Kinder

Wenn das deutsche Durchschnittspaar 1,4 Kinder hat, heißt das wohl – da ich wenig knapp halbe Kinder kenne und auf dem Spielplatz vorwiegend entzückende Geschwisterpärchen zu beobachten sind, erst ein rosa, dann ein blaues Kind, oder umgekehrt, und wenige mit zwei oder mehr Geschwistern -, dass es sehr viele Einzelkinder gibt. Ich bin mit einem solchen verheiratet, das allerdings aus einem Land kommt, in dem ein Einzelkind ein naher Verwandter des Einhorns sein muss, zumindest was die Verbreitung angeht, und so richtig geplant war das wohl auch nicht. Er meint, das sei nicht schlimm, er hätte niemanden vermisst, aber so wie er sich um seine Freunde kümmert, ein Hütehund, der die Herde zusammenhält, so wie er sich in seine Ersatzfamilien integriert hat mit seinen Leihbrüdern, so denke ich doch, hätte er sie gehabt, den Bruder, die Schwester, er wüsste schon, was ihm fehlt.
Seine Mutter ist dafür die Jüngste von zwölf, und ein Glück, dass die Eltern so lange ausgehalten haben, denn was wäre sonst mit dem Einzelkind an meiner Seite und dem Wesen von 14 cm in meinem Bauch.
Heute waren wir auf einer Beerdigung, und wenn es außer der sowieso oft von mir gehaltenen Plädoyers für Geschwister noch einen guten Grund für mehr als ein Kind gebraucht hätte, dann mag der Anblick der Tochter der Verstorbenen genügt haben, sich Brüder und Schwestern für sein Einzelkind oder sein Erstgeborenes zu wünschen.
Die Frau, der die Trauerfeier galt, war nicht alt, sie lebte seit über 20 Jahren von ihrem Mann getrennt, hatte nach der Trennung damals ihre kleine Tochter mit nach Deutschland genommen und sie hier alleine aufgezogen. Vielleicht wollte sie mehr Kinder haben, aber dann kam die Trennung dazwischen, vielleicht wollte sie auch nur dieses eine, die Herzenstochter, weil es ihr selbst mit sechs Kindern zu Hause viel zu viel war, ich weiß es nicht, ich werde es auch nie erfahren. Gestorben ist sie nun wieder in dem Land, wo ihr Mann lebte und wo das Kind geboren wurde, ihr Herz hat einfach aufgehört zu schlagen, eine Woche, nachdem sie dort noch einmal neu anfangen wollte.
Die Tochter ist jung und schön, enthusiastisch und stark. Und selten habe ich einen Menschen gesehen, der inmitten anderer so alleine war wie diese junge Frau. Die Traueranzeige war nur von ihr unterschrieben, im Gottesdienst sprach der Pastor außer ihrer toten Mutter nur sie mit Namen an, neben ihr saßen wohl die Onkel und Tanten, doch sie ging als erste und allein den Mittelgang der Kapelle hinunter, schluchzend und das Gesicht rotfleckig. Auf dem Vorplatz stand sie mit Abstand zu Familie und Freunden, die sich alle gegenseitig hielten, und erwartete die Kondolenzen, alle umarmten sie, nur sie, denn wer zur Familie gehörte, war dort nicht mehr zu erkennen, zwischendurch stand sie mit hängenden Schultern, allein in der Septembersonne. Mehr als um den frühen Tod der Frau, die beerdigt wurde, habe ich heute um die Einsamkeit ihrer Tochter geweint.

Alles anders, alles neu


Heute ist der 9. September 2008. Ein Dienstag im Altweibersommer.

Oder genau 2 Monate nach der Disputation, siehe oben rechts.
Oder der 16. Elul 5768.
Oder (glaube ich) der 8. Ramadan 1429.
Oder der 28. August 2008 nach dem Julianischen Kalender, und in China ist Jahr der Ratte. Heute ist der Tag nach dem Tag, an dem die Schwalben wegflogen (das tun sie an Mariä Geburt), oder der Namenstag von Sergio und Omar.

Aber wir rechnen jetzt anders. Für uns ist heute vor allem: 15 + 2.


Total uninspiriertes Ersatzbloggen

Ich will ja. Ich hatte auch Ideen. Aber.
Und jetzt, was soll ich jetzt über Olympia bloggen? Kann ich gleich über die WM, oder über Damals.

