40 Tage Buenos Aires [3]

Tag 3, Mittwoch, 17. Februar: „El Ateneo“, eine imposante, die imposante Buchhandlung in der Avenida Santa Fe in Buenos Aires. Die Buchhandlung ist in einem prächtigen alten Theater untergebracht, unter der Decke ein rundes Fresko, Regale auf allen Rängen und im Parkett (ich stehe bei diesem Foto im alten Parkett, in der heutigen Sektion Lateinamerikanische Literatur), auf der Bühne zwischen den riesigen roten Vorhängen ein gut besuchtes Café, in den Logen sitzen Menschen und lesen.
Zwischen den Regalen laufen fast so viele Touristen wie Leser herum, und auch wenn der Laden sehr groß und dem ersten Anschein nach gut sortiert ist und sowieso für jeden Leser oder Nichtleser den Besuch wert ist, sollte man für Literaturwünsche abseits der ganz aktuellen Neuerscheinungen oder den Klassikern eher auf die Avenida Corrientes gehen. Dort reiht sich eine kleinere Buchhandlung an die nächste, viele (moderne) Antiquariate, viele mit einer wilden Mischung aus in Folien eingeschlagenen Schulbüchern, Esoterik und ambitionierter Literatur. Diese Läden haben den Charme von Garagen, die Fachrichtungen sind oft mit breitem Pinsel direkt an die rohen Wände gemalt, aber dort findet man die eigentlichen Schätze.

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Es ist heute warm und sonnig, das verschwitzte Kind ist voller Locken, ich voller Mückenstiche.

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Nachdem wir den Tag im wesentlichen zwischen der Avenida Santa Fe und Avenida Corrientes verbracht haben – da das von der Wärme erschöpfte Kind auf dem Weg zum Spielplatz eingeschlafen ist, haben wir Eltern den Mittagsschlaf in der Karre genutzt, um in besagte Buch- und Tangoschuhläden zu gehen – hören wir gerade in den Nachrichten, dass genau an der Ecke Corrientes / Callao eine Schießerei war. Wir haben nichts davon mitbekommen, es geht uns gut, überhaupt wirkt die Stadt zumindest in dieser Ecke eher entspannt, und die meisten Passanten lassen sich auf kleine Flirts mit Baby B. ein. Die Verkäuferin im Tangoschuhladen, der sich in einer Privatwohnung im 10. Stock eines normalen Wohnhauses befindet, hat B.s Herzchen mit ihrem attraktiven Dekolleté gewonnen, von dem er sich gar nicht mehr trennen wollte. Seiner flachbrüstigen Mutter, die ihn wieder auf den eigenen Arm nehmen wollte, hat er mit der freien Hand immerhin freundlich zugewunken.

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In diesem multireligiösen Haushalt verbringt jeder den heutigen Aschermittwoch auf seine Art. Die enthusiastisch katholische Tante war mehrere Stunden in der Kirche, freut sich auf die Fastenzeit und hat mit dem jüngsten Sohn und der Nichte geschimpft, die vergessen haben, warum sie heute in die Messe gehen sollten. Der jüdische Onkel hält noch bis 23 Uhr seine Sprechstunde als Psychologe im hinteren Teil der Wohnung, und mein im Prinzip katholischer Ehemann schläft vor, um später noch zum Tangotanzen zu gehen.

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Die katholische Tante und der jüdische Onkel haben nach der Messe eine kleine Diskussion über religiöse Rituale, Sakramente und Abendmahl. Die Tante schlägt vor, wenigstens gemeinsam zu Abend zu essen, denn wenn sie tot sind, werden sie in unterschiedlichen Himmeln sein und können sich nicht mehr sehen. Der Onkel schaut sie lange lächelnd an, streichelt ihre Hand und schlägt vor, wenn die Himmel getrennt seien, könnten sie sich ja einfach für die Hölle verabreden.

