Geographie

Zu Besuch bei meinem Patenkind Ja (2) und großem Bruder Ju (3, oder, wie er sagt: „ich bin drei und ich bin größer und stärker“). Ja lässt eine Legolok um den Teppich herum fahren, auch Ju spielt mit seiner Eisenbahn, schiebt Waggons und verlegt Schienen, „bis nach Südamerika!“ Wir staunen, das sei aber weit, und es sei ganz schön viel Wasser auf dem Weg nach Südamerika. Ach, das mache nichts, dafür würde er eine Brücke bauen, eine ganz lange Brücke, einfach. Aber wo noch mal Argentinien sei? Komm, wir suchen auf dem Ball.
Ich habe ihnen, da sie schon immer sehr interessiert an Ländern und deren Lage sind, einmal einen Ball geschenkt, der auch als schlichter Globus funktioniert, den nehmen wir uns vor und suchen. Das Gelbe hier ist Brasilien, und da unten, das lange grüne Land, das ist Argentinien. Wir fliegen über das Meer und an Afrika vorbei über Spanien zurück nach Deutschland, „wo ist Berlin?“
Ja kommt dazu, wirft sich über uns, „Tiefel! Wo ist der Tiefel?“, und wir suchen Italien, was aber von vielen Tritten furchtbar zerkratzt im Mittelmeer liegt und dessen markante Form kaum mehr zu erkennen ist. Ju schlägt vor, nochmal auf dem großen Weltkarten-Puzzle zu suchen. Das ist ziemlich großartig, die ganze Welt, politisch und beschriftet, auf einem großen Schaumstoff-Puzzle. Wir knien zu fünft vor der zerlegten Erde, Wasser, Wasser, Wasser, die Inseln gehören irgendwo in die asiatische Ecke, ich habe ein Stück Russland, Ju probiert sein wasserblaues Eckstück an allen Kontinenten aus, Argentinien ist dieses Mal rot, Ja legt Mitteleuropa in die Antarktis, gar nicht so einfach alles, wie sieht eigentlich Indonesien aus und auf welcher Höhe liegt es. Wir finden Spanien, da wart Ihr im Sommer, wir finden die USA, da wohnen sie bald, das sprechen wir lieber nicht an, wir finden endlich auch den Stiefel, gelb und prächtig und sehr stiefelig. „Aber wo“, fragt Ju, „wo ist denn eigentlich Lummerland?“
Ich bin nicht sicher, wo man die Heimat von Emma und Lukas suchen soll, der dazukommende Vater meint, in der Nähe von China könnte sein, denn da fahren sie ja hin, es muss irgendwie erreichbar sein mit einer alten Lok. Ja ist plötzlich ein „Halbdrache, böße, ganz böße“, der aber dennoch ganz friedlich weiter Mexiko in den Nahen Osten quetscht, nur Ju wird zunehmen unruhig, weil Lummerland einfach nicht zu finden ist. Schließlich liegt alles, wie wir Großen es für richtig halten, fast alles: Ein Teil fehlt. Im westlichen Pazifik fehlt ein Stück, liegt weder unter dem Teppich noch in der Spielzeugkiste, ist nicht in der Tüte und auch nicht unter dem Sofa. Ein Stück im Wasser, dort hinter China. Dann sind wir sicher: Das ist die Erklärung, warum wir zwischen all den anderen Ländern Lummerland nicht finden konnten, dort wird sie wohl liegen, im fernen Blau, die Insel mit zwei Bergen.

Letztes Mal Klugscheißen 2009

1. Dieser Tag heute heißt übrigens Silvester, nicht Sylvester.
Und Sylvester ist auch keine hübsche oder putzige alte Form wie „Photo“ oder „seyn“, sondern offenbar am englischen Vornamen Sylvester (wie Stallone) orientiert, während Papst Silvester I., der Namensgeber für den 31.12. war, seinen Todestag im Jahr 335, auch damals schon mit „i“ geschrieben wurde.

2. Das Jahrzehnt ist erst in einem Jahr zu Ende.

Die üblichen Fragen an die üblichen Verdächtigen

Zugenommen oder abgenommen?
Die ersten fünf Wochen zu, dann ab. Ziemlich.


Haare länger oder kürzer?

Gesamtlänge ähnlich. Aber ich habe nun einmal rund um den Haaransatz einen kleinen Still-Pony. Mit Eulen-Fransen hinter den Ohren und im Nacken. Dort überall sind die Haare erst ausgefallen und dann ab Spätsommer wieder nachgewachsen, und nun habe ich dort so etwa 5cm lange Fransen, die ziemlich merkwürdig aussehen.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Nachgemessen: ein Auge gleich, das andere 0,25 Dioptrien kurzsichtiger.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Deutlich weniger für CDs. Deutlich mehr für Windeln.

