Reimen

Ich habe gerade mal wieder einen Übersetzungsauftrag, es geht um alte, volkstümliche Lieder aus Spanien, zum Teil auf Sephardisch. Die Texte sind nicht immer streng rhythmisch, und ihre Reime sind eher unregelmäßig verteilt und ganz überwiegen assonant. Auf Deutsch wären es „unreine Reime“, im Spanischen sind solche Reime aber nicht despektiertlich „unrein“ – und tunlichst zu vermeiden – sondern schlicht eine andere Art Reime, die genauso viel wert sind und oft gezielt einzusetzen sind als integraler Bestandteil bestimmter Gattungen. Ich übersetze sie trotzdem wenn möglich mit „reinen Reimen“, da Assonanzen im Deutschen eher wie klägliches Versagen des (Nach-)Dichters klingen. Ich brüte also über mehrere Hundert Jahre alten Versen und versuche sie in ein klingendes, angemessenes Deutsch zu bringen, da tritt Isa nebenan eine Limerick-Lawine los. Sie sucht Säuisches in strenger Form und heiterem Sinn. Säuisch kann ich ja nicht, dafür bin ich viel zu bieder, aber bei Limericks kann ich schlecht widerstehen. Also reime ich Limericks, schreibe sie nebenan in die Kommentare, kehre dann brav zu mir nach Hause zurück und habe doch fortan beim Übersetzen einen Limerick-Sound im Ohr. Das kann ganz gut sein, in meinen Übersetzungskursen habe ich manchmal lange Texte als Limerick übersetzen zu lassen – als Fingerübung und um sich von der Wörtlichkeit zu lösen. Meine sephardischen Lieder sind allerdings keine Limericks, das Reimzentrum ist nun aber gelockert und formuliert so manchen Vers entspannt um, Hauptsache die Pointe sitzt. Dann ist da aber gar keine Pointe und ich muss zurück auf Anfang. Aber wer könnte einem Wels am Haken widerstehen, wenn auf wälzen und Laken gereimt werden soll? Eben.
Oder der Schluss von diesem Lied:

„Dámelos tú por amor
Sabrás, la mi querida
Que por tí me muero yo.“

Entweder macht man daraus einen Schlager, das passiert auch gern von allein (etwas weiter oben ist von sieben Städten die Rede, durch die er ging. Über sieben Brücken, und über den Wolken, da wird dann Marmorstein und Eisen sein.) Die folgenden Zeilen sind da doch eine vollkommen angemessene Übertragung, scheint mir:

„Aus Liebe gib sie mir,
[…]
ich sterbe doch für dir
die Sprache stirbt gleich mit
dann sterben wir zu dritt.“

Für eine Gernhardtisierung der Übersetzungen. Und jetzt mach ich aus dem Lied noch einen Limerick, so kann das ja nicht stehen bleiben.