40 Tage Buenos Aires [2]


16. Februar 2010: Erst Tropenregen und Abkühlung, dann Nieselregen. Hier Plaza Libertad (Barrio Norte), wo Baby B die ersten Tauben seines Lebens jagte – und das erste Mal erleben musste, dass Vögel nach ein paar Runden zu Fuß einfach wegfliegen können. Sowas. Unding.

100 Bücher

Ein neuer Stock geht um im Bloggerwald, der 100-Titel-Stock.
Die Kaltmamsell hat ihn ausgefüllt, Frau Groener auch, und diese Beispiele sind würdig und recht. Wenn ich auch von vornherein sagen kann: Mit all den dort gelesenen Russen kann ich nicht mithalten. Nicht einmal mit den Manns.

Es geht um die 100 liebsten Bücher deutscher ZDF-Zuschauer, Erhebung ist aus dem Jahr 2004.
Die von mir gelesenen Bücher sind hervorgehoben.

1. Der Herr der Ringe, JRR Tolkien
Ich habe Der kleine Hobbit von selbigem Autor geschenkt bekommen, im Kinderbuchalter, und es furchtbar gefunden. Eines der ersten Bücher, die ich nicht zu Ende gelesen habe. Mit mir und Fantasy war noch nie was.
2. Die Bibel
Im Konfirmandenunterricht musste ich das Inhaltsverzeichnis auswendig lernen, ich habe sie nicht ganz komplett gelesen, aber doch sehr weitgehend.
3. Die Säulen der Erde, Ken Follett
Hat mein Bruder gelesen und im Urlaub mitgehabt, ich habe es dann auch gelesen. Futter. Nicht mein Fall.
4. Das Parfum, Patrick Süskind
Damals gelesen, gut gefunden. Auf Spanisch verschenkt.
5. Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry
Natürlich. Und zu Schulzeiten fast auswendig gekonnt. Zur Hochzeit bekamen wir Eintrittskarten zum Kleinen Prinzen als Theaterstück. Das bisher einzige Stück, aus dem ich wegen Unerträglichkeit eher gegangen bin.
(Wind, Sand und Sterne fand ich schön und nicht so fabulesk.)
6. Buddenbrooks, Thomas Mann
Nicht mal im Studium, sondern irgendwann so.
7. Der Medicus, Noah Gordon
Auf Empfehlung meines ersten Lateinlehrers gelesen. Aber eigentlich Kategorie Säulen der Erde, oder?
8. Der Alchimist, Paulo Coelho
(brrr)
9. Harry Potter und der Stein der Weisen, JK Rowling
(Keinen Potter gelesen, aber ist das der erste? Die Verfilmung in Buenos Aires gesehen, 2001, und als wir aus dem Kino kamen, war draußen Revolution.)
10. Die Päpstin, Donna W. Cross
11. Tintenherz, Cornelia Funke
12. Feuer und Stein, Diana Gabaldon
13. Das Geisterhaus, Isabel Allende
Damals auf Deutsch, später auf Spanisch, wollte ich mit meinen Seniorstudenten machen, die dann nicht gekommen sind. Sicher das beste der Allende-Bücher, die später eine Tendenz zum Stereotypen haben. Das Magische riecht mir hier allerdings, anders als bei anderen Magischen Realisten, nach Kalkül.
14. Der Vorleser, Bernhard Schlink
Gut gefunden, allerdings fand ich die überraschende Wendung nicht überraschend und das Ganze darum nicht so spannend. Vielleicht noch mal lesen.
15. Faust. Der Tragödie erster Teil, Johann Wolfgang von Goethe
Im Leistungskurs gelesen, gut gefunden, meine Schülerzeitung Mephisto genannt und mit Zitaten gespickt.
16. Der Schatten des Windes, Carlos Ruiz Zafón
Hab ich in Valladolid gekauft, aber dann nur die ersten Seiten (des Originals) für eine Seminar-Analyse genutzt.
17. Stolz und Vorurteil, Jane Austen
Gelesen, aber vergessen. Bilder von Empire-Kleidern und Ungerechtigkeiten.
18. Der Name der Rose, Umberto Eco
Schmöker.
19. Illuminati, Dan Brown
20. Effi Briest, Theodor Fontane
