Guten Morgen, du Vielfrag [10.12.2013]

„Was heißt Kyrie Eleison?“

[Aber auch:
„Was heißt www Punkt de?“
„Wie wachsen Weintrauben ohne Kern?“
„Was heißt züchten?“
„Können wir auch einen Weintraubenbaum pflanzen?“
„Warum kann man hier nicht mit Geld aus Chile bezahlen?“
„Warum haben Wellensittiche Angst, wenn man hinten an ihrem Schwanz langgeht?“
„Sind Omi und Opi verheiratet?“
„Können wir auch mal heiraten?“
„Wer von Euch kommt in den Rollstuhl, wenn Ihr alt seid?“
„Warum werden Leute kleiner, wenn sie älter werden?“
„Denken wir an Gott?“
„Wo ist die 10?“]

Nikolausabend

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Zum ersten Mal im Leben putzt Nuno seine Stiefel. Letztes Jahr haben wir das noch für ihn gemacht, heuer weiß er es aber aus dem Kindergarten, dass man das tun muss am Vorabend vor Nikolaus. Warum eigentlich? Weil der Nikolaus nur saubere Stiefel befüllt?
Er putzt konzentriert, die Zunge zwischen den Zähnen, erzählt, was er vom Nikolaus weiß – der hohe Hut, der schneckenförmige Stab, dass er ein guter Mann war, und dass er noch einen anderen Mann namens Nikolaus kennt – und grübelt und fragt dann.
Warum bringt der Nikolaus Sachen? Warum macht er das nachts? Warum, wenn alle schlafen? Was passiert, wenn er sich doch aus dem Bett schleicht, er möchte doch ein bisschen von seiner Kleidung sehen? Und wie kann er nachts zu allen Kindern? Geht er zu Fuß? Aber ein Esel kann doch gar nicht übers Meer? Wie kommt er dann übers Meer? Aber in einer Nacht kann er es doch nicht zu allen schaffen? Und was ist, wenn er nicht im nahegelegenen Nikolausberger Weg wohnt, sondern weit weg, was wäre dann? Bekommen wirklich alle Kinder etwas? Er ist sehr beeindruckt davon, dass meine Freundin M. in der Grundschule tatsächlich einmal eine Rute bekommen hat. Woher weiß der Nikolaus, wer lieb war? Und warum war diese Freundin nicht lieb? Und woher wusste der Nikolaus das? Und warum eine Rute?!
Dann hört er ganz auf zu putzen und guckt sinnend an die Decke. „Mami, wie kommt der Nikolaus hier eigentlich rein? Und überall?“ Wir überlegen, ob er einfach so durch Türen kommt, oder ob er vielleicht wie die Polizei einen Dietrich hat. „Und wie die Diebe! Mami, dann ist der Nikolaus ein Einbrecher! Und Einbrecher sind nicht gut! Dann ist der Nikolaus auch gar nicht gut, wenn er ein Einbrecher ist! Man darf nicht einfach woanders rein!“
Skeptisch war er ob der Machbarkeit des nächtlichen Unterfangens schon die ganze Zeit, jetzt ist er auch empört. Der Nikolaus, ein Einbrecher.
Schließlich kommt er trotz der rechtlichen Problematik doch nochmal auf die lieben Kinder zurück. Ob er denn lieb gewesen sei? Ich finde schon.
Als er schließlich im Bett liegt und das Licht bereits aus ist, höre ich ihn singen. Später ruft er mich nochmal. „Mami, ich habe dem Nikolaus noch ein Lied gesungen. Dann weiß er, dass ich lieb bin.“ Hoffnung ist stärker als Skepsis.
Jetzt schläft er. Und morgen früh gucken wir, ob es der Nikolaus zu uns in die Wohnung geschafft und Nunos sorgfältig gebürstete Stiefel gefüllt hat.

(Spoiler: Ich war gerade kurz auf dem Flur. Trotz Wind und Wetter sieht es auch dieses Jahr wieder gut aus, der Nikolaus scheint einen sturmerprobten Esel zu haben. Und einen Dietrich.)

