Ich habe mich bei Frau Serotonic aufgedrängt und darf beim aktuellen Stöckchenwerfen mitspielen. Mir wurde zur Beantwortung der immer gleichen Stichpunkte plus möglicher Ergänzungen das Jahr 1991 zugeteilt. Vielen Dank!
1991 war ich von heute aus gesehen noch relativ klein, und die Zahl würde ich gerne in meiner damaligen Handschrift darstellen, mit Füller geschrieben. Diese Zahl leuchtet als einzige Jahreszahl so geschrieben vor meinem inneren Auge auf. Ich wurde nämlich 1991 konfirmiert und habe nicht nur alle Einladungen, sondern auch alle Speisekarten für alle Gäste handschriftlich geschrieben. Das hieß – ohne Tintenkiller – etwa 3 Karten pro Gast, bis es saß. (Es gab Rosmarinkartoffeln, Krustenbraten, irgendwas mit „der Saison“ und den Rest weiß ich nicht mehr – ich dachte, durch mehrfaches Aufschreiben behält man so etwas besser?!)
Also, 1991:
Alter: Die erste Jahreshälfte 14, die zweite 15.
Beziehung: Ich habe es mir 1991 noch extrem peinlich vorgestellt, mit jemandem beim Händchenhalten gesehen zu werden. Neinein. Keine Beziehung. Noch lange nicht. Kompliziert war es trotzdem:
Ich hatte Tanzstunde, und wir gingen mit einer ganzen Gruppe gemeinsam. Dass ich mit W. tanzen würde, war eigentlich ausgemachte Sache seit der 7. Er wollte dann aber auf einmal lieber mit C. tanzen, und so traten schließlich der übriggebliebene M. und ich miteinander als Tanzpaar an. Oder gegeneinander. M. hatte überhaupt keine Lust (und sagte mir das auch regelmäßig) und hat mir noch am Vormittag des Abtanzballs gesagt, er würde nicht kommen. Er kam dann doch, hat aber nach dem Pflicht-Vorführtanzen des Anfängerkurses nicht mehr auf die Tanzfläche gewollt. Den zweiten und dritten Kurs tanzte ich dann mit S., der „Gastherr“ war und nicht bei uns auf der Schule. Er fragte mich später, ob ich nicht mit ihm in der Formation tanzen wollte, aber das wollte dann wieder ich nicht so gerne.
Mein Teddybär hieß Pu.
Beruf: Achtklässlerin. Neuntklässlerin. Tochter. Große Schwester.
Ungefähr in dieser Zeit begann das große Zweifeln in Sachen Berufsfindung. Bis dahin wollte ich – seit der 3. Klasse etwa – Schauspielerin am Theater werden. Das war von einem Tag auf den anderen vorbei. Ich wollte dann Illustratorin werden (später Restauratorin), und das Berufspraktikum in der 9. (war das 1991 oder schon 1992?) habe ich bei einem Grafik-Designer gemacht. Wegen der Brandanschläge auf Asylbewerberheime haben wir als besonderes Projekt in diesem Praktikum Plakate gegen Ausländerfeindlichkeit erstellt, das war eine ziemliche gute Sache. Es war ja auch das Jahr, in dem ich immer Kerzen in der Jackentasche hatte, weil ja irgendwo eine Lichterkette sein könnte. Und für das Praktikum (es gab noch ein paar Aufträge, die nicht fertig waren, als das Praktikum um war) habe ich zum ersten (und möglicherweise einzigen Mal) Schule geschwänzt (und nach der Englischarbeit Krankheit vorgetäuscht). Ich war schon sehr brav. Möglicherweise hätte ich für die Arbeit an den Plakaten (die später von einem Schulbuchverlag auf Messen verteilt wurden) sogar frei bekommen, aber am Abend war mir tatsächlich übel, vor Aufregung, denn das Büro des Designers war mitten in der Innenstadt, wo ich natürlich Lehrern über den Weg laufen konnte. Dafür war ich nicht gemacht. (Bin ich noch immer nicht.)