Der hirnrissigste Plan?
Gleich nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehen. War aber auch ein guter Plan, andererseits.

Die gefährlichste Unternehmung?
Vermutlich die Geburt. Auch wenn ich bei diesem komischen Schneewetter nicht mit Blasensprung mit dem Fahrrad in den Kreißsaal gefahren bin, sondern nur bis nach Hause und mich von dort aus habe fahren lassen.

Der beste Sex?
Über sowas sprech ich nicht so gerne. Hatten aber vermutlich die anderen.

Die teuerste Anschaffung?
Direkt das Konto belastend: Zweieinhalb Flugtickets für nächstes Jahr nach Buenos Aires.
Wegen der Folgekosten: Baby B.

Das leckerste Essen?
Insgesamt eher unspektakulär. Sehr lecker jedenfalls: Freundin A.s Nudelsalat mit getrockneten Tomaten und Pinienkernen.

Das beeindruckendste Buch?
Viel zu wenig gelesen, viel zu wenig. Das schwierigste, aber auch beeindruckendste Buch dieses Jahr vermutlich: Juan Goytisolo, Señas de identidad. Blogeintrag dazu steht noch aus, seit einem halben Jahr.

Der ergreifendste Film?
Ich war dieses Jahr nicht (gar nicht) im Kino. Wah. Im Jahr davor waren es „No country for old men“ und „Funny games“. Einen wirklich ergreifenden Film habe ich dieses Jahr nicht gesehen, glaube ich.

Die beste CD?
Ich habe nur wenige CDs gekauft oder geschenkt bekommen dieses Jahr. Am meisten gehört habe ich verschiedene Aufnahmen vom Stück der folgenden Frage, Monteverdi: Marienvesper.

Das schönste Konzert?
Monteverdi: Marienvesper. Im Januar selbst gesungen. Wunderbares Bad in Musik.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Baby B. (Direkt gefolgt von Hausarbeitenkorrekturen, gefühlt.)

Die schönste Zeit verbracht mit…?
Baby B.

Vorherrschendes Gefühl 2009?
Das Gefühl, den einzigartigen Moment festhalten zu wollen. (Und das Gefühl, dass manche Momente dann doch zu lang sind, zum Beispiel die nachts zwischen 3 und 5, wenn die Zahnfee gerade Zähnchen bringt.) Glück. Wehmut. Überlaufende Tränen.

2009 zum ersten Mal getan?
Im Krankenhaus übernachtet. Ein Kind bekommen. Einen 3-Jahres-Vertrag unterschrieben.

2009 nach langer Zeit wieder getan?
Auf eine Nordseeinsel gefahren.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Diese Abende allein mit dem Blues.
Drei Infektionen und eine falsche Behandlung.
Der Um- und Wegzug einer weiteren Freundin.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass beide-in-Teilzeit und beide-beim-Baby die beste Lösung ist.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Naja, geschenkt. Aber im weiteren Sinne, uns allen: Baby B.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Baby B.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
„Guten Morgen, Mutti.“
„Mamamam.“
„Ich wollte Sie fragen, ob Sie noch möchten.“
„Oh ja, furchtbar gern.“

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Vielleicht: „Er ist gesund, es geht ihm gut, es ist alles in Ordnung.“

2009 war mit einem Wort…?
Ganz offensichtlich: Baby B.

Was ich gerade

Mal wieder ein Stöckchen, mitgenommen von der Kaltmamsell. Scheint keinen richtigen Namen zu haben, aber bei Coolcat heißt es „some dramatic details on the rock’n’roll lifestyle of… uhm, me.“ Genau.

Sechs Namen, auf die du hörst
1. Percanta
2. klassische weibliche Vornamen mit 3 oder mehr Silben
3. Frau und irgendeine Kombination aus Bestandteilen meines Nachnamens
4. Fiepe
4. Amor
5. Schwesti
6. Mamamam

Drei Dinge, die du gerade trägst
1. schlammfarbener Strickmantel
2. in sich gemustertes Goldkettchen von meiner Mutter
3. es. Mit Fassung.