Für alle lütten Leckersnuten

Eine der großen örtlichen Bäckereien lädt in der Adventszeit Kindergartengruppen zur Weihnachtsbäckerei in ihre professionelle Backstube ein. Für den Bäcker ist es eine nicht ganz unaufwendige Werbung, für ungefähr alle Kindergartenkinder der Stadt ein großes Vergnügen. Gestern war Nunos Gruppe dran, die 25 Kinder wurden außer von den Erzieherinnen auch von einzelnen Müttern begleitet, die beim Beaufsichtigen helfen (nicht, dass eines der Kinder irgendwann wie die Hexe im raumgroßen Ofen landet, wo 600 Brote Platz haben). Tatsächlich sind die Kinder aber in so einem Umfeld ausgesprochen diszipliniert, sie standen allesamt stundenlang auf umgedrehten Brotkörben als Fußbänke um den riesigen Arbeitstisch herum und werkelten. Wir begleitenden Mütter hatten gar nicht viel zu tun und haben dann eher mal – im Interesse aller späteren Kekse-Esser – Nasen geputzt, den Kleineren beim Ausstechen geholfen oder volle gegen leere Bleche ausgetauscht. Beim sehr ernsthaften Backen unterstützt wurden die Kinder von drei reizenden Profis, die nach dem Advent mit täglicher Kindergartenbäckerei sicher einen keksfreien Tag oder vielleicht wenigstens einen Orden aus Salzteig verdient haben. (Der Keksteig wird von den Profis erstaunlich dick ausgerollt, das ist aber möglicherweise der besseren Handhabbarkeit durch Kinderhände und der dazugehörigen Frustrationstoleranz geschuldet. Das hatte allerdings letztes Jahr schon erbittere Diskussionen mit zum heimischen Backen eingeladenen Besuchskindern zur Folge, denen mein Teig viel zu dünn war. Wenigstens fingerdick, so die Norm unter Dreijährigen dieser Stadt. Erfolgreiche Kundenprägung, so geht’s!)

Während der ganze Wagen voller Keksbleche im Ofen war, durften wir die Bäckerei besichtigen. Eine Kita-Gruppe wiegt übrigens zusammen – ohne Erzieherinnen – 372,5 kg, und ein Besuch im Kühlraum belebt die zuckrig verklebten Geister schlagartig.
Es ist interessant, wie unterschiedlich diese kleinen Menschen arbeiten. Manche stechen sehr sorgfältig sehr wenige Herzen aus, andere basteln aus den Teigresten neue Figuren, manche haben eine fast industrielle Produktion an Sternschnuppen, während wieder andere zaghaft den Tannenbaum mit nur minimalen Verschiebungen an immer fast die gleiche Stelle ihres Teigstückes drücken und dann nur einzelne Zweigspitzen aufs Blech befördern können.

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Noch unterschiedlicher sind sie beim Verzieren, von sorgfältig als Augen ausgewählten Rosinen über exakt gebaute Zäune aus aufrecht stehenden Mandelsplittern bis zu veritablen Erdrutschen aus Hagelzucker („kannst du mir auch mal das Salz geben?“) war alles dabei. Unter der Deko auf dem letzten Bild waren jedenfalls vorher irgendwo Kekse.

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Wir hatten zuvor schon das ganze Wochenende zu Hause Kekse gebacken, und zwar in rauhen Mengen. (Bereits nach vier Stunden Ausstecherle fragt man sich ja, warum man je geduscht hat… Außerdem habe ich nun in der Küche wieder das gleiche Platzproblem wie jeden Dezember.) Von daher ist es nicht verwunderlich, dass das Thema Nuno bis in den Schlaf verfolgt. Heute Nacht rief er mich mehrmals, und als ich ihn schließlich fragte, was er denn eigentlich wolle, murmelte er, ohne ganz aufzuwachen: „Ich will das Herz…“ Meines hat er ja, also meinte er wohl das Ausstecherle. Tagsüber hat er dann in den Backpausen noch Rezepte notiert. Falls Sie also noch etwas backen möchten, hier ein Rezeptvorschlag vom Sohn. Er hat es zwar nur für einen Bäcker namens THOMAS verfasst, aber Sie dürfen sich sicher inspirieren lassen. Gutes Gelingen.

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