Musik: Hier werden wahrscheinlich Fantum, Bravostarschnitte und Boy Groups oder Rocknroll erwartet. Nichts davon. Ich hatte inzwischen mit Blockflöte (jaha) aufgehört, betrieb beim Klavierunterricht einen Kleinkrieg mit dem aktuellen Lehrer (wegen Wechseln an die Schulen, Mutterschutz und ähnlichem hatte ich jedes Jahr eine neue Klavierlehrerin, bis es schließlich Herr C. wurde). Wir fingen die Stunden damit an, dass ich mich darüber empörte, dass er mit KUGELSCHREIBER in meine Noten schrieb und fanden bis zum Ende immer weitere Aufreger. (Im Nachhinein weiß ich: zu Recht.)
Mit dem Klavier wurde es nicht mehr so recht, aber ich hatte mit Klarinette inzwischen sowieso MEIN Instrument gefunden und war nun im Schulorchester.
Im Schulchor war ich auch, aber der war wegen der aberwitzigen Probenzeit (nullte Stunde am Donnerstag Morgen) so winzig, dass ich eher aus Verantwortungsgefühl denn aus Spaß dabei blieb. Wir haben sehr mutige Sachen gesungen, aber die anderen riesigen Schulchöre der anderen Gymnasien, die Beatles-Songs oder California Dreaming sangen, verlachten unseren Reger als Einsingübungen. Wir standen in der härtesten Zeit mit 17 Leutchen um den Flügel und haben durch die zusammengebissenen Zähne gesungen.
Heute singe ich wieder und liebe (und aktuell: vermisse!) meinen wunderbaren Chor. Aber dass ich nicht mehr Klarinette spiele (im Studium hatte ich das Orchestervorspiel verpasst, nach Peru hatte ich sie nicht mitgenommen, und die dort ausgeliehene Klarinette war eine Oboe…), das bedaure ich immer noch. Mit Zeit und Geld mal wieder Unterricht und wieder richtig reinkommen, das wäre schön.
Haare: Ich hatte in meinem Leben vier Frisuren: Anfangs keine, dann Rundschnitt (bis zur ersten Klasse), seither im Wechsel entweder lang (zwischen Schulter und mittlerer Rücken) und aus dem Gesicht und meist im Pferdeschwanz, losem Dutt oder Zopf (und vor 30 Jahren: Zöpfen) oder aber etwa kinnlang geschnitten, ohne Pony.
Heute hab ich die Pferdeschwanzversion, 1991 hatte ich sie kinnlang. Da ich offene Haare auch in der kurzen Version nicht gut haben kann, hatte ich oft seitlich eine Spange drin oder ein kleines Halstuch gefaltet und zusammengeknotet und als Haarreif benutzt.
(Vielleicht sollte ich mal was anderes machen, aber – was? Kurze Haare sehen bei dunkelhaarigen Frauen oft nach Frankreich aus, bei blonden wie mir aber eher nach Ostfriesland. Stimmt ja auch irgendwie auch, aber.)
Sport: Ich war Leichtathletin, und 1991 wie schon 1990 hatten wir uns für das Bundesfinale Jugend trainiert für Olympia qualifiziert. Die Regenjacken habe ich immer noch, auch wenn das Finale 1991 eine überwiegend schlechte Erinnerung ist. 1990 hatte ich Lungenentzündung (wusste das aber zu dem Zeitpunkt nicht), die Mannschaft der (gerade noch) DDR durften erstmals und außer Wertung teilnehmen und wir wurden am Ende 5. Klingt gut, aber da vor uns gefühlt ständig die Mannschaften unserer Schule gewonnen hatten, lag die Latte hoch. Sehr hoch. Wir haben sie nicht mehr übersprungen. 1991 nahmen am Finale erstmals alle 16 Bundesländer teil, und die Zielvorgabe war, nach den Kinder-und-Jugend-Sportschulen der „neuen Länder“ und dem Sportinternat aus Bayern zu landen. Diese Sportschulen waren unschlagbar. Wir lagen unter dieser Vorannahme ganz gut, ich war über 100m gestartet und im Kugelstoßen angetreten. Die dritte Disziplin, für die ich aufgestellt war, war die Staffel. (Jeder darf bei Jugend trainiert in maximal drei Disziplinen starten, gewertet wird alles; wenn pro Disziplin drei Schüler starten, gibt es evtl. ein Streichergebnis). Der Wettkampftag endet mit der Staffel, die dort erzielten Punkte entscheiden also den finalen Platz. Es gibt nur eine Staffel pro Mannschaft, ein Streichergebnis ist nicht möglich.