Etliche Male begonnen, nie ganz ausgelesen. Mir fehlt immer noch der Schluss. Ach, Effi.
21. Harry Potter und der Orden des Phönix, JK Rowling
22. Der Zauberberg, Thomas Mann
Zu Schul- oder Studienzeiten angefangen, ich weiß nicht, was dann passiert ist.
23. Vom Winde verweht, Margaret Mitchell
24. Siddharta, Hermann Hesse
Im Religionsunterricht gelesen. Ich habe Hesse schon mit 15 nicht gemocht. Nein.
25. Die Entdeckung des Himmels, Harry Mulisch
Ja, ja, ja! Eines der Bücher, die ich (trotz der merkwürdigen Rahmenhandlung und des unbefriedigenden Schlusses) gefeiert habe. Weil alle Spuren und Skurrilitäten ihren Sinn bekommen. Ich wollte auch so eine Männerfreundschaft wie Onno und Max, (ok, das mit Ada war nicht in Ordnung), oder wenigstens wie Ada ihren großartigen Dialogen zuhören. Hat einen Platz bei den Lieblingsbüchern.
26. Die unendliche Geschichte, Michael Ende
Als Grundschülerin gelesen, gut gefunden. Trotz Fantasy. Dann musste ich – noch als Grundschülerin – mit der Schule den Film sehen und habe Michael Ende einen erbosten Brief geschrieben, in dem ich ihm erklärte, dass ein Film darüber, dass LESEN Phantasiewelten öffne, jawohl völlig verkehrt sei. Michael Ende hat mir geantwortet, mich im Brief gesiezt und mir in allen Punkten zugestimmt.
27. Das verborgene Wort, Ulla Hahn
Wollte ich eigentlich, fällt mir dabei auf.
28. Die Asche meiner Mutter, Frank McCourt
Gelesen und mich angemessen beeindrucken lassen. Hat mein Bild vom Katholizismus nach dem katholischen Kindergarten noch einmal nachdrücklich geprägt.
29. Narziss und Goldmund, Hermann Hesse
30. Die Nebel von Avalon, Marion Zimmer Bradley
31. Deutschstunde, Siegfried Lenz
(Ich schäme mich ein bisschen)
32. Die Glut, Sándor Márai
33. Homo faber, Max Frisch
Erst aus dem elterlichen Regal, dann Schullektüre. Beide Male gut.
34. Die Entdeckung der Langsamkeit, Sten Nadolny
Habe ich das im Zug gelesen oder spielt es in einem Zug?
35. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Milan Kundera
Gelesen, geliebt. Dann anderes Kunderas gelesen und bei jedem enttäuscht gewesen, es wurde immer kalenderspruchartiger. Aber geliebt habe ich ihn.
36. Hundert Jahre Einsamkeit, Gabriel Garcia Márquez
Klassiker, überbordend, voller Einzelgeschichten.
37. Owen Meany, John Irving
Ich habe viele Irvings gelesen und die meisten gemocht. Formel: Je weniger Bären, desto besser gefiel er. War gut, außer der Pointe aber verhältnismäßig viel vergessen.
38. Sofies Welt, Jostein Gaarder
Gehörte als Schülerin zu den frühen Lesern, es war damals glaub ich ziemlich aufsehenerregend, ich fand es gut – und den Schluss so blöd, dass ich richtig wütend war. Sollte ich nochmal reinschauen.
39. Per Anhalter durch die Galaxis, Douglas Adams
40. Die Wand, Marlen Haushofer
Beklemmend. Verbinde ich aus mir nicht ganz klaren Gründen mit einer Tante von mir.
41. Gottes Werk und Teufels Beitrag, John Irving
Auch einer der Irvings, die ich mehr gemocht habe. Keine Bären. Schöne Waisenkinderbenamung. Echte Konflikte.
42. Die Liebe in den Zeiten der Cholera, Gabriel Garcia Márquez
Empfehlung, wenn man es tropisch mag, und man kann der eigentlichen Geschichte viel besser folgen als bei den Hundert Jahren. Magischer Realismus etwas zurückgefahren.
43. Der Stechlin, Theodor Fontane
