Tag 39, Donnerstag, 25. März 2010: Abendlicht über der Avenid El Libertador, Palermo.(Foto von vorgestern, was sich da nicht hochladen ließ.)
Man ahnt es bei der laufenden Ziffer 39 von 40, was heute vor allem Tagesprogramm war: Abschied nehmen, Teil 1-3.
Am Morgen haben wir noch ein paar Dinge erledigt, jede Menge Yerba für Mate gekauft, Mate cocido und Alfajores, also Lebensmittel, die man (anders als Choripan) gut mitnehmen kann, aber schlecht bekommt in Europa. Während der Siesta habe ich schon mal mit Packen angefangen, gut dass wir für sowas wie sechs Kilo Yerba, die Bücher und Schuhe eine leere Tasche mitgenommen hatten. Dann Abschied Teil 1: Wir gehen zur Tante, kaufen auf dem Weg Facturas (ich mag Medilunas, finde die meisten anderen aber, unter uns gesagt, relativ austausch- und letztlich verzichtbar) und trinken dann bei der Tante Mate. Da der Sohn die Nacht krank war, trinkt er aus einem eigenen Mate, Onkel und Tante trinken keinen, die Tante aber einen Tee mit Milch, die Abuelita isst Obst. Keine ganz korrekte Mate-Runde also, aber halbwegs gesellig ist es trotzdem. Am Ende schalten sie noch den verschobenen SUPERCLASICO ein, das Fußballspiel der beiden Top-Clubs, die eine innige Feindschaft pflegen, Boca Juniors (blau-gelb) und River (weiß-rot). Eigentlich ist Donnerstag kein Fußballtag, aber die Partie ist am Sonntag wegen heftigen Regens (der gleiche, der meinen Ausflug aufs Land ins Wasser fallen ließ) abgebrochen und auf heute verlegt worden. Boca hat, das in aller Kürze, 2:0 gewonnen, mit beiden Toren durch den Chilenen Medel, und River sah wohl nicht gut aus.
Bester Spieler sei aber nicht Medel gewesen, sondern Riquelme – der Ex-Nationlteam-Riquelme, der mit Maradona nicht zurecht kommt und jener nicht mit ihm, und wegen deren Differenzen – vorsichtig ausgedrückt – Riquelme nicht mehr in der Selección spielt und Maradona nicht mehr in der Bombonera aufgetaucht ist. Heute war Mardona beim Spiel seines Vereins, und die Fans haben nach Riquelmes Vorlage zum 1:0 in Sprechchören die Wiederaufnahme des alten Spielmachers in die Nationalmannschaft gefordert. Aber das scheint, wenn man den Zeitungen glauben darf, trotz Diegos anerkennender Worte zu Riquelmes Leistung, ein abgeschlossenes Kapitel zu sein.
Maradona, die schillernde Figur, ist nicht allzu wohl gelitten. Natürlich hat er weiterhin seine hysterischen Fans, aber die meisten Leute, die ich kenne, haben seine Arbeit zunächst mit Skepsis, dann mit Entsetzen verfolgt. „Trainingsmethode von Diego?“, fragte einer, „alle folgen der weißen Linie!“, natürlich eine Anspielung auf seine Kokain-Abhängigkeit – und die fehlende „Linie“ im Spiel. Argentinien hat sich furchtbar durch die Qualifikation zur WM gezittert, allerdings hat Diego wieder etwas Popularität gewonnen, als er nach dem letzten Sieg, der das extrem knapp erreichte Ticket nach Südafrika bedeutete, die vorher schimpfenden und (zu Recht) Bedenken tragenden Journalisten mit einem sehr obszönen Spruch abkanzelte, „que la sigan chupando“, das gibt es mittlerweile natürlich auch auf T-Shirts. Weiter stieg die offizielle Stimmung nach dem Sieg gegen Deutschland kürzlich, aber doch bleibt die WM-Euphorie exrtem verhalten, ernsthafte Hoffnungen macht sich wohl kaum jemand, wohl aber Sorgen um eine Blamage mit Maradona.
Durch den Sieg von Boca ist aber zumindest der heutige Tag gerettet.
Abschied, Teil 2: Noch einmal unser Spielplatz. B. klettert inzwischen alleine die Treppe zur Rutsche hoch, läuft immer noch an der Hand, das aber auch über Hängebrücken, schaukelt nach wie vor begeistert und spielt im Sand, versuchsweise auch mit anderen Kindern. Ein schöner Spielplatz, halbwegs zu Fuß erreichbar, das wird uns fehlen, auch wenn wir viele kleine und dann einen tollen großen etwas weiter weg auch zu Hause haben. Vielleicht aber nicht ganz das zuverlässige Wetter.
