Der Ball ist rund

Dass man insgesamt zu müde ist und zu viel WM guckt, merkt man daran, dass man zur besten Zeit ab nachts um 4 für 90 Minuten ein waches, sich wälzendes Kind neben sich liegen hat und die ganze erste Halbzeit denkt, dass es die besten Szenen aus den Vorrundenspielen nachstellt. Aber bei Australien : Frankreich hab ich den Denkfehler bemerkt – die spielen ja gar nicht gegeneinander. Verrückt, was einem das Hirn vorgaukelt, ts, Australien : Frankreich, verrückt.

Polarisiert

Dies war eine Woche, in der man gut dagegen sein konnte. Ich war diese Woche gegen ziemlich vieles. Gegen politikverdrossenes Handtuchwerfen, gegen den Hessen, dessen Namen wir nicht nennen wollen, gegen Bohrlöcher, gegen die Südspange (Göttinger! Geht zur Bürgerbefragung, geht gegen die Südspange stimmen!), gegen Blindgänger.
Im Nachklappern der Handtuchwerfer war ich auch noch gegen von der Leyen, gegen Schäuble, gegen den oben nicht genannten Hessen. Und auf einmal war da ein neuer Kandidat und die vorsichtige Möglichkeit, dafür zu sein. Man ist Dafürsein kaum noch gewohnt, für jemanden zu sein, schon gar in der Politik, hat einen verdächtigen Beigeschmack, man traut sich selbst und seiner Zustimmung kaum über den Weg. Aber aber je länger ich über Gauck als Kandidaten nachdenke, desto mehr ich dafür, für Gauck als Bundespräsidenten.
Und statt nur immer „Nein!“ zu sagen (und auf der Straße abstruse Diskussionen über Verkehrs(un)gerechtigkeit zu führen), sollte man vielleicht mal ein „Ja“ unterstützen. Das denke nicht nur ich, es gibt inzwischen einige Initiativen, die sich für Gaucks Kandidatur stark machen. Und man könnte das Dafürsein üben, indem man sich zum Beispiel dort einträgt.
Warum für Gauck?
Ich zitiere Nico Lumma:

Die beste Begründung für Joachim Gauck liefert Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Laudation zum 70. Geburtstag von Joachim Gauck:
“Weil wir immer wieder Debatten brauchen, weil wir uns immer wieder miteinander austauschen müssen, ist es so gut, dass wir Sie, Herr Gauck, haben. Denn Sie legen den Finger in die Wunde, wenn Sie eine Wunde sehen, aber Sie können auch Optimist sein und sagen: Es geht voran. Beides brauchen wir. Danke, dass es Sie gibt. Danke, dass Sie weiter da sind.”

Hier geht es weiter:
Grundsätzliches auf Wirres.net: Gauck is my president.
Unterstützung der Kandidatur Gaucks in der Facebookgruppe Joachim Gauck als Bundespräsident
Nico Lummas Initiative Wir fuer Gauck

Der Politikverdrossenheit von oben mit Politik von unten antworten?
Ich üb das jetzt, das Dafürsein. Der Anlass scheint mir ein guter zu sein.

(PS: Göttinger, stimmt trotzdem gegen die Südspange. Danke.)

Passt schon

Auf der ziemlich vollen Flasche Sonnenmilch, die ich sicher mal in der Nachsaison gekauft habe, steht auf vielen orangfarbenen Aufklebern „Sonderpreis DM 4.00„.
Ein Verfallsdatum steht aber nicht drauf. Das war damals bestimmt noch nicht erfunden.

Vorgezogenes Pfingstwunder

Nun hat der Sohn nicht gleichzeitig mit dem freien Gehen auch das flüssige Sprechen begonnen, aber er kann Teekesselchen. Und zeigt Lernerfolge im Bereich „nicht werfen / sanft / streicheln, nicht hauen“ – zumindest versteht er uns.
Unser Osterfrühstück war aus Lazarettgründen etwas karg, aber Bruder #2 hat doch immerhin gefrühstückt und Baby B. hat sich zu seiner Gesellschaft ein blaues Ei genommen und beherzt hineingebissen, womit er es erfolgreich geknackt hatte. Die Großmutter hat es ihm dann gepellt und neben der von ihm selbst ausgewählten Tomate in die andere Hand gedrückt, so traf ich ihn dann an in seinem Hochstühlchen. Er leckte immer wieder an der Tomate und fand die merkwürdig, aber das Ei war prima, er hatte die Spitze schon aufgegessen und streckte es mir zufrieden entgegen. „Oh, Du hast ja ein Ei“, sagte ich, und Baby B. guckte in seine Hand, nickte und streichelte sich mit dem Osterei durch die Haare, „eiiii“, sagte er. Ja, auch das.

