Percanto zeigte den Kindern im Kindergarten – seine Gruppe trägt den schönen Namen „Baustelle“ – mit einem Beamer Fotos von einem gemeinsamen Ausflug. Da man alles didaktisch einführen und keine Gelegenheit zum Welterklären auslassen sollte, gab er die Frage nach dem Unterschied zwischen „Beamer“ und „Kino“ an die Gruppe weiter.
Gemeinsames Grübeln, kurz, dann meldete sich ein Junge: „Im Kino gibt es Popcorn.“
* * *
Am Wochenende war das Familientreffen der gesamten Sippe mit mehr als einem Dutzend Kinder unter 1,50m. Viele der Mädchen trugen modegerecht Röckchen und Stiefel, so auch Sophie, 6, ein sehr schickes Paar brauner Wildlederstiefel. Sie putzte sie mit Hingabe an der Schuhputzmaschine im Keller des Hotels und nötigte Percanto, dort auch seine alten Turnschuhe zu putzen, „aber zuerst eincremen.“
Percanto lobte ihre Stiefel, die seien wirklich besonders schön, geputzt oder ungeputzt.
Sophie beugte sich zu ihm und senkte die Stimme: „Ja, und teuer, der Papi hat auch sehr geschimpft.“
* * *
Beim gleichen Familientreffen, im gleichen Keller, Toilettentrakt. Aus der Herrentoilette kam lautes Kinderweinen, ich näherte mich, hörte keine weiteren Stimmen, sah dafür aber Blut an Tür und Klinke. Ich klopfte kurz und rief „hallo“, es hätte ja auch sein können, dass da außer dem Kind auch der Vater war und eventuell andere Männer. Das Weinen verstummte augenblicklich und ein kleiner, nicht zur Familie gehörender Junge im Anzug, der so gerade an die Klinke kam, öffnete mir. Das Gesichtchen verweint und die Lippe blutig, „ich bin hingefallen“, schluchzte er. Ich nahm ihn in den Arm, tröstete ein wenig und sagte, „komm, wir gehen hoch und suchen Deine Eltern, ja? Zu wem gehörst Du denn?“ – „Zu meiner Mami…“
* * *
Wunderbare Blättergeschichte mit dem Gregorzwilling im Hotel Mama.
* * *
Die Taufe meines zweiten Patenkindes fand im Rahmen eines zunehmend langen und weiligen und unfestlichen „Kinder- und Familiengottesdienstes“ statt. Der Mutter, die eine klassische Sängerin für eine Bach-Arie engagiert hat, war das Unbehangen deutlich anzumerken, tapfer sangen wir uns durch alle Strophen „Danke“ (für diesen schönen Morgen), klatschten auch beim „Spatzenchor“ und seinem „Oh Masala, die Welt ist rund“ mit und klimperten auf Kommando mit den Schlüsselbunden, wurden bei einem Predigtersatz mit zwei Handpuppen, die nicht auf den Punkt kamen, ähnlich unruhig wie die vielen Kinder, und verloren jedes Verständnis, als lange nach dem toten Punkt aus den früh von den Kindergartenkindern nach vorne gebrachten Früchten noch ein „Mandala“ gebastelt werden, dieses mit bunten Seidentüchern verziert und dann von den Kindern unter vielfachem Absingen von „Vom Aufgang der Sonne“ umtanzt werden sollte. Auch bei den beteiligten Kindern waren deutliche Müdigkeitserscheinungen erkennbar. Als einer der wachen Jungen das von den Handpuppen zurückgelassene Mikrophon enterte und in den Schlusssegen (es nahte dann doch ein Ende) mit kippender Stimme ein fröhliches „Hallo hallo!“ rief, sprang eine Furie aus der Bank, riss ihn herunter und drückte ihn mit ihrem Gewicht auf den Boden. Es war wohl seine Mutter. Der Rest der Gemeinde hielt entsetzt den Atem an; Kind und Mikrophon haben den Angriff überlebt.
Ach ja, irgendwann zwischen „Masala“ und „Mandala“ wurden in einem schnellen und überaus unfeierlichen Aufwasch drei Kinder getauft, das war ja der eigentliche Anlass für den Festgottesdienst. Mein Patenkind war neben der etwas penetranten, klatschenden und tanzenden Kindergärtnerin als einziger der ganzen Gemeinde bester Stimmung, zeigte mit fröhlichem „da!“ auf das Wasser im Taufbecken und hat sich mit seinen neun Monaten überhaupt prächtig amüsiert. Sein Bruder dagegen, zweieinhalb Jahre, machte seinen Eltern kurz vor Ende des vermeintlichen Kindergottesdienstes einen konstruktiven Vorschlag: „Papi, unser nächstes Baby taufen wir einfach zu Hause, ja?“