails, bis das Agnus Dei um ist. Oder schreibe einen Limerick. Oder so.
(Noch 4 Monate. Mir ist schlecht. Die Bibliotheksaufsichten grüßen mich inzwischen alle.)

Rigatiga

Der Kritiker (aus dem Quartett) heißt Karasek
und wagt sich (sicher lächelnd) an den Limereck.
Tiger hin, Lady her,
Übersetzen ist nicht schwer!
Und Karasak reimt Lady mitsamt Versmaß weg.

Schlimmer-geht-immer-Limerick-Challenge bei Isabo.

Tauschhandel für Fortgeschrittene

Sachen tauschen, die man hat, ist ja ziemlich einfach. Wegen seiner Nähe zu „Jüdisch Pokern“ (mit der Fortgeschrittenenvariante „Jüdisch Mäxchen“) ist aber das Tauschen mit Dingen, die man nicht hat, viel toller.
Ich meine keine Spekulationen auf irgendwelche Kurse oder Goldwerte, damit kenn ich mich nicht aus. Ich kann nur Zugfahren, und im ICE von Süd nach Nord Gesprächen zuhören zwischen Angestellten im Schienenfernverkehr (aka Schaffnern) und Reisenden:In der Sitzreihe neben mir hockt eine junge Frau, Knie angezogen, auf dem Tischchen balanciert ein Laptop, mit dem sie über Kopfhörer verbunden ist. Sie hat einen dunklen, wuscheligen Pferdeschwanz, oder was davon übrig ist, denn die meisten Strähnen haben sich aus dem bändigende Haargummi gewunden und werden auf den Weg über Schultern, Rücken, Brust nur von Ohren, Kopfhörerkabeln, Schal aufgehalten. Was sie am Computer schreibt und schiebt sieht nach einer Powerpoint-Präsentation aus, oder vielleicht entwirft sie auch das Design für irgendetwas ganz anderes. Sie tippt, hört Musik, guckt konzentriert auf den Bildschirm, schiebt darauf etwas hin und her, tippt, wippt die ganze Zeit mit dem Fuß, lacht laut und zufrieden auf, zappelt mit der Hand, tippt, strahlt.
„Personalwechsel, die Fahrscheine bitte.“
Der rotblonde Schaffner wendet sich ihr zu, sie stöpselt die Ohren aus, hält ihr Portemonnaie geschlossen in der Hand, lächelt den Schaffner an: „Haben Sie vielleicht eine Steckdose für mich?“
Er zieht die Luft durch die Zähne. „Eine Steckdose? Nein, tut mir leid. Steckdosen sind leider aus. Die habe ich heute schon alle rausgegeben.“
Sie lacht, wedelt mit der Hand, zeigt auf ihren Laptop: „Nein, ich meine hier… also nicht ob Sie selbst,… ob es hier wohl eine gibt?“
Er hebt bedauernd die Schultern. „Nein, Steckdosen für Einzelplätze hab ich leider nicht mehr. An den Tischen hätte ich eine für Sie gehabt. Aber hier – alle weg, tut mir leid.“
„Naja, schade.“ Sie hält ihm die Fahrkarte hin. „Hier. Ich muss Ihnen aber gleich sagen, dass ich meine Bahncard nicht dabei habe.“
Er nimmt die Fahrkarte, stempelt, lächelt sie an. „Ich habe keine Steckdose für Sie, Sie haben keine Bahncard für mich. Das ist dann so in Ordnung.“

Herr Thiel ist im Radio [2]

Für diejenigen, die aus technischen Gründen das wundervolle Interview aus dem gestrigen Eintrag nicht hören konnten, hier eine Transkription.
Die Rollen und Ihre Darsteller:

J = Journalistin von B5
T= Herr Thiel aus Hamburg 

B5 aktuell Hintergrund


J: Der Post-Konkurrent PIN steht vor dem Aus. Erneute Verhandlungen für einen letzten Rettungsversuch sind heute gescheitert. Springer teilte mit, es gebe kein gemeinsames Finanzierungskonzept.

Am Telefon ist jetzt der PIN-Chef und Minderheits-Gesellschafter Günter Thiel.
Herr Thiel, wie könnte PIN denn jetzt noch gerettet werden?

T: Das weiß ich jetzt auch nicht genau.

J : Haben Sie da nicht noch einen letzten Rettungsplan in der Hinterhand, den man noch auf den Tisch legen könnte?

T: Muss man wahrscheinlich ganz viel Geld zusammenkratzen, um das dann bezahlen zu können.

J: Wie viel Geld müsste man denn noch zusammenkratzen?

T: Da fragen Sie mich was, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

J: Herr Thiel, es sind ja 9000 Mitarbeiter von dieser Insolvenz, wenn sie denn kommt, betroffen…

T: So viele?

J: … 9000 sind bei Ihnen angestellt.
T: So viele…
Bei mir angestellt?
J: Sind bei Ihnen in Ihrem Unternehmen tätig.

T: In meinem Unternehmen?
J: Insgesamt in Ihrer… Können Sie nicht sagen, was mit denen passiert? Ich mein, die sitzen, die stehen ja jetzt auf der Straße.

T: Ich kenn die gar nicht!

J: Sie kennen die gar nicht. Es ist Ihnen auch völlig egal.

T: Nee, was heißt egal. Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.

J: Ich möchte von Ihnen gerne wissen, wie es denn jetzt weitergehen soll.

T: Äh, wo jetzt?

J: Bei der PIN-Group.

T: Wieso fragen Sie mich das?
J: Ich bin doch jetzt mit Herrn Thiel verbunden? Oder?

T: Günter Thiel aus Hamburg ist hier.

J: Günter Thiel aus Hamburg. Haben wir uns da vielleicht verwählt gerade. Herr Thiel, erzählen Sie uns doch mal – sind Sie nicht der Chef von der PIN-Group?

T: Ich .. ich hab überhaupt nichts mit Pin zu tun. Ich weiß gar nicht, was das ist.

J: Ja, dann ist das jetzt ein herrliches Missverständis, Herr Thiel, aber schön, dass wir kurz darüber gesprochen haben. Ich wünsche Ihnen noch nen schönen Gruß nach Hamburg, Sie sind live verbunden mit B5-aktuell…

T: ach!

J: … und wir versuchen jetzt nochmal mit der Senderegie die richtige Nummer herzustellen. Danke Ihnen!

T: War ich jetzt im Radio?

J: Sie waren im Radio!

T: Ah, das ist ja super. Kann ich vielleicht meine Frau grüßen?

J: Ja, machen Sie das noch schnell und dann wollen wir aber…

T: Ja dann grüß ich Isolde! Isolde, mein Schatz! Ich bin im Radio!

J: Herzlichen Dank, Herr Thiel, wir…

T: Ja, Danke auch!

J: … sind leider falsch verbunden und werden jetzt versuchen die richtige Leitung herzustellen zu Günter Thiel. Von der PIN-Group.

ausgehandelt

Gestern habe ich mit e13Kiki ein Bier (ungekühlt) gegen ein Königreich (ungekühlt) getauscht. Sie hat zwar nicht gesagt, ob bei dem Königreich auch eine halbe Prinzessin dabei ist, ich finde dennoch, es war ein guter Tausch. Zumal Zimmertemperatur bei Bier wesentlich unangenehmer ist als bei Königreichen.