Drei Tage über drei Kontinente war doch anstrengend, und heute Nacht habe ich 11 Stunden geschlafen. Als ich das erste Mal aufwachte, regnete es draußen, ein paar Tropfen waren auf der winzigen Milchglasscheibe meines Zimmers zu sehen, aber es rauschte heftig. Schade, dass mein Schirm im Koffer und der in Atlanta ist, dachte ich, drehte mich zum ersten Mal in dieser Nacht um und schlief weiter. Als ich später wach wurde, regnete es noch immer. Im Bad, was ein größeres Fenster hat, stellte ich dann fest, dass es gar nicht regnete, allerdings ist die Klospülung defekt, daher das Rauschen. Den Vormittag habe ich vorwiegend mit Warten verbracht, Warten auf meinen Dichter, Warten auf jemanden vom Flughafen, der dann hoffentlich meinen Koffer dabei hat. Beide kamen, der Dichter nach einem nicht zu verstehenden Anruf, der Koffer unmittelbar nach einem nachhakenden Anruf meinerseits bei Delta. Sehr gut, es ist doch ganz angenehm, sich alle paar Tage was Frisches anzuziehen. Mein Dichter und ich sind dann losgegangen, ohne genauen Plan, und nachdem ich ihm mein-sein Buch gegeben hatte, konnte er auch nicht mehr klar denken, meinte er. So gingen wir erst mal Richtung U-Bahn, er das noch eingeschweißte Buch in der Hand („damit es keinen Schaden nimmt“), und beschlossen, Dinge zu erledigen, die er sowieso erledigen musste, seine neue Brille abholen zum Beispiel. In Santiago ist jede Art von Laden in einer eigenen Straße angesiedelt, alle Lampenläden liegen nebeneinander in einer einzigen Straße, ebenso alle Antiquariate oder Schuhläden. Wir gingen zu den Brillenläden, die sich vor allem in der Nähe der Biblioteca Nacional ansiedeln, seiner lag in einer Galerie versteckt im 9. Stock. Oben erwarteten uns nur Handwerker, die an der Elektrizität herumschraubten, und auf dem Gang einige deutliche Risse, die das Erdbeben im Februar hinterlassen hat. Plan B war dann ein Kaffee im „Café Colonia“, wo es – was für deutsche Touristen ja maximal halb so attraktiv ist wie vermutet – Kuchen nach deutschen Rezepten gibt. Aber auch Kaffee, und auf Nachfrage auch echten Kaffee („café café“ oder „café de grano“) statt Nescafé. Schon durch die Scheibe wurde mein Dichter von einem etwa gleichalten Herrn gegrüßt, das geht mir mit ihm immer so, dass wir irgendwo hinkommen und er jemanden kennt – dieses Mal war es ein Herr, den er in der Zeit der politischen Verfolgung und Verbannung kennengelernt hatte, ein Leidensgenosse aus der Diktatur, der sich sehr freute, uns zu sehen. Außerdem war es, und auch diese Art von Zufall scheint mir hier System zu haben, der Augenarzt, dem auch der Brillenladen gehört, in dem wir gerade eben vergebelich waren. Wir setzten uns dazu, und etwas zwei Stunden lang rezitierten die beiden Herren um die Wette Gedichte, Spanier des Goldenen Zeitalters oder meinen Dichter selbst. Dem Freund wurde dann die Ehre zuteil, als erster das endlich von der Folie befreite Buch zu öffnen, in dem mein Dichter dann immer wieder ratlos und versonnen blätterte, einzelne Gedichte las oder seine eigenen, eingescannten Briefe aus der Diktatur (den eigentlichen Text versteht er nicht, da auf Deutsch), und mich am Ende bat, ihm eine einzige Frage ehrlich zu beantworten: Ob so ein dickes Buch nicht furchtbar übertrieben sei?
Nach einem weiteren Ausflug in den Brillenladen, diesmal mit dem Freund und Optiker, hatte er seine neuen Brillen und wir gingen zum Zentralen Markt, um dort Mittag zu essen. Die Fischrestaurants auf dem Markt sind legendär, allerdings wurden wir schon auf der Straße vor dem Markt von Abgesandten einzelner Restaurants bedrängt, die uns umwarben. Wir behaupteten zwar, nur Salat kaufen zu wollen (gekauft habe ich allerdings eine Chirimoya und eine Avocado und wollte natürlich fotografieren und tatsächlich Fisch essen), aber so richtig wurden wir die Werber nicht los, das war etwas lästig. Man sollte als Einheimischer nicht mit so offensichtlichen Touristen wie mir unterwegs sein.
