Winterkind

„Na, freut sich Dein Kleiner schon auf den Schnee“, fragte unsere Sekretärin im Herbst.
Nö, meinte ich, denn erstens kann er sich, obwohl er geboren wurde, während es schneite, mit seinen eindreiviertel Jahren an keinen Schnee mehr erinnern, und zweitens ist „sich auf etwas freuen“ noch ein etwas abstraktes Konzept in dem Alter. Ob er sich über Schnee freut, konnten wir dann aber bald überprüfen, denn es begann zu schneien. Es schneite einen Tag, es schneite zwei Tage, es schneite drei Tage, überall lag die weiße Pracht und Baby B zeigte sich nicht im mindesten beeindruckt, schien das neue Wetter kaum wahrzunehmen. Dann traten wir eines Morgens Ende November vor die Haustür, Markt und Straßen lagen noch immer unter einer weißen Decke, alles glitzerte, und plötzlich blieb Baby B stehen, schaute, staunte, zeigte auf die Schneehauben auf dem Zaun: „Mami, guck! Schaum!“
Und er freundete sich an mit dem Schaum, den er in der Wanne schon liebte, Zeit genug war ja. Er fand ihn zwar „kal'“, das aber störte nicht, gar nicht, er genoss es, durch ihn zu stapfen, ihn aufzuheben und zu werfen, sich von Opa auf dem Schlitten ziehen zu lassen, mit uns allen am Deich zu rodeln, das Schaf im Garten mit selbst gesammeltem Schnee zu füttern (das Schaf bevorzugt Äpfel). All das stundenlang, auch wenn wir Erwachsenen längst Eisfüße hatten. „Schaum, Mami!“
Im Advent lag Schnee, Weihnachten lag Schnee, nach Weihnachten lag Schnee, endlich ergeben die Schneebilder im Wimmelbuch einen Sinn und die Postkarten mit verschneiten Bäumen. Neujahr lag immer noch Schnee, und als Baby B. am Abend in der Wanne saß, den Kopf voller Shampoo, da klatschte er mit beiden Händen in den Schaum, ließ weiße Flocken hochspritzen und rief: „Mami, guck! ‚Nee!“

Der Vollständigkeit halber

2010 in schiefen Fragen.

Zugenommen oder abgenommen?
Anfangs ab, dann wieder etwas zu, unterm Strich gleich.

Haare länger oder kürzer?
Kürzer.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Gleich kurzsichtig, aber die Brille ist schiefer und zerkratzter. Wird Zeit für eine neue Brille, um meine Kontaktlinsen auch mal rauszunehmen.

Mehr Kohle oder weniger.
Gleich viel Geld, weniger Leute, also mehr.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Keine Ahnung. Bei meinem normal verfügbaren Geld ist kaum Spielraum für große Ausreißer. Da ich mir aber zwischendurch was leihen musste, wohl mehr.

Der hirnrissigste Plan?
Nach der Konferenz da drüben im gleichen Monat auch noch zig Veranstaltungen zuzusagen und umzuziehen.

Die gefährlichste Unternehmung?
4x über den Atlantik fliegen.
Die fast gefährlichste Unternehmung: In Chile sein, während dort die Erde bebt. Das Beben kam mir aber zwei Tage zuvor, und so bin ich in BsAs geblieben.
Durch eine geschlossene Glastür rennen.

Mehr Sport oder weniger?
Etwa so viel wie mein 2010-Ich, deutlich weniger als das von 2009. Wenig.

Die teuerste Anschaffung?
Die digitale Spiegelreflexkamera und das neue Laptop.

Das leckerste Essen?
Kurz vor Jahresende Miesmuscheln in Weißweinsud von S.

Das beeindruckenste Buch?
Vielleicht Martín Kohan (Ü Peter Kultzen): Zweimal Juni (Dos veces junio).
Oh, und dann war da natürlich noch mein Buch. Aber im Verhältnis zu all der Arbeit, die drin steckt, war der Moment, als die beiden Kartons dann vor mir standen, gar nicht so
beeindruckend.

Das enttäuschendste Buch?
Luiz Claudio Cardoso (Ü Gesa Hasebrink): Der Tag, an dem sie Vater holten (Meu pai, acabaram com ele).

Der ergreifendste Film?
Die Fremde.

Der beste Theaterb4hesuch?
Ich war nur ein Mal im Theater, und das war mau.

Die beste CD?
Am meisten gehört: Yata pata und die anderen griechischen Kinderlieder.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Klar werden.
Zeug.
Baby B. zum Schlafen bringen.
Nicht hinterherkommen.

Die schönste Zeit verbracht mit… ?
Baby B. und S.

Vorherrschendes Gefühl 2010?
Puh!

2010 zum ersten Mal getan?
Jemanden gebeten auszuziehen.
Ein Spiel der 2. Bundesliga im Stadion gesehen. (6:1, gewonnen)
Ein Spiel der 1. Bundesliga im Stadion gesehen. (2:1, verloren.)

2010 nach langer Zeit wieder getan?
Gemeinsam kochen.
Am Deich rodeln.
Herzklopfdingens.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Januar, Februar, März.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Das ist richtig so. (Mich selbst.) (Wollte und habe.)

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Es war nicht so das Geschenke-Jahr.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Der alte Schreibtisch meiner Großeltern aus dem nun aufgelösten Arbeitszimmer.

Die schönste neue Bekanntschaft, die ich gemacht habe?
Der neue Nachbar.

Der folgenreichste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
a) Den behalte ich lieber für mich.
b) Den auch.

Der folgenreichste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
a) „…möchte ich, dass Du dann ausziehst.“
b) „Du kannst auch bei mir Fußball gucken.“

2010 war mit 1 Wort…?
Entscheidungsreich.