40 Tage Buenos Aires [3]

Tag 3, Mittwoch, 17. Februar: „El Ateneo“, eine imposante, die imposante Buchhandlung in der Avenida Santa Fe in Buenos Aires. Die Buchhandlung ist in einem prächtigen alten Theater untergebracht, unter der Decke ein rundes Fresko, Regale auf allen Rängen und im Parkett (ich stehe bei diesem Foto im alten Parkett, in der heutigen Sektion Lateinamerikanische Literatur), auf der Bühne zwischen den riesigen roten Vorhängen ein gut besuchtes Café, in den Logen sitzen Menschen und lesen.
Zwischen den Regalen laufen fast so viele Touristen wie Leser herum, und auch wenn der Laden sehr groß und dem ersten Anschein nach gut sortiert ist und sowieso für jeden Leser oder Nichtleser den Besuch wert ist, sollte man für Literaturwünsche abseits der ganz aktuellen Neuerscheinungen oder den Klassikern eher auf die Avenida Corrientes gehen. Dort reiht sich eine kleinere Buchhandlung an die nächste, viele (moderne) Antiquariate, viele mit einer wilden Mischung aus in Folien eingeschlagenen Schulbüchern, Esoterik und ambitionierter Literatur. Diese Läden haben den Charme von Garagen, die Fachrichtungen sind oft mit breitem Pinsel direkt an die rohen Wände gemalt, aber dort findet man die eigentlichen Schätze.

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Es ist heute warm und sonnig, das verschwitzte Kind ist voller Locken, ich voller Mückenstiche.

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Nachdem wir den Tag im wesentlichen zwischen der Avenida Santa Fe und Avenida Corrientes verbracht haben – da das von der Wärme erschöpfte Kind auf dem Weg zum Spielplatz eingeschlafen ist, haben wir Eltern den Mittagsschlaf in der Karre genutzt, um in besagte Buch- und Tangoschuhläden zu gehen – hören wir gerade in den Nachrichten, dass genau an der Ecke Corrientes / Callao eine Schießerei war. Wir haben nichts davon mitbekommen, es geht uns gut, überhaupt wirkt die Stadt zumindest in dieser Ecke eher entspannt, und die meisten Passanten lassen sich auf kleine Flirts mit Baby B. ein. Die Verkäuferin im Tangoschuhladen, der sich in einer Privatwohnung im 10. Stock eines normalen Wohnhauses befindet, hat B.s Herzchen mit ihrem attraktiven Dekolleté gewonnen, von dem er sich gar nicht mehr trennen wollte. Seiner flachbrüstigen Mutter, die ihn wieder auf den eigenen Arm nehmen wollte, hat er mit der freien Hand immerhin freundlich zugewunken.

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In diesem multireligiösen Haushalt verbringt jeder den heutigen Aschermittwoch auf seine Art. Die enthusiastisch katholische Tante war mehrere Stunden in der Kirche, freut sich auf die Fastenzeit und hat mit dem jüngsten Sohn und der Nichte geschimpft, die vergessen haben, warum sie heute in die Messe gehen sollten. Der jüdische Onkel hält noch bis 23 Uhr seine Sprechstunde als Psychologe im hinteren Teil der Wohnung, und mein im Prinzip katholischer Ehemann schläft vor, um später noch zum Tangotanzen zu gehen.

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Die katholische Tante und der jüdische Onkel haben nach der Messe eine kleine Diskussion über religiöse Rituale, Sakramente und Abendmahl. Die Tante schlägt vor, wenigstens gemeinsam zu Abend zu essen, denn wenn sie tot sind, werden sie in unterschiedlichen Himmeln sein und können sich nicht mehr sehen. Der Onkel schaut sie lange lächelnd an, streichelt ihre Hand und schlägt vor, wenn die Himmel getrennt seien, könnten sie sich ja einfach für die Hölle verabreden.