44. Der Steppenwolf, Hermann Hesse
(Schon der dritte Hesse hier, pah.)
45. Wer die Nachtigall stört, Harper Lee
(Was passiert dem eigentlich?)
46. Joseph und seine Brüder, Thomas Mann
Vielleicht. Ich weiß nicht. Schäm.
47. Der Laden, Erwin Strittmatter
48. Die Blechtrommel, Günter Grass
Ich mag den Erzähler nicht, glaube ich.
49. Im Westen nichts Neues, Erich Maria Remarque
Ich hatte ziemlich Respekt davor, und dann konnte man es sehr gut lesen – und es trifft.
50. Der Schwarm, Frank Schätzing
51. Wie ein einziger Tag, Nicholas Sparks
52. Harry Potter und der Gefangene von Askaban, JK Rowling
53. Momo, Michael Ende
Ja.
54. Jahrestage, Uwe Johnson
55. Traumfänger, Marlo Morgan
56. Der Fänger im Roggen, Jerome David Salinger
57. Sakrileg, Dan Brown
58. Krabat, Otfried Preußler
Ich kenne alle „kleinen“ von ihm, den Wassermann, die Hexe, das Gespenst. Die großen Klassiker Krabat und Hotzenplotz nicht.
59. Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgren
(„Die Welt ist voller Sachen, und es ist wirklich nötig, dass jemand sie findet.“)
60. Wüstenblume, Waris Dirie
Eher Sachbuch.
61. Geh, wohin dein Herz dich trägt, Susanna Tamaro
Damals geschenkt bekommen und gleich den Verdacht gehabt, dass es Kitsch ist. Ist es. Echt.
62. Hannas Töchter, Marianne Fredriksson
Weiß nicht mehr. Könnte nachgucken, aber das ist unsportlich.
63. Mittsommermord, Henning Mankell
64. Die Rückkehr des Tanzlehrers, Henning Mankell
65. Das Hotel New Hampshire, John Irving
(etwas viele Bären)
66. Krieg und Frieden, Leo N. Tolstoi
Mit den Russen habe ich zwei Probleme. Ich habe die, die im Winter spielen, in einer heißen Sommerhängematte begonnen. Das ging nicht.
Und ich habe nie verstanden, wer wer ist. Wer schon eingeführt, aber unter anderem Namen, und wer neu.
Und schließlich weiß ich dann nicht mal mehr, welches Buch von wem ist. Keinen der Langrussen gelesen, Drei Schwestern im Theater gesehen, Gogols Nase in der Schule gelesen und in Petersburg als Oper gesehen.
67. Das Glasperlenspiel, Hermann Hesse
68. Die Muschelsucher, Rosamunde Pilcher
Geschenk meiner klugen Großmutter, es hat uns damals wohl alle berührt – aber nur dieses erste. Wirklich.
69. Harry Potter und der Feuerkelch, JK Rowling
70. Tagebuch, Anne Frank
Ich habe in den frühen 10er-Jahren alles gelesen, was mit Juden zu tun hatte (und immer gehofft, in meiner Familie jüdische Wurzeln zu finden), und dieses Buch las ich mit Bangen und Sorgen. Entsetzlich traurig, aber auch mit dem Wunsch, so mutig zu sein und wenigstens eine Famile, ein Mädchen zu verstecken.
Und ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, ob es Anne wohl recht wäre, dass andere Menschen (ihr Vater, wir) lesen, was sie über Liebe und Küssen sagt. Den dringenden Wunsch gehabt, Tagebuch zu schreiben, aber mich auch nicht getraut.
71. Salz auf unserer Haut, Benoite Groult
Aus dem Bücherschrank meiner Mutter, ich war etwas jung und die Körperlichkeit fand ich peinlich.
72. Jauche und Levkojen, Christine Brückner
Ebenfalls aus dem Bücherschrank meiner Mutter. Viele Szenen und Sätze habe ich noch im Kopf, vor allem zu den Kindern von Maximiliane.
73. Die Korrekturen, Jonathan Franzen
Von Franzen kenne ich nur Schweres Beben. Gut, aber weniger begeistert als erhofft.
74. Die weiße Massai, Corinne Hofmann
75. Was ich liebte, Siri Hustvedt

