Medienkompetenz: Ungelöst

Und da wir gerade dabei sind und überall die Nachrufe auf Eduard Zimmermann verlesen, gesendet, online gestellt werden:
Wir haben das früher zu Hause nicht gesehen – oder ich nicht, ob es meine Eltern gesehen habe? Ich glaube kaum. Spät, als ich schon in dieser Stadt und mit diesem Mann zusammen lebte, hatte ich erstmals einen Fernseher, und bin an einem Abend in diese Sendung geraten, der Vorspann lief noch. Gut, dachte ich, „Aktenzeichen XY ungelöst“ ist Fernsehgeschichte, dachte ich, ich kann ja mal sehen, wie das so ist, auch wenn es mich nicht wirklich brennend interessiert.
Es begann direkt mit dem nachgestellten Filmchen, eine Frau nachts allein im Auto, etwas auf der Rückbank, grünes Licht, am Ende war das Auto gegen einen Baum gefahren und die junge Frau tot. Sie begannen den Fall aufzuwickeln, was hatte die Frau abgelenkt? War jemand auf der Rückbank? Und wer? Die raunende Stimme und das grüne Licht haben mich etwas erstaunt, aber völlig verwirrt war ich, als sie begannen, das Eingreifen von Aliens in Betracht zu ziehen. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört, aber nein! Aliens. Es wurde pseudowissenschaftlich erklärt, alle Spuren schienen darauf hinzudeuten, dass diese junge Frau leider ein Opfer von, nun ja, Aliens geworden war.
Die andere junge Frau vor dem Bildschirm war erschüttert. Ich hatte das für eine stockbiedere, aber irgendwo doch ehrwürdige Sendung der deutschen Fernsehgeschichte gehalten! Mit Hornbrille und Akten und zutiefst ernsthaftem Bemühen, echte Kriminalfälle aufzuklären. Irritiert und empört habe ich die Kiste ausgeschaltet, bevor Eduard Zimmermann überhaupt selbst das Wort ergriffen hätte.
Später habe ich erfahren, dass es sich bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ und „Akte X“ um unterschiedliche Sendungen handelte und Eduard Zimmermann nur in der ersten auftrat.