Ich lief auf Position 3, Kurve, das mochte ich, den Stab in der rechten Hand, so kann man in der Kurve noch besser in Schwung kommen, und ich war schnell an diesem Tag. Etwas zu schnell, oder G. war etwas langsam, oder die komische Kampfrichterin, die gemeint hatte, man dürfte nicht mit Kreppband markieren, wo man steht und auf die Läuferin vor einem wartet, wo man also losläuft, wenn sie die gelbe Linie passiert, eventuell hatte diese Kampfrichterin meine Markierung doch versetzt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls lief ich los und G. davon. Sie rief „hepp“, meine Hand ging raus, aber sie erreichte mich nicht. Bis ich das verstand und abbremste und der Stab endlich in meiner Hand lag, hatten wir den Wechselraum verlassen. Ich lief durch, der Wechsel war wackelig, aber wir hatten den Stab trotzdem ins Ziel gebracht und sogar trotz des Wacklers in einer guten Zeit. Ich ging dann zu meiner Startposition zurück und schlich mit meiner Trainingsjacke über den Kopf gezogen quer über den Platz zur Ziellinie, zur Mannschaft, zum Trainer. Der baute mich auf, die Zeit sei doch prima und G. hätte mich ja noch gekriegt. Da unser Wechsel immer sicher war, hatte er woanders an der Bahn gestanden und die rote Fahne nicht gesehen. Wir waren disqualifiziert, bekamen null Punkte für die letzte Disziplin und landeten damit auf dem letzten Platz.
„Berlin trotzdem eine Reise wert“, stand später in der Zeitung. Auf dem Mannschaftsfoto sieht man uns das nicht wirklich an.
Aufenthaltort: Zu Hause an der Nordsee. Auf Klassenfahrt auf Wangerooge. In der Schule, beim Sport, bei der Musik, auf dem Rad unterwegs, zum Schlafen zu Hause.
(Es fehlt mir oft, am Meer zu sein.)
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Stöckchen heißt natürlich: Ihr könnt mitspielen. Wer ein Jahr haben möchte, einfach melden.
Ich habe jetzt extra nochmal die aktuellste version gelesen und möchte um zuteilung eines jahres bitten
Sehr gerne! Wie war denn 1997?
Ich hätte auch gern ein Jahr! (Ich bin Jahrgang 1989, also wenns geht erst ab Mitte der 90er.)
Schön, dann würde ich doch gerne was zu 2006 lesen.
schön! Ich würde auch mal ein Stöckchen probieren! (mein erstes, überhaupt, ever!)
Sehr gerne! Bitte das Jahr 2002.
Ich habe zwar keinen Blog, wollte mich aber als stille Mitleserin mal melden. Wirklich toll geschrieben, wahnsinn was du in so jungen Jahren schon alles erleben durftest 🙂 Ich finde solche „Rückblicke“ ja immer total spannend, gerne mehr davon!
Viele Grüße aus Vals Südtirol
Ich kann Melanie nur zustimmen, so ein Rückblick ist klasse. Diese Erinnerung gehen im Alltagsstress so schnell verloren, da kann so ein kleiner „Anstoß“ ja nicht schaden. Über ein paar weitere Jahre von dir würde ich mich sehr freuen 🙂
Viele Grüße aus Sankt Vigil 🙂
Ein originelles Stäbchenspiel, juppi!
Ich würde gerne mitmachen. Bin Jahrgang 71…
Tut mir leid, dass ich mich so spät melde, die Mail-Benachrichtigung funktioniert gerade nicht.
Also, gerne. 1996 hätte ich gerne.
(Da Pingbacks gerade auch nicht gehen, dürft Ihr Eure Jahre auch gerne in den Kommentaren hier verlinken.)
Sehr eigenartig; die Mails gehen nämlich durchaus vom Server raus. Vielleicht ist Dein Spamfilter übereifrig?
Grüße aus dem Maschinenraum.
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