Mude

Ich bin mude. So mude, dass ich die Punkte nicht mehr sprechen kann. So etwa sagte mein Großvater.
Dabei fühle ich mich gar nicht mude, nicht mal besonders müde! Es verdichten sich allerdings die Hinweise, dass ich nach fünf Monaten mit Baby und am Ende des Semesters doch einen gewissen Grad an Grunderschöpfung und damit einhergehender Unberechenbarkeit erreicht habe. Analog zu den bewährten „drei Zeichen für gesunde Zähne“ (weiße Zähne, rotes Zahnfleisch, keine Insekten in den Zahnzwischenräumen) sind nun zumindest „drei Zeichen für eine müde Mama“ auszumachen:

1. Ich kann einschlafen.
2. Ich stelle das Pumpbesteck und die Flasche zum Abkochen auf den Herd, stelle die Platte auf 6 und gehe, während das Wasser heiß wird, kurz Zähneputzen. Und dann direkt ins Bett.
3. Ich schaffe es oft nicht mehr, einen Blogeintrag zu Ende zu s

Will you still need me, will you still feed me

Strahlende Sonne, der Sohn liegt erstmals barfuß in seinem Kinderwagen, die späten Perlhyazinthen kontrastieren mit den ersten Löwenzähnen, wir spazieren unter Hellgrün in allen Schattierungen und den verschwenderischen weißen und rosa Schaumkronen der Kirschbäume. Der Frühling treibt die Eichhörnchen die Bäume rauf und runter, und auch den Spaziergängern scheint er zu Kopf zu steigen. Wir werden von schlaksigen Jugendlichen angestrahlt, die ganz vergessen, cool zu sein, eine junge Frau geht eine Weile plaudernd neben mir her. In der Nähe des großen Spielplatzes im Park überholen wir ein innig umschlungen gehendes Paar: Er wird um die 10 Jahre älter sein als ich, trägt eine Schiebermütze und muss ein wenig schief gehen, um die Frau an seiner Seite zu umarmen. Sie hat einen silbernen Pagenkopf, ein freundliches Gesicht voller Falten,ist schon ein bisschen krumm und trägt den beigen Popelinemantel offen. Als ich fast an ihnen vorbei bin, löst sie sich aus seinem Arm, macht ein paar schnellere Schritte hinter mir her und bittet mich, das als Sonnenschutz aufgehängte Mulltuch anzuheben, sie wolle doch mal sehen, bitte. Brav zeigen beide ihr Entzücken, „ach Gott, ist die Kleine süß, oder ist es ein Junge?“ „Danke! Und ja, es ist ein Junge…“ Sie lacht mich an: „Ein Junge! Schön, da können Sie sich aber freuen. Einen Sohn zu haben ist das Beste, was Ihnen passieren kann“, sie strahlt ihren Begleiter an und drückt seinen Arm. „Ich habe ja auch einen Jungen, er hier. Einen Sohn zu haben ist das Beste, das Allerbeste. Wie alt ist Ihrer denn?“ „Er ist jetzt 10 Wochen alt.“ „Ach“, sagt sie und lehnt ihren Kopf an seinen Arm, „wie niedlich. Meiner ist schon älter.“ Das hatte ich ja fast vermutet. Er drückt sie auch, lächelt ganz ohne Ironie und nickt, „ich habe auch drei, und es geht alles so schnell. Genießen Sie es.“
Das tue ich, immerzu, und wir spazieren weiter durch seinen ersten und so irrwitzig kitschig-schönen Frühling.

Füsch

Fangfrischer Singefisch („Morgen früh, wenn Gott will.“)

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Des Internets wunderbarer Haus- und Hofastrologe hat mir mehrfach erklärt, dass das erwartete Fischlein gut zu uns passen würde, vor allem zum musischen Steinbockvater. (Wo mögen sich wohl ein Steinbock und ein Fisch treffen? In einem Bergsee?) Nun ist unser flinkes Fischlein aber ein Wassermann, was ich mit „egal, ist ja auch nass“ kommentierte und zurechtgewiesen wurde. Wassermänner seien Luftzeichen (oder?), LUFT; ach, diese Logik der Sternzeichen wird sich mir nie erschließen.


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„Guck“, sagte meine Mutter, „sieht der nicht aus wie Baby B.?“ Quatsch, dacht
e ich. „Im Profil!“, sagte sie. Und sie hat Recht.


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Aus meiner ergiebigsten Zitatfundgrube Schwangerenforum:
„Ich habe mich die ganze Nacht herumgewelst.“
Ach, Fischlein.

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Glasbläserheringe
(dieses Mal als Trostfisch für einen ins Binnenland gezogenen Küstenbewohner)


für 12 Personen

3/4l Essig
1/2l Wasser
250g Zucker
zu einem Sud kochen (Zucker muss aufgelöst sein), abkühlen lassen.

