on my way

Ich mache keine Radtouren, ich fahre Rad, von A nach B. Wenn ich nicht Rad fahre, gehe ich zu Fuß oder fahre neuerdings manchmal mit dem Auto. Bei Schnee und Eis lässt mich der Lieblingsitaliener nicht mit dem Fahrrad los, vor allem nicht mit dem Kind im Kindersitz, und angesichts der Serpentinen, die unsere Waldwohnung mit der Stadt verbinden, hat er natürlich und wie immer vollkommen Recht. Nun liegt Schnee und Eis, und gar nicht wenig, also muss das Rad im Schuppen bleiben, und als Fahranfänger traue ich mich auch nicht mit dem Auto die Berge runter. Irgendwie muss Nuno aber in die Kita kommen, und ich zur Arbeit.  „Öffentliche“, denken jetzt alle großstädtischen Leser, aber mit den Öffentlichen ist das so eine Sache in der Kleinstadt. (Gemeinsame Wunschliste für unsere nächste Stadt: ernstzunehmendes Wasser, Uni, Straßenbahn, Bundesligaverein.) Die Öffentlichen beschränken sich hier auf genau ein Verkehrsmittel, auf den Bus. Zur Arbeit kann man sehr gut mit dem Bus fahren, die Verbindung ist geradezu sensationell gut. Die Kita liegt allerdings in einer anderen Ecke unserer kleinen Stadt. Wir wohnen auf Berg 1 im Osten, die Innenstadt liegt im Tal, die Arbeit nördliche angrenzend zur Innenstadt, die Kita liegt auf Berg 2 im Süden.
Ich weiß nicht, wie groß der Höhenunterschied zwischen unserem Berg und der Innenstadt in Metern ist, in Grad Celsius sind es 3°, und das ist momentan der Unterschied zwischen Schnee (oben) und Matsch (unten), und – mit dem Rad – jede Menge Muskelkater.
Nuno muss also in die Kita. Die Verbindung vom höheren Berg 1 zum niedrigeren Berg 2 ist möglich, ohne Wolfsschluchten zu überwinden. Mit dem Fahrrad fahre ich sehr idyllisch am Waldrand entlang, dann zwischen Park und Wald und durch ein wenig Villengegend, dann wieder Wald und Wohnviertel, außerdem geht es bergab und ich bin morgens, wenn die Zeit drängt, sehr schnell da. Der Rückweg ist mühsamer, aber am Ende der Saison machbar. Mit dem Auto führt die Strecke etwas weiter vom Wald weg, verläuft sonst ähnlich. Und mit dem Bus kann man das eigentlich vergessen. Der Bus fährt zwar direkt vor dem Haus ab, nimmt dann aber Irrwege, und Querverbindungen sind tabu. Dank Eis und Schnee habe ich gerade eine kleine Versuchsreihe laufen. Nehmen wir der Einfachheit halber den Weg Waldwohnung – Kita – Waldwohnung; gehe ich von der Kita zur Arbeit, geht dieses Streckenstück ein wenig schneller, aber nicht viel.
Fahrrad, wenn es das Klima zulässt: Hinweg: 10 Minuten, Rückweg etwa 25 Minuten (ohne zu schieben!)
Auto: Hinweg: 8 Minuten, Rückweg ebenfalls 8 Minuten.
Bus: Die Seite der Verkehrsbetriebe schlägt folgende Optionen vor:
a) 24 min Fußweg Richtung Zentrum – 6 min Bus – 16 min Fußweg. Macht 46 Minuten, einfacher Weg. Rückweg gucke ich gar nicht nach.
b) 6 min Bus Richtung Arbeit – 3 min Überlandbus – 2 min Fußweg – anderer Überlandbus Richtung Nachbarstadt – 6 min Fußweg. Gesamt, Hinweg: 35 Minuten. Und 3x Umsteigen und schwer kalkulierbare Kosten, da die Überlandbusse nicht zum Stadtverbund gehören.
c) 14 min Bus ins Zentrum – 10 min Umsteigezeit – 10 min Bus Richtung Kita (!) – 6 min Fußweg. Gesamt, nur Hinweg: 40 Minuten. Vorweggegriffen: Das ist die einzig sinnvolle Verbindung, wenn ich mit einem Dreijährigen unterwegs bin.
d) 23 min Fußweg Richtung Zentrum – 2 min (!) Bus – 18 min Fußweg.  Gesamt: 43 Minuten (nur Hinweg), und das nennt die Seite „direkt“.
Also, wenn ich mit Nuno fahre, muss ich c) nehmen – in die Stadt fahren, umsteigen, in die andere Richtung wieder hoch, und das gleiche dann zurück, ich bin dann insgesamt 90 Minuten unterwegs.
I’m on my way, won’t be back for many a day…
Option a) und d) haben mich aber darauf gebracht, doch vielleicht einfach direkt zu laufen – für 2 Minuten Busfahrt muss man ja weder einen Umweg gehen noch 2 Euro zahlen. Um Nuno abzuholen, bin ich also gestern zu Fuß los, wetterfest eingepackt, mit Weihnachtsoratorium auf den Ohren, leichtem Schneeregen und Stoppuhr: 30 bis 35 Minuten.  Und deutlich angenehmer als mit dem Bus. Den muss ich dann für den Weg mit Kind trotzdem nutzen, allein ist der zügige Spaziergang aber besser als alle anderen innerstädtischen Weltreisen. Ich gehe nicht spazieren, ich gehe hin. Zum Rodeln oder Schlittenziehen waren gestern die Wege zu stark gestreut und zu matschig, wenn es weiter schneit, können wir vielleicht auch den Schlitten nehmen, bergab geht es dann schnell, bergauf tu ich was für die Kondition. Fallt mit Danken, fallt mit Loben.

Zu verbessern gibt es aber bei der Variante Spaziergang zwei Dinge:
1. andere Schuhe, um nach 35 Minuten Fußmarsch nicht vier bis acht Stunden lang nasse Füße zu haben
2. Wohnungsschlüssel mitnehmen, um nach der Rückkehr nicht 90 Minuten im Treppenhaus zu sitzen.
Dann klappt es auch mit der Zeitersparnis.

5 Gedanken zu „on my way

  1. Ich kann Spikereifen fürs Fahrrad sehr empfehlen. Wenn man trotzdem vorsichtig fährt sind die sehr gut, um auch auf ungeräumten und vereisten Wegen noch Traktion zu haben 🙂

  2. Moment, was habt Ihr denn dem köstlichen, butterweichen Göttinger Leitungswasser vorzuwerfen? Koch mal Ostfriesentee in Berlin – da muss man die Trinkfläche mit dem Eis- bzw Kalkpickel freischlagen.

  3. Pingback: Zur Arbeit laufen - pop64.de

  4. Apriori – Ostfriesentee in Tübingen war ähnlich schmackhaft; mit ernstzunehmendem Wasser meine ich aber sowas wie: Nordsee, Ostsee, Bodensee. Main, Elbe, Weser. Und nicht den, Dings, Leinekanal, wo Enten beim Schwimmen mit den Füßen über den Grund schleifen, oder den Kiessee. Sorry, Kiessee, netter Versuch, aber das zählt nicht.
    Und das reichliche Regenwasser entschädigt mich nicht.

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