Statt dessen schreib ich mal wieder von Skype ab.
Heute aber ohne Pointe:

[…]
[02.09.2008 12:11:17] Isabo : sollen wir eingetlich mal wieder bloggen?
[02.09.2008 12:11:22] Isabo : *seufz*
[02.09.2008 12:11:25] Percanta : öh
[02.09.2008 12:11:26] Isabo : total uninspiriert
[02.09.2008 12:11:29] Percanta : was ist bloggen?
[02.09.2008 12:11:37] Isabo : so internettagebuch
[02.09.2008 12:11:41] Isabo : mit katzenbildern
[02.09.2008 12:11:48] Percanta : ist das seriös?
[02.09.2008 12:12:09] Isabo : nee
[02.09.2008 12:12:14] Isabo : total peinliche sache
[02.09.2008 12:12:23] Isabo : für gelangweilte hausfrauen und erfolglose selbstdarsteller
[02.09.2008 12:12:27] Percanta : vielleicht sollt man das gar nicht anfangen
[02.09.2008 12:12:32] Isabo : besser, ne?
[02.09.2008 12:12:33] Percanta : man lernt bestimmt nur komische Leute kennen
[02.09.2008 12:12:37] Isabo : ih!
[02.09.2008 12:12:41] Isabo : wie, in echt, meinst du?
[02.09.2008 12:12:46] Isabo : im wirklich leben?
[02.09.2008 12:12:48] Isabo : leute aus dem internet?
[02.09.2008 12:12:52] Isabo : kann ich mir nicht vorstellen
[02.09.2008 12:12:56] Isabo : das wäre ja total komisch
[02.09.2008 12:12:59] Isabo : geradezu pervers
[02.09.2008 12:13:13] Isabo : das sind doch alle pickelige nerds
[02.09.2008 12:13:13] Percanta : die haben bestimmt alle einen Vogel
[02.09.2008 12:13:19] Isabo : verklemmte und so
[02.09.2008 12:13:28] Isabo : sozialgestört
[02.09.2008 12:13:42] Isabo : die sitzen doch nur dauernd vor dem computer, weil sie mit echten menschen probleme haben.
[…]

Bloggen. Sehr suspekt. Ich denk nochmal drüber nach.
Vielleicht fällt mir dabei was ein.

 

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Jetzt:

Weg von den, nun ja, singenden Männern vor der Kneipe unten (13.20, und sie fangen nicht gerade erst an), raus aus dem komplett eingegipsten Treppenhaus, für einige Tage fort aus dem Binnenland. Jetzt:
Hamburg!
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Metalimerick [4]

Ein gestern im Theater (nach gefühlt 100 Jahren wieder im Theater gewesen) in der Pause gehörter Limerick, der eigentlich natürlich ein lupenreiner Metalimerick ist und in die Galerie des ehrenwerten VHMLH (Verein zur Huldigung des Meta-Limericks, Hamburg) gehört:

There was a young lady of Ireland
Whose limericks never did rhyme.
They start with a word
And are always too short.

Olympische Fragen [1]

* Wieso sind 4 Goldmedaillen doppelt so viel wie 0 Goldmedaillen, ZDF?

* Warum tragen die Beachvolleyballerinnen Rosa, und nicht wie der Rest des Teams Variationen aus Schwarz-Weiß-Rot-Gelb? Zum Trost, weil es keine Ponys mehr für sie gab?

* Warum nehmen die Turmspringer ihre Handtücher mit unter die Dusche?

* Wo liegt eigentlich die kleine Nation Panamerika, aus der die Degenfechterin Jiménez (PAN) kommt, ARD?

Haushaltstipps für Heimkehrer

Ist der kurze Urlaub schon wieder vorbei? Liegt die schönste Zeit des Sommers schon hinter Ihnen? Um die Ferienzustimmung noch ein wenig ins eigene Heim zu verlängern, bedarf es nur weniger Utensilien und kaum Vorbereitung!
Denken Sie einfach daran, vor dem Urlaub den feuchten oder nassen Wischlappen nach unten in den Putzeimer zu knüllen. Lassen Sie den so präparierten Eimer im Badezimmer stehen, schließen Sie am besten die Tür. Wenn Sie nach Hause kommen, wird das Bad so vertraut feucht-modrig riechen wie das dänische Ferienhaus Ihrer Kindheit!
Sie können den Ferieneffekt im eigenen Zuhause noch steigern, wenn Sie direkt nach der Ankunft die Strandtasche im so vorbereiteten Badezimmer ausschütteln, ein wenig Sand kann auch unmittelbar ins Bett appliziert werden. Nutzen Sie außerdem die klammen und sandigen Handtücher aus den Ferien weiter, und die Urlaubsillusion in den eigenen vier Wänden ist perfekt.