Abschied, Teil 3: Am Abend kommen die Freunde H. und J. mit Töchterchen E., zum Resteessen. Gemüsematsch (allerdings leckerer, Süßkartoffeln, Kürbi, Möhren, Mais zusammen in Brühe gekocht, Frühlingszwiebeln angebraten, Ricotta untergehoben) ist nun eigentlich wirklich kein Gäste-Essen, auch mit kleinen Kindern nicht, die frischen Ravioli danach schon eher. Trotzdem, keine echte Abend-Einladung, dabei hat klein E. extra ihre Holzkette samt Armband angelegt. Zum Nachtisch hole ich Eis von unten. Das lose Eis in Buenos Aires ist ziemlich gut. Man kauft es in den Eisdielen nach Größe des Behältnisses gestaffelt, immer zwei Sorten, aber entweder ein kleines pappiges Hörnchen, ein größeres, ein richtiges Hörnchen, eine flache Waffel, oder ein Schokohörnchen, alles zu unterschiedlichen Preisen mit variierenden Eismengen. Die beiden Sorten werden dann mit einem Spatel zu einem spitzen Berg geformt, manchmal gibt es noch etwas wie Schokostreusel drauf, und dann schmilzt das Eis blitzschnell. Eis kaufen geht wie fast alles im Einzelhandel in mehreren Schritten, einer hinter der Theke kassiert – beim Eis zuerst -, einer bedient. In der Bäckerei muss man erst eine Nummer ziehen, kommt dann mit der Nummer an den Tresen, wird von einer von 2 bis 3 Mädchen bedient, bekommt das Brot in einer Tüte in die Hand und den Preis gesagt, und den sagt man dann vorne bei einer weiteren Person, die nur kassiert, und zahlt. Die Prozedur beim Eis wird auch eingehalten, wenn ausnahmsweise nur einer bedient. Ich habe am Puerto Madero ein Eis bestellt, nur der eine Verkäufer und ich waren da. Zuerst habe ich an der Kasse ein normales Hörnchen bestellt und bezahlt, er hat meinen Bon gestempelt und ihn mir gegeben, dann sind wir zwei Schritte nach links gegangen, er hat den gestempelten Bon, Beleg, dass ich das Eis bezahlt habe, das ich nun verlange, wieder an sich genommen und ich habe bei ihm nochmal ein normales Hörnchen bestellt, mit den beiden Sorten Schokolade mit Mandeln und Zitrone. Sehr zu empfehlen ist auch Sambayón, Zabaione. Nicht mein Fall, aber in vielen Abstufungen vertreten und sehr beliebt, ist Dulce-de-leche-Eis. Einfach, doppelt, mit Splittern, mit diesem, mit jenem, und alle Varianten sehr süß.
Was man außer Waffeln noch kaufen kann, sind Behälter mit 1/4, 1/2, 3/4 oder einem ganzen Kilo Eis. Dann kann man 4 oder 5 Geschmacksrichtungen auswählen, die nebeneinder in einen großen Styroportopf mit Deckel kommen, das große Familieneis zum Mitnehmen. Das habe ich uns heute Abend auch gekauft, mit 5 Sorten war für uns alle was dabei, für die Argentinier auch Dulce de leche granizado. Es ist natürlich teurer als ein Liter industrielles Eis aus dem Supermarkt, aber auch viel leckerer – und viel schöner.
Die Kinder haben sich gegenseitig mit Zitroneneis gefüttert und sind dann, sehr südländisch, gegen elf Uhr fast ohnmächtig vor Müdigkeit, aber protestierend, eingeschlafen. Wir haben dann noch Geschenke und Briefe für ihre Lieben in Deutschland entgegengenommen, wer über den Atlantik reist, muss immer ein bisschen Yerba mitbringen, oder eine bestimmte Zeitung, Süßigkeiten, Fotos.
Nun sind unsere Freunde weg, das Eis leer und eine weitere Tasche gepackt. Morgen kommt Teil 4 des Abschieds, die hiesige Oma, oh weh. Morgen Abend fliegen wir dann – ich werde aber noch etwas für Tag 40 schreiben und zu Hause dann noch mindestens zwei Foto-Serien bloggen, die sich die letzten Tage nicht laden ließen. Wenigstens die Tango-Serie und die Arbeit-auf-der-Straße-Bilder versuche ich dann noch zu zeigen.
Abschiedsworte gibt es dann morgen an dieser Stelle, nun mache ich nur den Ventilator aus und gehe noch einmal schlafen in Buenos Aires.