76. Die dreizehn Leben des Käpt’n Blaubär, Walter Moers
Nicht gelesen, aber das wurde mir mal zu meinen üblichen Frühstückszeiten fast komplett im Radio vorgelesen. Darum halbfett.
77. Das Lächeln der Fortuna, Rebecca Gablé
78. Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, Eric-Emmanuel Schmitt
Viel besser ja: Die Blusen des Böhmen von Robert Gernhardt!
79. Winnetou, Karl May
Als kleines Mädchen von Herrn H. ausgeliehen, der alle Karl-Mays auf dem Regal stehen hatte und dessen Sohn noch etwas klein war.
Ich habe ihn und meinen Vater dann aber etwas enttäuscht. Zwar habe ich Winnetou I gelesen, fand die Spannung aber künstlich und aufgebauscht – wenn es noch Band II und III gab, war schließlich klar, dass Winnetou überlebt. Mein Vater schüttelt noch immer den Kopf.
80. Désirée, Annemarie Selinko
81. Nirgendwo in Afrika, Stefanie Zweig
82. Garp und wie er die Welt sah, John Irving
Viele Ringer, Bärenzahl nicht erinnert, einer der guten.
83. Die Sturmhöhe, Emily Brontë
Siehe Jane Austen. Ich wollte es vor allem wegen der Symbolik lesen. Junge Mädchen müssen zerlesene Sturmhöhe in der Tasche haben. Ist aber nicht ganz aufgegangen.
84. P.S. Ich liebe Dich, Cecilia Ahern
85. 1984, George Orwell
86. Mondscheintarif, Ildiko von Kürthy
87. Paula, Isabel Allende
88. Solange du da bist, Marc Levy
89. Es muss nicht immer Kaviar sein, Johanns Mario Simmel
90. Veronika beschließt zu sterben, Paulo Coelho
91. Der Chronist der Winde, Henning Mankell
92. Der Meister und Margarita, Michail Bulgakow
93. Schachnovelle, Stefan Zweig
94. Tadellöser & Wolff, Walter Kempowski
Will aber!!
95. Anna Karenina, Leo N. Tolstoi
Siehe Krieg und Frieden, wobei mich hier die Geschichte interessiert.
96. Schuld und Sühne, Fjodor Dostojewski
(Mit Verlaub, das glaub ich den ZDF-Zuschauern nicht ganz. Nicht nur das.)
Siehe Krieg und Frieden, siehe Anna Karenina.
97. Der Graf von Monte Christo, Alexa
ndre Dumas
98. Der Puppenspieler, Tanja Kinkel
99. Jane Eyre, Charlotte Brontë
Oder hab ich das gelesen und nicht Jane Austen?
100. Rote Sonne, schwarzes Land, Barbara Wood

