Geht so. Nicht.

Also, liebe Linke, natürlich ist Reichtum teilbar. Aber doch bitte VOR dem T!  Reich|tum, der
Ok, reicht|um geht auch, in solchen Sätzen wie: „Der in diesem unseren Lande angesammelte Reich|tum reicht, um davon gut zu leben“. Aber ohne vernünftige Grammatik wird das doch wieder nichts mit der neuen Gesellschaft. 

15. November, Tag des unbekannten Googlers

Gestern war der Tag des unbekannten Googlers hier bei Nic West, hier 2008 bei mir, vorher gibt es „Leser fragen“, aber 2009 und 2010 hab ich vergessen. Also, ganz. Dieses Jahr nur einen Tag.)

In diesem Sinne wieder:
Lieber unbekannter Googler, heute werden Deine Fragen ernsthaft beantwortet und Deine Kommentare kommentiert, heute suchst Du nicht ins Leere hinein, sondern begegnest einem realen Gegenüber. Zuerst bist Du dran, dann wir.

1. berliner brot mit mandeln oder nüssen
Mit Mandeln UND Nüssen! Und Schokostücken.

2. obst buenos aires, märz
Im März ist dort Spätsommer, und Argentinien hat ja klimatisch alles zu bieten. Also dürften Sie dort auch ein sehr breites Spektrum von Obst finden. Dürften Sie, wenn Sie an den richtigen Stellen suchen, zum Beispiel bei peruanischen Obst- und Gemüsehändlern. Die Argentinier („der Argentinier an sich“) hält es eher so, dass er nicht frisst, was er nicht kennt. Er kennt ganz gut Fleisch und Salat (aus Tomaten und Zwiebeln), Pasta und Pizza, und im Bereich Obst: Äpfel, Birnen, Bananen, Weintrauben. Auch im März in Buenos Aires.

3. schrauben
So wie Nägel, aber mit Dauerwelle.

4. wie erhalte ich meine locken unter der mütze
Da fragen Sie die richtige. Aber ich denke, feuchte Luft könnte helfen, darum würde ich es mit einer Nebelmaschine im Mützenfutter versuchen.

5. höflichst bitten synonym
überaus höflich bitte, sehr sehr höflich bitten, extrem höflich bitten, voll höflich so bitten, echt krass höflich bitten.

6. nur kniestrümpfe england winter
Ich würde an Ihrer Stelle etwas mehr anziehen. Ich weiß nicht, wie prüde die Engländer („der Engländer an sich“) sind, aber nur Kniestrümpfe? Ich weiß nicht.

7. steh ich hier im kurzen hemd
Sehen Sie, tun Sie sich mit dem Frager aus 6. zusammen, schon wird fast sowas wie Kleidung draus.

8. zibezi
Sagt die Meise, sagt mein Sohn. (Würde eine Zweitmeinung einholen.)

9. schublade artig knie
Sie haben sich an der Schublade die Knie artig angehauen? Nur artige Knie kommen in die Schublade? Wenn Du nicht artig bist, leg ich die Schublade über’s Knie? Etwas mehr Kontext bitte!

10. hochachtungsvoll steigerung
Reicht doch eigentlich, oder? Ansonsten: Höchstachtungssternhagelvoll.

11. plan blumen
Sehr guter Plan.

12. zimt geschichte
und
13. nuss geschichte
Ich möchte Sie gerne an die einschlägige Vorweihnachtsliteratur verweisen. Vielleicht erbarmt sich auch jemand in den Kommentaren.

14. magischer realismus john irving
Der Magische Realismus ist, wie Sie wissen, eine literarische Strömung, die sich nach Vorläufern in den 1920ern in den 1960er Jahren in Lateinamerika einen Namen gemacht hat. Das wunderbar Wirkliche sollte dabei als natürliches Element in den Alltag integriert sein. Die lateinamerikanischen Vordenker dieser Richtung meinen, dass dieses Denken den Europäern und auch anderen modernen Industrienationen, die Irving vertreten dürfte, nicht mehr möglich sei. Ob ein Bär reicht? Ich glaube nicht. Aber wir können diesen Gedanken gerne weiterspinnen.

15. der vollständig halber
Der Vollständigkeit halber: Der Vollständigkeit halber!
(Suffixe sind auch nur Menschen wie Du und ich!)

16. taufspruch eichhörnchen
Mit Eichhörnchen fällt mir auch keiner ein. Aber ich habe einen sehr schönen mit Einhörnern:

„Aber du, HErr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen! Errette meine Seele vom Schwert, meine einsame von den Hunden! Hilf mir aus dem Rachen des Löwen und errette mich von den Einhörnern. (Psalm 22, 20-22)

Eigentlich ein Grund für ein weiteres Kind.


17. facebook der name enthält zu viele wörter
JA DOCH! ICH WEISS!

18. schöne neologismen
Mein liebster selbstgeschmiedeter Neologismus, gestern angesichts des Wetters, von der Presse schnöde als „Inversionswetterlage mit Industrieschnee“ bezeichnet: Schneebel.