Haustürgeschäfte

Das Baby ist gerade eingeschlafen, als es klingelt. Ich hechte zur Gegensprechanlage, „ja?“
„Guten Tag, ich hab hier einen Katalog für Sie.“ Im Moment bekomme ich eine ganze Menge Kataloge, die zwar eigentlich alle in den Briefkasten passen, aber vielleicht ist der schon oder noch voll. Ich sage dem Boten, dass ich ans Fenster komme, er solle kurz warten. Das Fenster zum Hof ist meine private Abkürzung für alle Post- und Paketboten, aus dem Erdgeschoss kann ich durch dieses Fenster alles entgegennehmen und unterschreiben, muss dafür aber nicht einen U-Turn durchs halbe Gebäude bis zur Haustür machen und habe ein Ohr in der Wohnung. Der freundliche Paketmann steht inzwischen immer schon direkt am Fenster, nachdem er mich herangeklingelt hat.
„Firma Schneeflocke*“, sagt der Mann vor dem Fenster, als er mich dort gefunden hat, „wir haben hier einen Katalog für Sie.“ Ich habe den nicht bestellt und verstehe nicht, warum er ihn nicht einfach in den Kasten geworfen hat, nehme ihn aber, sage artig Danke und Tschüss und will das Fenster wieder schließen. „Wenn Sie sich den Katalog in Ruhe angeschaut haben, möchten wir Sie gerne anrufen, um Ihre Bestellung aufzunehmen“, sagt der Mann schnell, und ich verstehe das Prinzip. „Dürfen wir Sie anrufen?“ Eigentlich nicht, denke ich, kein Bedarf an telefonisch georderter Tiefkühlkost, aber es überrollt mich eine kleine Welle der Sentimentalität, da meine Mimi von dieser Firma beliefert wurde (oder vielleicht auch nur belagert, ich weiß es nicht, jedenfalls kenne ich diese Marke von ihr), und ich sage „okay.“ „Sie sind….“, der Mann fährt mit dem Zeigefinger auf den Klingelschildern entlang, „Frau Müller?“ Dieser Moment war fast schon zu lang, die Sentimentalität lässt merklich nach und ich würde ihm den Katalog gerne einfach zurückgeben, sage dennoch „nein, Frau Percanta…“, was er notiert. „Wann erreichen wir Sie am besten?“, er ist jetzt sehr beflissen. Zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh, will ich sagen, biete aber ein „vormittags?“ an. Er kreuzt „Vormittag“ an, dann brauche er bitte noch meine Telefonnummer. Ungern, aber diese Sentimentalitätswelle hat irgendwie die Rückzugsmöglichkeiten abgeschnitten; das scheint es zu sein, das Mittel der Kundenbindung: Bringt die Produkte an die Frau, die sie von der Großmutter kennt. „Ja?“, sagt er, „die Telefonnummer?“
„1 1 2 3 3 4 5**“, sage ich. Er wiederholt beim Notieren: „1 2 3…“ .“1 1 2″ korrigiere ich, und er echot „1 1 2“, ich: „3 3“, er „3 3“, ich „4 5“, er „3 4 5“.
„Frau Perkanta, x Vormittags, 1 2 3 1 1 2 3 3 3 4 5“ steht nun auf seinem Formular. „Sie müssen noch unterschreiben, dass Sie einverstanden sind mit unseren Anrufen“, erklärt er und reicht mir den Block ans Fensterbrett. Ich werfe einen kurzen Blick auf den Zahlensalat und meinen Namen, schaue ihm dann fest in die Augen und unterschreibe.
Er gibt mir den Durchschlag, hatte aber möglicherweise kein Kohlepapier zwischengelegt, lesbar ist jedenfalls nichts. „Wir rufen Sie dann an“, sagt er. „In Ordnung“, sage ich, lächele, wünsche noch einen schönen Tag und schließe das Fenster. Kurz bevor ich wieder in der Wohnung bin, höre ich ihn an der Gegensprechanlage „Herr Müller? Guten Tag, ich hätte hier einen Katalog für Sie.“ Herr Müller dankt, sie kaufen nichts.
Ich frage mich nun, ob der Grundsatz der Sittenwidrigkeit von Haustürgeschäften auch für Fensterrahmengeschäfte gilt. Und warte auf den Anruf der Firma Schneeflocke.

* für dieses Blog leicht chiffriert.
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für dieses Blog leicht chiffriert.

Zurück ins Regal [5]

Dieses „Zurück ins Regal“ ist ein Skandal. Seit ich vier bin habe ich nicht so wenig gelesen wie in diesem Jahr, in dem ich darüber schreibe. Geschrieben habe ich über meine Bücher zwar auch letztes Jahr, aber anders, und das Ergebnis wartet auch noch auf seine Publikation. Noch so ein Punkt auf der ganz großen To-Do-Liste. Dennoch wirft die [5] da oben ein womöglich noch schlechteres Licht auf mich, als es tatsächlich sein müsste. Denn ich habe nicht nur [fast] nicht gelesen, ich habe außerdem nicht darüber geschrieben. Jetzt also in schneller Folge die erbärmlich wenigen Bücher der letzten Zeit.
Das hier wird Sie interessieren:

Hartmut Stenzel: Einführung in die spanische Literaturwissenschaft. 2. Auflage, Stuttgart / Weimar: Metzler 2005. 280 Seiten.


Wir hatten einige Hoffnungen darauf gesetzt, nachdem wir vorher meist mit Einführungen in die Germanistik jongliert und die historischen Befunde und die Terminologie und die Genre-Besonderheiten für unser Fach nebenher zugefüttert hatten. Knapp gesagt: Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Schön ist, dass Narrativik, Drama und Lyrik vorkommen. Einiges ist aber nicht ganz sauber und bleibt wolkig, besonders im 1. Teil „Allgemeine Fragen: Literatur und Literaturwissenschaft“; an Einzelstellen, besonders bei der Analyse von Prosa, werden die Wolken zu Fehlern. Schön und geradezu bestechend ist auch die Idee, eine Literaturgeschichte direkt in die Einführung zu integrieren und den Theorieteil mit Beispielen aus Texten, die hinten in der Literaturgeschichte kontextuell verortet werden, zu verbinden. Schade nur, dass diese Verknüpfung nicht funktioniert. Es gibt einige Verweise zwischen Theorie und Textbeispielen, wo man über ein „hm“ oder „ach so?“ nicht wirklich hinauskommt. Bestenfalls. Das ist vielleicht die größte Enttäuschung. Und da der Literaturgeschichtsteil nicht wie erhofft direkt für den Theorie- und Analyseteil verwendet werden kann, fällt die für diese Verknüpfung in Kauf genommene Schmalheit des Analyseteils doch wieder ins Gewicht. 40 Seiten Anleitung zur „Analyse und Interpretation“ (von 280 gesamt) scheint mir dann arg wenig zu sein.