Haha, es wurde ja arg dünn zum Ende, und jetzt kenn ich ausgerechnet noch das hier, das letzte. Das hatte mein Doktorvater mal bei einer Seminarstombola gewonnen, wo ich selbst brasilianische Affenbrotbaum-Rasseln gewonnen hatte. Er fragte irritiert, ob das einer will, ich sah nur „Buch“ und rief „ich!“. Habs dann auch brav gelesen. Es steht im Regal „Krimis und Exotik“ neben der Wüstenblume (s.o.) und Jenseits von Afrika. Mehr kann ich dazu nicht mehr sagen.

Kamera im Konjunktiv

Da habe ich mich ja endlich für eine Kamera entschieden – es wurde die Nikon D5000 mit einem 18-105 Objektiv – und habe damit den in dieser Woche gefeierten ersten Geburtstag unseres Söhnchens dokumentiert, um Ihnen hier mit ein oder zwei Symbolbildern einen anrührenden Text einzustellen.
Und nun kriege ich die Bilder nicht aus der Kamera.
Mein altersschwacher und babygebeutelter Laptop hat einen defekten Kartenleser, und die Übertragung funktioniert bei unklarar Fehlermeldung nicht. Sobald ich ein Bild habe, wird nachgereicht. Beim nächsten Geburtstag engagieren wir einen Zeichner.

Halbes Schwein

Man merkt es Ju und Ja an, dass sie viel vorgelesen bekommen, viele Bücher angucken und dass ihre Eltern viel mit ihnen reden. Ihren Peter und der Wolf haben sie gut im Kopf, und auch die neuste Lektüre hinterlässt sichtbare Spuren, so zuletzt das wunderbare Bilderbuch Komm, Emil, wir gehn heim von Hans Traxler.
Beim Abendessen klärte mich Ju (3) auf: „Hühnchen kommt vom Huhn, die Wurst kommt vom Schwein und Fleisch kommt auch vom Schwein.“ Er dachte kurz nach. „Mami, essen wir auch Kühe?“ Seine Mutter erklärte, dass ja, dass Menschen Tiere und so auch Kühe essen, Steak zum Beispiel käme von der Kuh, das sei Rindfleisch.
Ju nickte und wendete sich wieder an mich, „Steak kommt von der Kuh“, informierte er mich. „Wir essen nämlich Tiere. Aber wenn wir ein Schwein essen, dann schneiden wir das vorher durch.“ Er dachte noch einmal nach. „Sonst quiekt das nämlich im Bauch.“

Von der Symbolik des Raums

Bei der Arbeit wird, wie berichtet, gebaut. Ein glänzendes neues Zentrum für kleinere Geisteswissenschaften soll entstehen, in der Mitte zwischen den alten Gebäuden, hell, luftig, mit Bibliothek und Seminarräumen, mit Medienausstattung und Büros und an die alten Gemäuer angeschlossen. Für die Anschlusstelle wurde zunächst ein Teil unseres Gebäudes abgerissen und – zum Glück noch vorher – ein Teil der Mitarbeiter mitsamt ihrer Büros in andere Gegenden der Stadt ausgelagert.
Nun sollen die Kollegen ihre provisorischen Büros dort drüben wieder aufgeben, ein Teil soll in die alten, abgerissenen Trakte zurückkehren, ein anderer Teil die für uns bestimmten Räume im funkelnagelneuen Zentrum beziehen.

Das ist in vielerlei Hinsicht toll. Nicht zuletzt gibt es uns Geisteswissenschaftlern Gelegenheit nachzudenken, und dafür sind wir ja da. Nachdenken über den „spatial turn“, über Lotmans Raumtheorie, über Bourdieus Überlegungen zum symbolischen Raum. Wir können uns noch einmal die Annahme vergegenwärtigen, dass Raum nie einfach gegeben ist, sondern produziert wird. Räume sind kulturell konstituiert und symbolisch aufgeladen. Natürlich spricht der König vom Balkon aus zu den Unter-Gebenen, wer eine Grenze übertritt, verlässt einen Raum und wird ein anderer, von der Beletage aus kann man bequem auf den Pöbel hinabblicken und die Büros im Hauptflur strahlen Prestige aus, Hauptflur, Hauptperson, während wir unter dem Dach, die wir in den alten Schwesternzimmern hausen, den Habitus von Dienstboten nicht recht ablegen können. Über all dies sollte man wirklich dringend öfter nachdenken, und unser weiser Arbeitgeber gibts uns Gelegenheit dazu. Dafür sind wir zu Dank verpflichtet.
Die ausgelagerten Kollegen haben also umgehend ihre Ersatzbüros aufzugeben, sie sollen zum 1. März das neue Zentrum beziehen.
Vielleicht möchten Sie sich ein Bild vom Zentru
m machen (die Fotos sind von heute Nachmittag, 1. Februar), dieses neue Herzstück unseres Arbeitsplatzes befindet sich genau hier:



Es ist immer schön, wenn man sich darauf verlassen kann, dass in so einem großen Betrieb alle Handlungen und Anweisungen miteinander koordiniert sind, dass die eine Hand stets weiß, was die andere tut.
Und in puncto symbolischer Raum unterstreichen die neu geschaffenen Büros natürlich aufs Vortrefflichste die Bedeutung, die den Geisteswissenschaften in der Gesellschaft zugemessen wird.

Ausmaße

Wenn man den Begriff „Windelkatastrophe“ nur noch als Euphemismus bezeichnen kann, quasi Hilfsausdruck, eher Hilflosigkeitsausdruck, wenn sich das Kind beim Wickeln überraschend als aufs Unfassbarste eingesaut zeigt, wenn man das Kind zudem wegen einer erwarteten, wenn auch nicht so erwarteten Windelfüllung noch ein wenig länger wach gehalten hat und es nun endlich und wirklich nur noch schlafen will, liegen und schlafen und auf etwas nuckeln, nicht aber stehen, sondern sich hinwerfen muss, egal wohin, wenn es sich ausgesprochen unkooperativ zeigt und weil müde, so müde, nun an der vollkommen farbgewechselten Strumpfhose lutschen möchte, die man ihm entwendet und froh ist, dass es stattdessen doch seinen Hausschuh nimmt, den einen, der nichts abbekommen hat, was sich allerdings etwas später zusammen mit der Erkennntis, dass dieses Leder Kinderlippen und Kinderzähne blitzeblau färbt, als Irrtum herausstellt, wenn man dem Kind einen pastös eingedickten Body über den Kopf ziehen muss, während es protestiert und sich wegdreht, wenn dieses Zeug an jedem seiner Kleidungsstücke klebt, außer innen in der Windel, wenn das jammernde Kind klebrige Babykacke in den Haaren hat und zwischen den Zehen und überall dazwischen auch, wenn eine Rolle Küchenpapier nicht reicht und der Waschlappen nicht mehr vom Body zu unterscheiden ist und die Feuchttücher so hilfreich sind wie Suppenkellen bei einer Ölkatastrophe, wenn das Handtuch auf dem Wickeltisch nichts mehr aufnimmt und wenn man das Ganze auf den Holzfußboden verlagert, den man ja wischen kann oder neu verlegen, wenn das Kind auch dort nicht stehen will und sich auf dem kalten Boden windet und sich der Mutter an die Brust wirft, wenn man schließlich das Kind ganz auf dem Arm zu waschen versucht und dabei mit dem Fuß Küchenpapier auf dem Boden verteilt und Schmutztücher und das, was mal adrette Babykleidung war, aus dem Zimmer bugsiert, wenn schließlich Kleider, Handtücher, Boden und Mutter gleichmäßig eingesaut sind, das Kind aber in einem Zustand zu sein scheint, in dem man ihm eine saubere Windel und einen sauberen Body und die letzte saubere Strumpfhose anziehen könnte, wenn man nur ein Stück sauberen Untergrund zum Ablegen fände, dann fragt man sich nicht nur wie immer, warum eigentlich Müttern nicht mit dem Milcheinschuss auch gleich sechs bis acht weitere Arme wachsen, sondern auch, warum Wickeltische nicht standardmäßig mit Not-Duschen geliefert werden, wie sie doch für Chemielabore Vorschrift sind und deren Existenz so unmittelbar einleuchtet, und ob es wohl sinnvoll ist, all das einzeln zu waschen, zu wischen und wegzuwerfen oder ob nicht ein Umzug nach dem Mittagsschlaf die einfachere Lösung wäre.