(Extrafrage 19. Percanta fragt: Warum gehen die Links in diesem Post nicht normal?!
Keine Ahnung, ich weiß auch, dass das bescheuert aussieht!)

Vielen Dank, gern geschehen, bist nächstes Jahr im November.

Jahreszeiten

Das mit den Jahreszeiten ist gar nicht so einfach, vor allem nicht, wenn man erst zwei und der letzte Herbst ein halbes Leben her ist. Im Kindergarten sind die Jahreszeiten zwar immer wieder und in liebevoller Ausgestaltung Thema, jetzt zum Beispiel werden Kastanienketten gefädelt, die Kinder erzählen Igelgeschichten und basteln Igel mit Ahorn-Nasen, sie feiern Erntedank, machen eine Kartoffelwoche, bemalen Laternen und lernen Martinslieder. Es ist auch nicht so, dass Zweijährige die Veränderungen in der Natur nicht bemerken würden, und entsprechend sang Baby B ein Laternelied (ein Musterbeispiel des Textefalschverstehen, übrigens) „der Jäger in dem grünen Wald… mit der Tür geknallt… piff puff“ und beschwerte sich dann nicht etwa über die Türen im Wald, sondern fragte kritisch nach, „warum grüner Wald? Warum nicht rot?“ Auch haben wir natürlich morgens regelmäßig Diskussionen darüber, ob er Sandalen anziehen darf (nein) und ob er wirklich einen Schal tragen soll (ja), und thematisieren somit täglich, wie das mit dem Wetter ist. Und dennoch ist diese Sache mit Wetterlage über längere Phasen und wie das mit den Jahreszeiten zusammenhängt nicht ganz zu verstehen.
Heute früh etwa ging Baby B mit seinen neuen Winterschuhen los, stand dann vor der Haustür im ihn umwehenden Laub und bemerkte überaus zufrieden: „Guck, Mami, Wind! Und ich hab neue Windschuhe!“
Und heute Nachmittag ließ er sich einen Luftballon aufblasen, der noch vom Wahlkampf kam; der Slogan „mein Herz schlägt grün“ war in Farbe und Form des Ballons umgesetzt. Nachdenklich drehte er den Herzballon in der Hand. „Der ist der Herbs, Mami? Der ist der Herbs, der macht die Blätter bunter, wirft die Äpfel runter?“

(Unerfreulicher Nachtrag: Leider ist der Herbs 2011 etwas später am 26. Oktober geplatzt, als ein Kleinkind mit ihm hingefallen ist.)

Die Sprache der Blumen

Man soll ja mit Pflanzen sprechen. Ein guter Anfang für eine gelungene Beziehung zu Grünzeug ist bestimmt, sie auf persönlicher Ebene anreden zu können. Namen sind da hilfreich.

Seit Baby B weiß, dass die Pflanze auf dem Balkon eine „Schwarzäugige Susanne“ ist, hat er das Prinzip verstanden. Er übergeneralisiert allerdings ein bisschen und spricht nun alle gelben Blumen gleich an. So kommt er mit dem Lieblings-Süditaliener an den Pflanzen im Treppenhaus vorbei, zeigt auf die Sonnenblume und erklärt: „Heißt Susi.“

Vielleicht kaufen wir jetzt noch ein Fleißiges Lieschen.

Wo

Seine liebste und ständige, hunderttausendfach gestellte Frage ist: „Wo?“
Und meine auch, denn er versteckt Dinge bzw., wie er sagt, er räumt auf. Seit etwa einer Woche suche ich seinen Sonnenhut, erfolglos. (Sachdienliche Hinweise oder wilde Vermutungen werden gerne entgegengenommen.) Durch Zufallsfunde der letzten Tage sind dagegen wieder aufgetaucht:

Die Holzeisenbahn in der geschwungenen Rücklehne des Korbsessels.
Die Memory-Karten zwischen den CDs.
Ein kompletter Satz Würfel in meinen Schuhen.
Das Polizeiauto in der Werkzeugkiste.
Beide Bälle im Flurschränkchen.
Omas Brille ganz hinten beim Nähgarn.
Mein Durchschlag in seiner Küche.
Die Container aus dem Containerschiff im Bücherregal.
Seine Malsachen, der Memorykoffer und die Playmomännchen in meinem Schreibtisch.
Das kleine gelbe Auto in der Waschmaschine.

Zweijährige, die aufräumen, sind eine großartige Vorbereitung auf Alzheimer.

