Am Nachbartisch, Paseo de la Plaza, zwischen Corrientes und Sarmiento.
Am Morgen Regen in Buenos Aires, und statt auf den Spielplatz gehen B und ich erst mal in die Badewanne, das machen wir hier manchmal mehrmals am Tag, mit eher kühlem Wasser. B versucht seit ein paar Tagen allein einzusteigen, er hält sich am Rand fest und schmeißt sein eines Bein hoch, so hoch, dass er mit den Zehen an den (niedrigen) Wannenrand kommt, aber dann gehts nicht weiter. Dafür kann er Treppen steigen und rutschen und küssen. Mmmmmm-bah! Und er kann schlafen! Das Kind schläft! Tagsüber und nachts, oft sogar durch. Auf einmal gehts, in der Hitze nackt unter dem brummenden Ventilator.
Percanto ist vormittags bei einem Tanzkurs, danach und nach Bs erster Siesta (er macht seit ein paar Tagen mehrere!) gehen wir zusammen los, die Sonne ist wieder da und es ist warm und feucht. Wir gehen nach langer Zeit mal wieder in die Parrilla, zum Grill. Ich esse Milanesa, das ist ein dünnes Schnitzel mit – wenn es gut ist- Kräutern zwischen Panade und Fleisch.
Dass die Küche hier italienisch beeinflusst ist, hatte ich ja beim Kaffee schon erwähnt, auch das Essen ist neben dem vielen puren Fleisch recht italienisch, wenn auch deutlich weniger raffiniert. Pizza und Pasta, Ravioli und Gnocchi („Ñoqui„) sind Standardgerichte. Gnocchi gilt als das klassische Monats-End-Essen, wenn das Geld ausgeht und die Lebensmittel billig sein müssen. Zwar würde hier niemand ein Schnitzel als italienisches Essen bezeichnen, es ist – natürlich – so argentinisch wie der Asado und die Empanadas, aber der Name verweist darauf: Milanesa enspricht dem Adjektiv milanés (m.) / milanesa (f.), „mailändisch“. Es gibt auch milanesa napolitana oder einfacher milanesa napo, dann wird sie mit Schinken, Tomaten und Oregano zubereitet.
„Mailänder Napolitaner Art“ ist natürlich schon hübsch.
Hinterher waren wir Espresso trinken (bzw. Cortado, Espresso mit einem Schuss Milchschaum) und dann ausführlich auf dem Spielplatz. Deswegen gab es heute eigentlich eine ganze Serie Bank-Bilder, Tauben vor Bänken und ein reizendes Zufallspaar auf einer Bank, eine junge wildlockige Frau im gepunkteten Kleid und ein alter weißhaariger Herr mit Stock, die sich gestenreich irgendwelche Dinge erzählten. Gegen Abend sind wir dann mit einem schon wieder sandig in der Karre schlafenden Kind Obst kaufen gegangen (frische, reife Mangos! und winzige süße Bananen und eine Schale voller Kirschen) und nochmal in den Paseo de la Plaza für Eis und mehr Kaffee. Die Passage ist wirklich eine Oase direkt an der wuseligen Ameisenstraße Corrientes, es ist trotz vieler kleiner Läden, Cafés und Theater ganz still, man hört nicht mal den steten Verkehr, der in unmittelbarer Nähe vorbeirauscht. Und man kann im Café draußen sitzen.
Ich habe dann das erste Mal die Lifeview-Funktion der Kamera ausprobiert, um die beiden Tischnachbarn auf obigem Bild nicht zu stören und etwas diskreter vor dem Bauch zu fotografieren. Er hörte über Kopfhörer laut klassische Musik, rauchte, sie lernte aus vielen Ringheften und langen Ordnern. Was man nicht sieht: Auf der anderen Seite der Kamera trage ich ebenfalls ein lila Trägerhemd, allerdings etwas dunkler als die Oberteile meiner heimlichen Modelle an den Nachbartischen, wie auch mein Rock etwas dunkler ist als das Blaugrün der Wand.