Gelandet

Nach 40 Tagen und exakt 24 Stunden Reise von Tür zu Tür: zu Hause.

(Und ich dachte kurz, 10 Uhr abends, dann brauch ich jetzt auch nichts ins Blog zu schreiben, denn um 2 Uhr früh in Deutschland liest das ja keiner mehr. Aber das ist ja Deutschland, also mein 10 Uhr, Euer 10 Uhr. Ich fang dann man an, mich wieder umzustellen.)

2010

Noch einmal fremde Federn, und dann kann es richtig losgehen, das neue Jahr. Lasst uns was draus machen. Was Gutes.


Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin,
Ohne viel Bedenken.

Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das, worum Du Dich bemühst
Möge Dir gelingen.

(Wilhelm Busch)


Letzte Splitter

* Vor 10 Jahren, beim hochwichtigen Übergang von 1999 zu 2000, hatte ich drei interessante Einladungen zu Silvesterfeiern (so viel wie dann nie wieder), eines sollte ein Fest in Berlin bei einem italienischen Filmemacher mit schwarzen Augen sein. Der hatte meinen Cousin, bei dessen Geburtstagsparty wir uns kennengelernt hatten, zuvor schon zu wilden Beschützaktionen verleitet, aus Angst vor seinem strengen Onkel, der mein Vater ist. Ende 1999 wurde ich aber krank und hatte am 31. morgens ziemlich Fieber, so dass ich absagte. Kurz nachdem der letzte Zug des Jahres aus der Provinz Richtung Hauptstadt weggefahren war, ging es mir wieder besser. Den Jahreswechsel habe ich allein mit meinen Eltern verbracht, auf der Brücke über dem Hafen einer ausgestorben wirkenden Stadt. Es fehlten nur die Mistelbüsche, die über die Straßen wehten. Wenn wir auf unserem Weg doch auf vereinzelte andere Menschen trafen, sie mit unseren Sektgläsern grüßten und ihnen ein frohes neues Jahr wünschten, wirkten diese ausgesprochen befremdet. Huch! Menschen, die sprechen!
Von meinem Silvester-Date habe ich nie wieder gehört.
In den zehn Jahren danach habe ich unter anderem Examen gemacht, promoviert, in verschiedenen Brotberufen und brotlosen Berufen gearbeitet, meinen Mann kennengelernt und geheiratet und ein Kind bekommen. Wie vor 10 Jahren war ich aber bis heute morgen einigermaßen krank und feiere auch dieses Jahr (erstmals seit 2000) wieder mit meinen Eltern zusammen, dieses Mal aber mit Babykind, das hoffentlich das Knallen (ob hier geknallt wird?) verschläft. Ich bleibe noch ein paar Tage hier und will arbeiten, den Mann und Vater haben wir nach Berlin zum Tangotanzen geschickt. Vielleicht trifft er dort ja einen italienischen Filmemacher.

* 2009 war seit langer Zeit das erste Jahr, in dem ich auf keiner Beerdigung war. Dafür aber zu Besuch bei ein paar Neugeborenen auf Wochenstation und auf einer Hochzeit, und ich habe selbst eine Taufe ausgerichtet. Viel besser so. Bitte 2010 in der Art weiter.

* Erinnert Ihr Euch noch an Schwadroneuses wunderbaren Neujahrsgruß?

Wir sehen uns drüben!

Letztes Mal Klugscheißen 2009

1. Dieser Tag heute heißt übrigens Silvester, nicht Sylvester.
Und Sylvester ist auch keine hübsche oder putzige alte Form wie „Photo“ oder „seyn“, sondern offenbar am englischen Vornamen Sylvester (wie Stallone) orientiert, während Papst Silvester I., der Namensgeber für den 31.12. war, seinen Todestag im Jahr 335, auch damals schon mit „i“ geschrieben wurde.

2. Das Jahrzehnt ist erst in einem Jahr zu Ende.