ABC

In Anlehnung an das Magazin der Süddeutschen ein alphabetischer Rückblick auf mein Jahr. Nicht ausgefeilt und mit unbeschrieben Lettern, aber siehe S…

A – Die Albicelestes sind trotz unserer Unterstützung leider
nicht Weltmeister geworden. Dabei habe ich die wichtigsten Gesänge
gelernt und bin seit diesem Sommer im Besitz eines Argentinien-Trikots (made in Taiwan; Nummer 8, Riquelme) und gleich dreier hellblau-weißer T-Shirts mit Argentina-Aufschrift.

[Bei meiner WM hätte allerdings Figo bei Argentinien gespielt und das Viertelfinale wäre ein anderes gewesen.]

Zwei Seelen, ach.

B – Beirut. Eine Freundin im Libanon, die lange Briefe schreibt, rückt den Krieg nah. (Be-)greifbarer wird er dadurch nicht, aber ich habe ein paar Menschen in Beirut, um die ich mir Sorgen mache.

C – Chorchaos zum Jahresende. Schade.

D – Dreißig geworden und eine Überraschungsparty bekommen, von der ich zwar wusste (wie das so ist mit den Überraschungen), deren Zusammensetzung mich aber zu Tränen gerührt hat. So weite Reisen! So liebe Menschen!

F – Floridor Pérez und Für einen Fisch ein Flügel zuviel. Ich habe mein erstes (übersetztes) Buch (fertig) geschrieben, herausgegeben und in den Händen gehalten! Stolz.

G – Ein ganz klein wenig Gebärdensprache gelernt. Da nur Percanto zu den Kursterminen Zeit hatte, ist er hingegangen und hat mir hinterher ein paar Gebärden verraten.

H – Eigentlich habe ich eher Fern- als Heimweh, dieses Jahr aber häufig das Gefühl, keine Zeit zum Wohnen zu haben und nicht dazu zu kommen, die Wohnung zu einem Zuhause zu machen. So ein Heimweh.

Und vor ein paar Tagen mein erstes Bundesliga-Handballspiel gesehen

I – Im letzten Monat des Jahres habe ich ein eigenes Internettagebuch, vulgo Blog, nämlich dieses hier, begonnen.

J – Justus wurde dieses Jahr geboren und hat mein Herz erobert.

K – Wieder ein Jahr, in dem ich zu wenig Klarinette gespielt habe. Wegen guter Vorsätze und so aber schon mal neue Blättchen gekauft.

L – Das erste mal auf Lesereise. Siehe F.

[Foto – Floridor mit Lichtenberg]



M – Mafalda satt! Meinem Percanto zu Weihnachten 2005 Toda Mafalda (und Les Luthier!) zu schenken, war eine ausgezeichnete Idee.

N – Im Sommer wollten wir nach Südfrankreich und haben einen Billigflug nach Nizza gebucht. Dort waren wir letztendlich nur einen verregneten Tag und haben den Rest der trägen weltfernen Augusttage jenseits der Grenze in Dolcedo verbracht. Danke an Onkel und Tante, die uns das Haus mit Terrasse geliehen haben – Lesen unter der Feige, Fotografieren im Dorf, Baden im fernen Meer und Gitarre oder Rotwein unter dem Oleander waren dieses Jahr genau die richtigen Ferien.

O – Die meisten Mails in diesem Jahr bekam ich sicher von „O“.

P – Die Promotion ist definitiv zu kurz gekommen, was trotz anderer Publikationen gar nicht gut ist.

Q – Um die Dissertation (siehe P) zu finanzieren mit meinem alten Freund T. beim Quiz beworben und zum Casting eingeladen worden. Bei einer merkwürdigen Veranstaltung wurden wir als Startnummer 47 nicht genommen. Ins Fernsehen wollten wir beide nicht, aber das Geld hätten wir wirklich gut gebrauchen können.

R – Ein Ehepaar, das wir im Urlaub (siehe N) kennen gelernt haben, das aber auch über ein paar Ecken mit uns verschwägert ist, will mir eine alte Kamera mit Ringblitz schenken! Ich bin gespannt.

S – Meine winzige Stelle an der Uni läuft in wenigen Stunden aus und ich bewerbe mich gerade um ein Stipendium (siehe P, siehe Q). Weshalb ich nicht die Muße haben sollte, hier an einem ABC herumzudenken.

T – Obwohl ich 2006 in Buenos Aires begrüßte und der Januar noch schöne Tänze bot, enthielt das Jahr klar zu wenig Tango.

U – Uebersetzen. Aus dem Ausprobieren wird Ernst; auf Wolfenbüttel folgt ein Seminar in München, Aufsätze und das erste Buch. Ich habe einen neuen Beruf.

V – Verlag. Nichts weiter dazu.