Wir müssen wohl doch selbst ran.
Die Einführung in die spanische Literaturwissenschaft steht jetzt zwischen J. Schulte-Sasse / R. Werner: Einführung in die Literaturwissenschaft und Heinz Ludwig Arnold / Heinrich Detering (Hg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft im kleinen Regal am Schreibtisch. Für ungefähr zwei Wochen, dann gehts von vorne los.

Those where these days

Und da sagt er „Ich hab da mal ein kleine Programm geschrieben.“
Und das hat er wirklich! Irgendwas mit Schnittstelle und alles und html und kann man rauslesen und morgen Tabelle und „sortieren?“, klar, auch sortieren.
Wenn ich mit Malte rede fühlt sich das ein bisschen an wie der alberne Versuch, die eigene Beeindruckung zu übesrs

Papier

Fünf Tage vor der Taufe, bei der wir lauter Besuch bekommen und im Arbeitszimmer ein Teil des Buffets aufgebaut werden soll, sortiere ich endlich und jetzt aber wirklich die Papierstapel, die seit dem Einzug um den Schreibtisch herum und vor den Regalen liegen. Beim letzten Versuch, diese Stapel zu entstapeln und wegzuräumen, hatte ich sie gerade komplett auf dem Fußboden ausgebreitet, nur um am Abend mit Blasensprung ins Krankenhaus zu gehen. Mann, Brüder und Eltern haben dann alles zusammengeschoben (und Regalbretter angedübelt und das Babybett aufgebaut), während ich weg war, und seitdem liegen sie da, es ist erstaunlicherweise nichts dazu gekommen außer Staub, aber abgetragen habe ich auch nichts. Aber! jetzt!
Und ich schmeiße weg. Das ist wirklich nicht meine Stärke, aber jetzt trenne ich mich.
Von den Unterlagen Proseminar II Mediävistik.
Von Fragebögen an Studenten meines Gastseminars.
Vom Angebot für eine Hausratsversicherung für die drittletzte Wohnung.
Von Klausuren für meine peruanischen Schüler.
Von der Immatrikulationsbescheinigung 2. Semester.
Von all den erfolglosen Bewerbungen um Preise und Stipendien. Und den Antworten.
Von den Passiv-Arbeitsblättern.
Von der Mahnung, Bücher bis zum 24.10.1999 zurückzugeben.
Vom Konzept des seit vier Jahren gedruckten Aufsatzes.
Von den Notizen für die Mündliche.
Von den Fahnen.
Vom Kinoprogramm August 2007.
Von den PIN- und TAN-Nummern des Studentenausweises.
Von den Korrekturfassungen der Magisterarbeit.
Ich trenne mich! Dabei sind manche Dinge sogar jünger als 10 Jahre.

Ich bin schuld an der Abholzung des Regenwaldes, ich allein.
Aber ich hebe ihn wenigstens auf!

Mi ping de Müng

Zwar habe ich mich einmal nachsichtig gegenüber Mückenstichen geäußert, denn das Kratzen an Quaddeln und das kreuzförmige Eindrücken der Nägel in die juckenden Stellen – weil man ja nicht kratzen soll – und Löwenzahnmilch oder Spucke auf den Beulen, all das sei nun mal Teil des großartigen Sommers.
Aber.
Allein auf dem linken Schienenbein 36 Stiche, davon 29 eitrig entzündet, davon 8 schwer. Das ist nicht mehr lustig.
Ich sehe aus, als wäre ich nachts durch Nato-Stacheldraht gestolpert.