Noch mehr Spaß vor unserer Tür

Letzte Nacht keine Zeitungsdiebe, sondern Fahrradzerstörer. Wir haben gerade eine bunte Folge von Flohmarkt der Nachbarn und Sperrmüll vor der Tür, außerdem stehen im Hof und an der Straße die Fahrräder von uns und den anderen Bewohnern, seit uns unser herziger Vermieter verboten hat, sie im Keller aufzubewahren.
Heute Nacht um zwei wurde ich vom hysterischen Gekicher mehrerer Männer unter meinem Fenster wach, dazu rhythmisches Scheppern einer Fahrradklingel. Sie diskutierten kurz darüber, ob besser „dies“ oder „das hier“, lautes Kichern, Krachen und Klirren, Metall auf Metall, dann zerrte einer von ihnen – ich inzwischen am Fenster – ein Fahrrad aus dem Durchgang hervor. Zwei liefen voraus, der dritte trat das Fahrrad voran, das offenbar noch an einer Stelle ein Schloss hatte und sich nicht einfach schieben ließ – Tritt, Scheppern, Quietschen, Tritt, Scheppern, Quietschen, die drei Männer machten sich fast nass vor Lachen, bei jedem Tritt des Dritten gegen das Hinterrad oder Tretlager gingen die ersten weiter in die Knie, lachend und nach Luft schnappend. Das Fahrrad klang entsetzlich. Ich überlegte, was ich tun sollte, doch sie kamen nur ein paar Meter weit, dann rief ein anderer Nachbar aus dem Fenster, er würde die Polizei rufen, sie ließen das Rad mit einem letzten Krachen fallen und rannten laut lachend über den Hof ins Dunkle.
Heute morgen lag das Fahrrad mit verdrehten Rädern und zertretenem Kettenschutz auf dem Weg.
Ich will hier weg.


voll geil


Wir wohnen in der Innenstadt, unsere besprayte, dreckige, beklebte und beschriebene Haustür liegt in einer alten Hofdurchfahrt, die Pennern als Regenschutz dient, guten Bürgern als Müllablage und Hunden als Toilette, und allen Leuten zwischen Innenstadt und Parkhaus als Durchgang. Manchmal, wenn ich – anständig angezogen, nett und adrett – das Haus verlasse oder am Briefkasten stehe, werde ich mit offenem Mund angestaunt. Exemplarisch der Kommentar eines kleinen Mädchens: „Mama, kann man dahinter WOHNEN?!“

Schon, auch wenn Penner, die einem den Keller vollkotzen, geklaute Fahrräder, eine eingetretene Haustür und mit Böllern aufgesprengte Briefkästen nicht nur Freude bereiten.
Unser Schlafzimmer liegt genau über dem Durchgang, und als ich heute Nacht um 4 im Bett lag und hellwach in den sich aufklarenden Himmel schaute, kam unten ein Grüppchen junger Leute vom Feiern zurück, offenbar drei Männer und eine Frau. Die Akustik im Hof ist ausgezeichnet. Sie lachten und redeten, und als sie durch den Durchgang kamen, kommentierte die Frau: „Und hier kann man voll geil Zeitungen klauen!“ Alle lachten, nur einer der Männer meinte, mit wem sie sonst so zusammen sei, er würde eigentlich keine Zeitungen klauen, Gelächter, „voll geil“, sie freute sich wie über eine gute Pilz-Stelle, klar, eine Zeitlang gab es eine ganz gute Auswahl (Süddeutsche, Spiegel, Frankfurter Sonntagszeitung), der Briefkasten draußen, aber schön regengeschützt und so bequem auf dem Weg.
Leider habe ich das gekippte Fenster nicht schnell genug aufbekommen, um ihr meine Wut hinterherzurufen, dass das unsere Zeitungen gewesen seien, dass da tatsächlich Leute wohnen, die übrigens morgens im Schlafanzug auf die Straße laufen, um sich die Frühstücklektüre zu holen und dann kopfschüttelnd in die Wohnung zurückkommen, und dass wir die Sonntagszeitung auch darum nicht mehr abonniert haben, weil wir zu selten was davon hatten, denn mindestens jede zweite Woche hatte sie jemand, der diesen Service voll geil findet, vor uns aus dem Kasten genommen.