Geographie

Zu Besuch bei meinem Patenkind Ja (2) und großem Bruder Ju (3, oder, wie er sagt: „ich bin drei und ich bin größer und stärker“). Ja lässt eine Legolok um den Teppich herum fahren, auch Ju spielt mit seiner Eisenbahn, schiebt Waggons und verlegt Schienen, „bis nach Südamerika!“ Wir staunen, das sei aber weit, und es sei ganz schön viel Wasser auf dem Weg nach Südamerika. Ach, das mache nichts, dafür würde er eine Brücke bauen, eine ganz lange Brücke, einfach. Aber wo noch mal Argentinien sei? Komm, wir suchen auf dem Ball.
Ich habe ihnen, da sie schon immer sehr interessiert an Ländern und deren Lage sind, einmal einen Ball geschenkt, der auch als schlichter Globus funktioniert, den nehmen wir uns vor und suchen. Das Gelbe hier ist Brasilien, und da unten, das lange grüne Land, das ist Argentinien. Wir fliegen über das Meer und an Afrika vorbei über Spanien zurück nach Deutschland, „wo ist Berlin?“
Ja kommt dazu, wirft sich über uns, „Tiefel! Wo ist der Tiefel?“, und wir suchen Italien, was aber von vielen Tritten furchtbar zerkratzt im Mittelmeer liegt und dessen markante Form kaum mehr zu erkennen ist. Ju schlägt vor, nochmal auf dem großen Weltkarten-Puzzle zu suchen. Das ist ziemlich großartig, die ganze Welt, politisch und beschriftet, auf einem großen Schaumstoff-Puzzle. Wir knien zu fünft vor der zerlegten Erde, Wasser, Wasser, Wasser, die Inseln gehören irgendwo in die asiatische Ecke, ich habe ein Stück Russland, Ju probiert sein wasserblaues Eckstück an allen Kontinenten aus, Argentinien ist dieses Mal rot, Ja legt Mitteleuropa in die Antarktis, gar nicht so einfach alles, wie sieht eigentlich Indonesien aus und auf welcher Höhe liegt es. Wir finden Spanien, da wart Ihr im Sommer, wir finden die USA, da wohnen sie bald, das sprechen wir lieber nicht an, wir finden endlich auch den Stiefel, gelb und prächtig und sehr stiefelig. „Aber wo“, fragt Ju, „wo ist denn eigentlich Lummerland?“
Ich bin nicht sicher, wo man die Heimat von Emma und Lukas suchen soll, der dazukommende Vater meint, in der Nähe von China könnte sein, denn da fahren sie ja hin, es muss irgendwie erreichbar sein mit einer alten Lok. Ja ist plötzlich ein „Halbdrache, böße, ganz böße“, der aber dennoch ganz friedlich weiter Mexiko in den Nahen Osten quetscht, nur Ju wird zunehmen unruhig, weil Lummerland einfach nicht zu finden ist. Schließlich liegt alles, wie wir Großen es für richtig halten, fast alles: Ein Teil fehlt. Im westlichen Pazifik fehlt ein Stück, liegt weder unter dem Teppich noch in der Spielzeugkiste, ist nicht in der Tüte und auch nicht unter dem Sofa. Ein Stück im Wasser, dort hinter China. Dann sind wir sicher: Das ist die Erklärung, warum wir zwischen all den anderen Ländern Lummerland nicht finden konnten, dort wird sie wohl liegen, im fernen Blau, die Insel mit zwei Bergen.