Drei Dinge, die du dir wünscht
1. Zeit
2. gute Haut
3. mehr Brun@s resp. Artverwandte

Drei Dinge, die du gestern, gestern Nacht und heute getan hast.
[meint dieses „und“ hier wirklich UND? Also sowohl gestern als auch gestern Nacht als auch heute? Ich les es mal so]
1. Kind herumtragen
2. Haare zusammentüddeln
3. auf den Wecker gucken und gleich wieder vergessen, wie spät es war

Zwei Dinge, die du heute gegessen hast
1. Birne
2. Schokolade

Zwei Leute, mit denen du zuletzt telefoniert hast
1. Mutti
2. Freundin A.

Zwei Dinge, die du morgen tun wirst
1. Lateinamerikanische Lyrik des 20. Jahrhunderts unterrichten
2. Bananen zermatschen

Drei Lieblingsgetränke
1. schwarzer Tee
2. dieser Veitshöchheimer Wein
3. Campari O (wenn ich mich recht erinnere)

Jetzt noch mehr Zustellservice

Wie wir uns erinnern, hatte ich rekonstruiert, dass der GLS-Fahrer ein Paket für Frau Percanta in der 321 abliefern sollte, es dann bei Frau Creuz* in der 317 abgegeben und dem Hausmeister irgendeiner Schule in der Nähe einen Zettel in den Briefkasten geworfen hat, dass das Paket bei Kreutz in der 319 sei. So weit war ich am Samstag nach Gesprächen mit einer Frau Schiller beim Versand (telefonisch), Frau Schmuhl aus der 319 und schließlich Frau Creuz aus der 317.
Am Montag bin ich also in die Astrid-Lindgren-Schule, die erste der vier Schulen in unserer Straße gegangen und hatte vielfaches Glück: Da es sich um eine Schule für körperbehinderte Kinder handelt, war alles barriefrei und somit auch für Kinderwagen zu erreichen. Gleich im Rollstuhl-Reparatur-Raum hinter dem Eingangsbereich fand ich außerdem einen Lehrer, der mir weiterhelfen konnte. „Sie sind das! Ja, das Paket liegt bei uns. Ehrlich gesagt haben wir sie eher erwartet!“ Ich erklärte dann in einer Kurzfassung, dass die Odyssee schon etwas länger dauerte und ich durchaus früher gekommen wäre und meinen Krempel abgeholt hätte, wenn ich nur! hätte ich nur! einen Hinweis! wenn ich nur gewusst hätte. Im Sekretariat stand es dann tatsächlich: Das Paket. Ein hoffnungsfroher Mensch hatte einen grünen Zettel angeklebt. „Paket wird abgeholt!“ Der Lehrer vertraute den Karton Baby B. an, ich bat nochmal um Entschuldigung, dass es so lange gedauert hatte, alle waren sehr nett und fröhlich und wir machten uns mit der Beute unserer Schnitzeljagd auf den Heimweg.
Zu Hause inspizierte ich zunächst den Benachrichtungszettel, den der Hausmeister der Schule bekommen hatte. Dort steht – bitte memorieren Sie die bisherigen Informationen zum Verbleib des Pakets – folgendes:

„Sehr geehrte/r Frau/Herr Dr. Lindgren Schule
wir haben heute versucht, eine Sendung zu Ihnen zuzustellen/abzuholen, Sie aber nicht angetroffen.
Versender: Lindgren Schule
Bemerkungen: bei Schmuhl abh. Nr. 317.“


Äh.
Schmuhl wohnt in 319, das Paket war wie angegeben in 317, aber bei Creuz, und Kreutz stand wiederum (allerdings in Kombination mit 319) auf dem Online-Benachrichtungszettel.
Und wie kommt er darauf, dass „Dr. Percanta“ gleich „Astrid-Lindgren-Schule“ ist und dass Herr/Frau Lindgren-Schule einen Doktortitel hat und außerdem gleichzeitig Empfänger und und Versender der Ware ist?
Man weiß es nicht.
Schön war dann noch der Moment, als ich das Paket auspackte, und der passend zu unserem tomatenroten Wagen bestellte Fußsack wunderhübch bordeaux war. Ein Anblick, scheußlich und gemein. (Farbauswahl war „rot“, „orange“, „olive“, „braun“, anscheinend waren sie sich bei Rot allerdings nicht einig.)
Also rief ich mal wieder Frau Schiller an, löste ihr zunächst das Paketsuchspiel auf und reklamierte dann die Ware. Sie würden die Waren selbstverständlich zurücknehmen und den Preis erstatten, sagte sie, fing dann aber leicht hysterisch an zu lachen: Allerdings würden die Rücksendungen von GLS abgeholt.
Da sie selbst es für keine gute Idee hielt, den Fahrer nochmal zu uns (und zu Frau Schmuhl, Frau Creuz, dem Hausmeister und Dr. Lindgren Schule) zu schicken, hat sie mir angeboten, ihr das Paket „irgendwie“ zurückzuschicken, sie würden uns alles erstatten. Das machen wir jetzt.
Übrigens suchen wir nun ein Gitterbett. Wir haben im Internet auch eins gefunden, was uns gefällt. Versandkosten sind im Preis inklusive und man kann per Überweisung zahlen. Die Ware wird mit GLS versandt.
Fährt zufällig bald jemand mit einem großen Auto von Bayern nach Norddeutschland?