W – Weltschmerz kenne ich zwar gut aus meiner Kindheit, dass mein Percanto unter W. leidet, habe ich erst jetzt erfahren, nenne das, was er zeigt und beschreibt jedenfalls so. Gemischt mit Heimweh, dem echten, besonders nun am Ende des Jahres.

X – Der Künstler x-neiki hat die großartigen Illustrationen zum Buch (siehe F) gemacht – in jeder Hinsicht eine Bereicherung! Mehr davon!

Z – Zum ersten Mal seit gefühlten 100 Jahren waren wir wieder im Zirkus. Ohne Tiere, dafür umso mehr Akrobaten, und es hat sich nach Kindheit angefühlt.

Frei von Ideologie

Kaum setzte ich einen Engel hier rein, wird es schon wieder unweihnachtlich.

Als vor bald zwei Wochen in Santiago de Chile der tote Ex-Diktator Pinochet aufgebahrt war, flanierten 60.000 Menschen (sechzigtausend!) an seinem Sarg vorbei. Ich habe mit meinem chilenischen Freund J überlegt, ob sie wohl hingehen, um zu schauen, ob er wirklich und wahrhaftig tot ist – oder um ihm vielleicht vor die aufgebahrten Füße zu spucken. Wilde Hoffnung. Der eigentliche Beweggrund für so unglaublich viele Chilenen war aber leider doch, ihm die letzte Ehre zu erweisen. „Ehre“.

Am nächsten Tag [13. Dezember] schrieb J mir dies:

“Ha habido un tipo valiente en todo esto, el nieto del General Prat, asesinado
por Pinochet hace más de 30 años atrás, que es milico también, y ayer, cuando
estaban velando a Lucifer, hizo cola para verlo en su urna en la escuela militar
y cuando le tocó, nada menos que escupió encima. […] Bien, que alguien tenga
los cojones para al menos hacer algo, mínimo, pero algo a esa altura.”
[Einen mutigen Kerl gab es doch, den Enkel des Generals Prat, der von
Pinochet vor über 30 Jahren ermordet wurde, er ist auch beim Militär und
gestern, bei Luzifers Totenwache, stellte er sich an, um ihn in seinem Sarg in
der Escuela Militär zu sehen, und als er dran war, hat er nichts weniger getan,
als ihn anzuspucken. […] Gut, dass jemand die Eier hat, wenigstens etwas zu
tun […]]

Heute [zur Erinnerung: 16 Jahre nach dem Ende der Diktatur] lasen wir in El Clarin [http://www.clarin.com] die Fortsetzung dieser Geschichte. „El nieto de Prats, que escupió el féretro de Pinochet, fue echado de su trabajo en Santiago.”
Sie haben Francisco Cuadrado Prats, der bei der Totenwache auf Pinochets Sarg gespuckt hat, also rausgeworfen. Das Perfide daran: Er hat für die Gemeindeverwaltung von Las Condes, einem besseren Viertel Santiagos, gearbeitet. Entlassen hat ihn laut Clarin der Bürgermeister der Gemeinde, Francisco de la Maza, der beispielsweise nachdrücklich das Projekt fördert, eine Straße nach Pinochet zu benennen. Und dieser Bürgermeister habe nun im chilenischen Fernsehen gesagt, „[e]n esa decisión no hay nada de ideología.“ [Diese Entscheidung ist frei von jeglicher Ideologie.]

Natürlich, compadre, natürlich.

Luja!

Weihnachten kam dieses Jahr recht überraschend, trotz Adventskalender. Noch ist es zwar nicht ganz soweit, da eine einzelne Dame aber gerne mehr Fotos sähe, hier also ein Engel aus Dolcedo samt Weihnachtswunsch.
Jauchzet, Frohlocket! Let ist snow! Und: Frohe Weihnachten!

Kinder-Country

… aus dem Adventskalender schmeckt nach Leukoplast. Muss das so?
Und natürlich schreiben sie es bindestrichfrei, und was ist das überhaupt, ein Kinder-Country? Kinderlandverschickung auf Englisch?
Leukoplast ist eine feine Sache, aber als Schokolade?
Morgen bitte eine Wal-Nuss.

Zitat für mich

Beim Passiv-und-Offline-Bloggen habe ich eine von vielen Fragen auf Ankes Seite beantwortet („Grab the book nearest to you, turn to page 18, find line 4. Write down what it says“) – und ohne Überschrift und Leerzeilen kam das raus:

„Tinte, Federn, auch etwas Herz und viel“

Danke Danke Danke, Adam Zagajewski! (Die Wiesen von Burgund, Ü Karl Dedecius).
Darf ich den Vers jetzt behalten?

[ www.ankegroener.de – und wie bekomme ich den Link unsichtbar in den Namen?!]