Sommersprossen

Nach einem Wochenende in der Jugendherberge hatte ich das dringende Bedürfnis, Brot aller Arten aus meinem Speiseplan zu streichen. Es wurde ersetzt durch Obst und Joghurt am Morgen, mittags gab es Salat in der Mensa. Das Salatbuffet ist appetitlich, vielfältig und lecker, die Umstellung war kein Verzicht, sondern Genuss, und nach knapp zwei Wochen im Kaninchenmodus fühlte ich mich deutlich besser als vorher. Dann kam Ehec, und die Mensa – wir wohnen immerhin in einem der Bundesländer des Bösen – strich Tag für Tag mehr aus dem Salatangebot. Erst gab es keine spanischen und deutschen Gurken und Tomaten mehr, dann unabhängig von der Herkunft gar keine Blattsalate, Tomaten und Gurken mehr, dann überhaupt nichts, was man nicht vernünftig schälen kann oder was nicht aus der Erde oder aus Dosen kommt. (Wieso man Gurken nicht einfach schält, habe ich mich von Anfang an gefragt, aber gut.) Statt Grünzeug gab es Farbiges, Möhren, Bohnen, Mais waren die neuen Basics, ergänzt um neue Schmankerl, die sonst nicht Teil des Mensaangebots sind, wie jede Menge Sämereien und Sprossen. Über die habe ich mich gefreut und meine Salatteller entsprechend bestückt. Viel Möhren, viele Keimlinge, viele Sprossen.
Die neuesten Entwicklungen entbehren nicht einer gewissen Komik.

Gefunden

Den Nachmittag haben Baby B und ich großen und etwas wilden Garten des Hauses verbracht, trotz des schönen Wetters waren wir ganz allein, nur das Nachbarschaf war auch draußen. Zum ersten Mal seit 2,5 Jahren habe ich ein ganzes Kapitel lesen können, während ich mit Kind unterwegs war, denn er saß zufrieden im Sandkasten, baggerte und schichtete Steine um, stromerte durch unseren und die beiden Nachbargärten und holte sich ab und zu eine Erdbeere ab. Ein bisschen Ballschieß auf der Klee- und Gänseblümchenwiese, dann haben wir dieselben Gänseblümchen gepflückt und – auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin – ihm einen Kranz daraus gebunden. Bei dem vielen Klee musste ich an den Sommer vor nun 3 Jahren denken, da hatte ich mit einem Vorabexemplar meiner Diss auf einem niedrigen Mäuerchen auf dem Campus gesessen und auf meinen Doktorvater gewartet. Um mich herum ein Meer aus Klee, ich zupfte gedankenverloren ein wenig daran herum und fand, kaum suchend, direkt neben mir vier vierblättrige Kleeblätter. Kurz darauf bekam ich die erwünschte Note für meine Doktorarbeit, bestand mit der gleichen Note die Disputation und hielt in der gleichen Woche einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, Baby B. Das vierte vierblättrige Kleeblatt schenkte ich meiner Freundin und Kollegin. Sie hat ihre Habil glänzend bestanden.
Vierblättrigen Klee gibt es bestimmt nur an dieser Stelle vor dem Prüfungsamt, dachte ich heute im Garten, Glücksbringer wachsen dort, wo sie gebraucht werden, und da sind ja leider letztes Jahr die Bagger durchgegangen. Ich beugte mich dennoch zum Kleeteppich unter mir und fand, direkt neben meinem Fuß, ein Vierblättriges. Nur eines.
Jetzt bin ich gespannt.

Alles wird gut

Ein Trennungskind lernt früh, dass nicht alle seine Bezugspersonen immer bei ihm sind. Um Verunsicherungen zu vermeiden, ist zum Beispiel auf einen festen Rhythmus und auf Verlässlichkeit zu achten; bewährte Erklärungen werden wiederholt, um Stabilität zu erzeugen. Bringe ich Baby B. in die Kita, fragt er selbst nach, ob ich ihn abhole, bzw. er fordert es mit festem Blick ein, bevor er juchzend zu den anderen Kindern rennt: „Ab, Mami!“ Wenn ich weggehe, ist die von ihm am besten akzeptierte Erklärung, dass ich an die Uni muss. Geht der Liebste aus dem Haus, geht auch er in die Uni, immer. „Mami Uni. S. auch Uni.“ Wichtig ist dann noch, dass der Fortgehende wiederkommt. „Kommt wieder“, beruhigt er sich und uns. Diese Muster gelten nicht nur für das Kommen und Gehen der Eltern und seinen eigenen Wechsel zwischen zwei Wohnungen und der Kita, sondern auch für alle anderen Lebensbereiche. Wenn wir beispielsweise gemeinsam einkaufen gehen und ich für einen kurzen Augenblick in einem anderen Gang verschwinde, kommentiert er prompt: „Mami Uni.“ „Frau auch Uni?“, fragt er die Dame, die uns auf dem Weg nach Hause entgegenkommt, und wenn Opa abreist, muss auch der in die Uni. Kommt aber wieder.
Gestern standen wir im Bad und leerten gemeinsam sein Töpfchen aus. Baby B. warf Papier ins Klo, spülte selbst und blickte lange in das sich beruhigende Wasser. „Wo AA?“, fragte er dann alarmiert, „wo AA, Mami, AA wo?!“ Man hat nicht immer Nerv zu langen Erklärungen, also speiste ich ihn mit einem knappen „weg“ ab. Er sah mich tröstend an. „Kommt wieder, Mami.“