*Die Namen sind wie immer baugleich, aber leicht abgewandelt.

Papier

Fünf Tage vor der Taufe, bei der wir lauter Besuch bekommen und im Arbeitszimmer ein Teil des Buffets aufgebaut werden soll, sortiere ich endlich und jetzt aber wirklich die Papierstapel, die seit dem Einzug um den Schreibtisch herum und vor den Regalen liegen. Beim letzten Versuch, diese Stapel zu entstapeln und wegzuräumen, hatte ich sie gerade komplett auf dem Fußboden ausgebreitet, nur um am Abend mit Blasensprung ins Krankenhaus zu gehen. Mann, Brüder und Eltern haben dann alles zusammengeschoben (und Regalbretter angedübelt und das Babybett aufgebaut), während ich weg war, und seitdem liegen sie da, es ist erstaunlicherweise nichts dazu gekommen außer Staub, aber abgetragen habe ich auch nichts. Aber! jetzt!
Und ich schmeiße weg. Das ist wirklich nicht meine Stärke, aber jetzt trenne ich mich.
Von den Unterlagen Proseminar II Mediävistik.
Von Fragebögen an Studenten meines Gastseminars.
Vom Angebot für eine Hausratsversicherung für die drittletzte Wohnung.
Von Klausuren für meine peruanischen Schüler.
Von der Immatrikulationsbescheinigung 2. Semester.
Von all den erfolglosen Bewerbungen um Preise und Stipendien. Und den Antworten.
Von den Passiv-Arbeitsblättern.
Von der Mahnung, Bücher bis zum 24.10.1999 zurückzugeben.
Vom Konzept des seit vier Jahren gedruckten Aufsatzes.
Von den Notizen für die Mündliche.
Von den Fahnen.
Vom Kinoprogramm August 2007.
Von den PIN- und TAN-Nummern des Studentenausweises.
Von den Korrekturfassungen der Magisterarbeit.
Ich trenne mich! Dabei sind manche Dinge sogar jünger als 10 Jahre.

Ich bin schuld an der Abholzung des Regenwaldes, ich allein.
Aber ich hebe ihn wenigstens auf!

Hals und Bein

„Mast- und Schotbruch“ sagen die Segler, bevor sie in See stechen, oder sie wünschen sich und dem Boot schon bei der Taufe „allzeit eine gute Fahrt und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“. „Hals- und Beinbruch“ ist vom Schauspieler-Massel-Tov wohl zu einem Wald- und Wiesen-Glück-Wunsch geworden, passt aber doch eigentlich besonders gut zu Chirurgen. Ob sie das einander zurufen, wenn sie in den OP gehen, die behandschuhten und desinfizierten Hände in der Luft, „Hals- und Beinbruch, Herr Kollege“, „Dir auch, Hans“?
Einen hübschen berufsspezifischen Segenswunsch habe ich gestern gehört; nach der letzten Stunde Rückbildungsgymnastik drückte uns die Hebamme und wünschte uns „alles Gute, viel Glück und stets einen festen Beckenboden.“

Und Ihr so?

Gefühlte Nachbarschaft

Anders als in der Blogroll hier unten rechts, die schnöde und sehr diskret nach Alphabet sortiert ist (und alphabetisch sortiert hilft zwar beim Finden, vgl. Lexikon, jede inhaltliche und emotionale Nachbarschaft muss aber Zufall bleiben), gilt für die Lesezeichenliste auf dem Computer genau wie für die Bücher im Regal das Prinzip der gefühlten Nachbarschaft.
Dort stehen Freunde beieinander und ganz oben, die Zeichner bilden ihr Grüppchen, die Plaudertaschen gesellen sich zueinander wie auch die Edelsteinschleifer. Und die Blogger, in die ich mich ein bisschen verliebt habe, stehen auch zusammen.
Jetzt bin ich ganz aufgeregt, weil ich dank Anke das Blog von Saša Stanišić dazuschreiben konnte.
Ich verrate aber nicht, wohin.