Bitte nicht stören!

Letzter Tag im Semester, Klausuraufsicht. An der Tür ein großes, farbiges Schild: „PRÜFUNG! Bitte nicht stören!!“ Gut 40 gebeugte Köpfe. Schreibende Hände, streichende Hände, rote Wangen. Mehr Papier, bitte. Blättern im Wörterbuch. Der junge Mann in der Ecke überprüft, ob auf seinem Unterarm etwas Brauchbares notiert ist. Wie lange noch?
Noch 10 Minuten.
Einige geben ab.
Noch 5 Minuten.
Die Tür geht auf, eine ältere Dame mit blauer Handtasche und blauem Hut kommt herein.
Ich gucke sie an.
„Wer zur Prüfung kommt, muss mitschreiben. Wir sind hier noch nicht fertig.“
„Hm?“
Sie stellt ihre Handtasche auf einen der Tische in der ersten Reihe, direkt neben den Prüfungsbogen der dort sitzenden Studentin. Mallorca-Gefühle.
„Bitte warten Sie draußen! Wir schreiben hier eine Prüfung und sind noch nicht fertig!“
„Ach?“
Hinter ihr drängen weitere silberhaarige Herrschaften in den Raum.
„Bitte. warten. Sie. draußen.“
„Ah. Aber meine Tasche, die kann ich doch schon mal hierlassen, ja?“
„Äh? Ja. Aber! Verlassen Sie bitte den Raum und warten Sie draußen! Jetzt! Alle! Und machen Sie die Tür wieder zu! Wir haben hier Prüfung!“
Die älteren Damen und Herren raffen – mit Ausnahme der blauen Handtasche für den guten Platz gleich – ihr Zeug zusammen und begeben sich umständlich wieder zur Tür heraus. Tür zu.
Keiner schreibt mehr, alle gucken mich an, einige lachen. „Universität des dritten Lebensalters. Die haben es immer so eilig.“ Dann beugen sie sich wieder über ihre Bögen.
Noch 3 Minuten.

Gefahr

„Mami, guck mal, ich bin ein Indianer und schleich mich hier so an. Ich bin ein Taschenindianer, weil an meinem Stirnschmuck eine Tasche hängt! Wo wohnen Indianer?“
„In Amerika.“
„Oh. Da wo Obama ist?“
„Ja, genau.“
„Obama ist nämlich ein Präsident. Ein Präsident in Amerika. Dann muss der Obama aber aufpassen! Indianer sind doch gefährlich! Sonst kommen die mit ihren Pfeilen und schießen ihn ab!“

Was wirklich zählt

[Fragen]
Manchmal hat das Kind ja eine Frage. Nachdem wir am Wochenende im Tierpark waren, wissen wir nun endlich auch, was Nuno eigentlich für ein Tier ist:

Es ist ein Vielfrag!

[Reden]
Nach dem letzten Beitrag wurde ich verschiedentlich gefragt (Ihr tut es also auch!), ob das Kind eigentlich nur Fragen stellt, oder ob es sonst auch noch zu etwas kommt am Tag. (Das Kind oder wir?) Natürlich stellt es nicht nur Fragen. Wenn Nuno gerade nicht fragt, erzählt er etwas. Wenn er sich die Welt nicht gerade erklären lässt („Mami, was weißt Du über Forellen? Ich möchte, dass Du mir alles darüber erklärst“), erklärt er die Welt selbst, zum Beispiel am Luchs-Freigehege im Tierpark, wo ein Luchs leise fauchend auf und ab strich. „Ich glaube ich weiß, warum der Luchs so röchelt. Wahrscheinlich raucht er, wenn die Menschen nicht da sind.“
Wenn er nichts zu fragen, nichts zu erzählen und nichts zu erklären hat, singt er oder reimt, erfindet neue Reimwörte, singt Reime oder zählt einfach, auf Deutsch oder auf Spanisch oder rückwärts.
Heute hat er sich für den nächsten Urlaub am Meer eine Taucherbrille, „Watscheln“ (also Flossen) und einen Schnorchel gewünscht. „Diesen Schlauch brauche ich auch! Den kann man in den Mund stecken, und damit kann man dann nämlich unter Wasser reden! So einen will ich haben.“
Andere möchten zunächst einmal atmen können, Nuno möchte unter Wasser reden. First things first. Wenn demnächst Fische ohnmächtig an der Wasseroberfläche treiben, wissen Sie bescheid.