Was ich so treibe, läuft gemeinhin unter brotloser Kunst, auch wenn ich selbst keine Kunst produziere, sondern nur Brotlosigkeit im Namen der Wissenschaft. Und der Zweifel nagt durchaus, nicht nur angesichts der sehr kleinen Sprünge, die wir uns leisten können, sondern immer wieder auch wegen der Relevanz dessen, womit man den Tag verbringt und das Leben. Wenn die Familienmitglieder Kindern auf die Welt helfen oder Krebs heilen oder Herzen weiter schlagen lassen, stellt sich die Frage, wem eigentlich damit geholfen ist, dass ich eine Erzählhaltung von einer anderen unterscheiden kann, von ganz allein. Ich bin schon sehr davon überzeugt, dass die Welt außer Brot und Gesundheit auch Kunst und Bildung braucht, dennoch meldet sich die Elsa Brändström in mir immer wieder zu Wort.
Nun träumte mir dies:
Nach einer langen, verworrenen Handlung musste ich mich an hellen Hanfseilen innen in einem Turm hochhangeln. Es war eng, überall lag Kalkstaub, der Weg nach oben war schief und kantig und der Tritt nicht fest. Von unten kamen weitere nach, ich durfte nicht stehenbleiben und steckenbleiben erst recht nicht – diese Angst vor dem Ersticken selbst im Traum noch. Endlich oben angekommen, weitete sich der Raum, glänzender Marmorboden und nur noch wenige Stufe zum Ort, an den ich gelangen sollte. Über diese Stufen waren Seile gespannt, die wie in einem Museum einige Bereiche absperrten, und auf dem Boden standen krumme Metalltrichter herum, die den Weg versperrten. Nach dem engen Aufstieg schienen die letzten Schritte kein Problem darzustellen, doch kaum schob ich zwei der Metalldinger mit dem Fuß zur Seite, kamen darunter in den Boden eingelassene Kontakte zum Vorschein, und in einem hyterischen Alarmheulen traten finster blickende Wachmänner in schwarzen Uniformen aus allen Richtungen auf mich zu. Offensichtlich hatte ich einen schweren Fehler begangen, alle starrten mich an, ich war gefangen und verloren. Meine Bitten um Entschuldigung wurden abgewiesen. Schließlich zeigte ein Oberaufseher mit einem Zeigestock auf mich, eine Chance bekäme ich, und auf ein Fingerschnippsen hin fuhr eine hell schimmernde Tafel aus der Decke herunter. Darauf erschienen vier Verse, daneben als kontextueller Hinweis ein Bild Heines. Wenn ich dieses Gedicht interpretieren könne, sei ich frei, sagte einer der Wachmänner, und nach einem kurzen Blick auf den Text winkte der strenge Chef ab, unlösbar sei die Aufgabe, und verschwand im hinteren Bereich. Dennoch begann ich, die vier Verse nach den Regeln der erlernten Kunst zu analysieren, suchte mit flackerndem Blick Strukturen und Motive, fand eine Verbindung zu Heine, versuchte in einem Akt der Verzweiflung, die Form auf den Inhalt zu beziehen. Als ich die Textanalyse abschloss und den Blick von den Worten auf der Tafel löste, sah ich die Gesichter der Wachleute aufgehellt, sie nickten und traten zurück. Ich hatte bestanden, meinen Fehler auf der Treppe damit ausgebügelt – ich war frei.
Und da soll noch einer sagen, wie lernten in unserem Elfenbeintürmchen nutzloses Wissen.