20 Matjes ohne Kopf (750g)
375g rote Zwiebeln
150g Möhren
30g Ingwer

1/4 Stange Meerrettich
in 2cm Streifen, in Ringe resp. Scheiben schneiden.

Mit
3TL Piment (ganz)
4EL Senfkörner

6 Lorbeerblätter
in mehreren Lagen in einem großen Gefäß schichten.
Mit dem Sud aufgießen, alles muss mit Flüssigkeit bedeckt sein. Das Gefäß verschließen, mindestens etwa 2 Tage ziehen lassen.

Rezept von Mutti. Besonders beliebt bei Verwandtschaft aus dem Süden.

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Wie wir heißen


Während sein großer Bruder Ju den ganzen Tag schnabbelt, beschränkt sich Jas Vokabular noch auf die wirklich wesentlichen Dinge: „Mami“ (= Mami), „Papi“ (= meist Papi), „Opapa“ (= Opapa), „Ju-u“ (= Justus) und „Japa“ (= Jasper), „Blubb“ (= Fisch) und „Ba“ oder „Da“ (= der Rest der Welt). Seit Bruno da ist, sagt er auch stahlend „Beeeebi“, und zwar mit großer Begeisterung zu Bruno, zum Kinderwagen und auch zu mir, wenn er mich nicht gerade „Papi“ nennt.
Bevor Ju begann, höchst eloquent die Welt zu erklären, nannte er seinen kleinen Bruder „Japser“, und wir folgten ihm darin. Von daher ist der neuste Name, den Ja für mich hat, augesprochen passend: „Fiepe“.
Guten Abend, unsere Namen sind Japser und Fiepe; wir kommen von den Anonymen Asthmatikern.

Zumutungen

Dass wir uns auf dünnes Eis begeben haben, als wir den zu Beginn der Schwangerschaft geträumten und dann zum Arbeitstitel gewordenen Namen unserem geborenen Kind tatsächlich gegeben haben, ist mir klar. Aber trotz langer Listen und noch längerer Diskussionen war am Ende kein anderer Name für einen Jungen mehr denkbar (und für ein Mädchen stand der Name noch nicht fest, als wir im Krankenhaus waren und dem Wehenschreiber zuguckten), und so ist aus Bauch Bruno oder Beule Bruno nun wirklich Baby Bruno geworden.

Sehr schön war die Reaktion gleich mehrerer Tanten, die auf die Nachricht „Bruno ist da!“ mit der Frage antworteten: „Und wie heißt das Kind jetzt?“

Die Kritiker und Skeptiker sind gewiss weiterhin kritisch und skeptisch, und wer den Namen vorher unmöglich fand, wird seine Meinung kaum geändert haben, sie schweigen nun aber höflich zu dem Thema, jetzt, da es eh zu spät ist. (Vielleicht melden sie sich bei Kind #2 einst wieder zu Wort, um Ähnliches zu verhindern.) Manche, die den Namen vorher nicht von uns gehört hatten, stutzen sichtlich, offene Ablehnung ist aber selten.

Gerade traf ich bei einem der ersten Ausflüge mit Kinderwagen meinen vorletzten Chef, der artig in den Wagen guckte und gratulierte, das hätten wir ja sehr gut hinbekommen, niedlich. Wie er denn heiße? „Bruno“, sagte ich, und der Chef guckte mich verblüfft an, lachte kurz, „meine Güte, warum müssen Sie alle Ihren Kindern so schreckliche Namen antun?“ Ich lachte mit, sagte, dass ich seine Überraschung verstehe, den Namen aber gar nicht so schrecklich fände, man müsse sich allerdings und zugegeben kurz daran gewöhnen.
Er schüttelte den Kopf, sagte dann aber: „Na ja, ich habe meinen Sohn ja auch Karl genannt.“
„Das ist doch gar nicht so weit weg von Bruno…“, stimmte ich zu.
„Aber wir haben ihn dann auch noch Marius genannt. Karl-Marius, so geht das dann!“
Da habe ich dann meine Meinung lächelnd verschwiegen.

Wes das Herz voll ist…


… und das ist es, ich bin dieser Liebe so vollkommen ausgeliefert.

Es ist auch nicht so, dass nichts passieren würde, es ist mehr passiert als je zuvor. Aber all das nach zweieinhalb Wochen in Häppchen zu unterteilen, in Text zu fassen, will mir gerade nicht gelingen. Morgen sind wir bei 39 + 0. Und haben ein 18 Tage altes Baby.
Wir stillen, wir wachsen, wir staunen und bewundern.
Und ich hätte gerne alles etwas langsamer.