Der Fisch war schließlich mittelgut, beziehungsweise der Fisch (Congrio, Seeaal) gut, aber die darauf geworfenen Meeresfrüchte hatten für meinen Geschmack etwas viel Koriander, wenn ich das richtig erkannt habe, dafür wurde um uns herum so laut Karaoke gesungen (und die Pavarotti-Stimmen für echt ausgegeben) und die Fischhändler-Sänger und Mädchen mit echtem Basilikum um Arm und vermeintlichen Opernstimmen so laut gefeiert, dass wir uns kaum noch unterhalten konnten.
Am Nachmittag habe ich mich getraut, in meiner alten Pension vorbeizugehen, die Telefonnummer hatte nicht mehr gestimmt und auch alle anderen Versuche, die Wirtin zu von Deutschland aus zu erreichen waren gescheitert, so dass ich im Geheimen Schlimmes befürchtete. Von außen war nicht zu erkennen, ob das Haus in der kleinen Passage direkt hinter meinem Hostal noch eine Pension war, ob überhaupt noch jemand dort wohnte. Ich habe dann die Enkelin im Schlafanzug herausgeklingelt, die Señora betreibt die Pension noch, sei nur gerade nicht da. Ich bin erleichtert und morgen zum Essen eingeladen.
Schließlich habe ich mich wieder aufgemacht in mein Stammcafé, um dort an meinem Vortag zu schreiben, dieses Mal durch den parallel zum Rio Mapocho verlaufenden Parque Forestal, wo zahllose Pärchen auf dem Rasen lagerten und den Frühling herbeiknutschten. Jetzt m um 10 Uhr abends, tragen die Leute auf der Straße wieder Mützen und dicke Jacken und begeben sich ins Nachtleben. Ich habe zu meinem Vortrag (ein Gedicht muss ich morgen noch in die Mangel nehmen) den wunderbaren Licuado de Frambuesa (Himbeermilchshake) getrunken, der nicht mehr auf der Karte steht, den sie aber noch haben, und später noch einen – wenn schon! – eher peruanischen Pisco Sour mit Empanaditas, Mini-Empanadas. Diese waren überraschenderweise mit Congrio (Seeaal) gefüllt, und insgesamt hatte ich dann heute genug von Fisch und gehe nun Richtung Hostal. Den Regen versuche ich durch Zurechtruckeln des Spülkasten heute Nacht zu unterbinden.
Nach einem weiteren Ausflug in den Brillenladen, diesmal mit dem Freund und Optiker, hatte er seine neuen Brillen und wir gingen zum Zentralen Markt, um dort Mittag zu essen. Die Fischrestaurants auf dem Markt sind legendär, allerdings wurden wir schon auf der Straße vor dem Markt von Abgesandten einzelner Restaurants bedrängt, die uns umwarben. Wir behaupteten zwar, nur Salat kaufen zu wollen (gekauft habe ich allerdings eine Chirimoya und eine Avocado und wollte natürlich fotografieren und tatsächlich Fisch essen), aber so richtig wurden wir die Werber nicht los, das war etwas lästig. Man sollte als Einheimischer nicht mit so offensichtlichen Touristen wie mir unterwegs sein.
Der Fisch war schließlich mittelgut, beziehungsweise der Fisch (Congrio, Seeaal) gut, aber die darauf geworfenen Meeresfrüchte hatten für meinen Geschmack etwas viel Koriander, wenn ich das richtig erkannt habe, dafür wurde um uns herum so laut Karaoke gesungen (und die Pavarotti-Stimmen für echt ausgegeben) und die Fischhändler-Sänger und Mädchen mit echtem Basilikum um Arm und vermeintlichen Opernstimmen so laut gefeiert, dass wir uns kaum noch unterhalten konnten.
Am Nachmittag habe ich mich getraut, in meiner alten Pension vorbeizugehen, die Telefonnummer hatte nicht mehr gestimmt und auch alle anderen Versuche, die Wirtin zu von Deutschland aus zu erreichen waren gescheitert, so dass ich im Geheimen Schlimmes befürchtete. Von außen war nicht zu erkennen, ob das Haus in der kleinen Passage direkt hinter meinem Hostal noch eine Pension war, ob überhaupt noch jemand dort wohnte. Ich habe dann die Enkelin im Schlafanzug herausgeklingelt, die Señora betreibt die Pension noch, sei nur gerade nicht da. Ich bin erleichtert und morgen zum Essen eingeladen.
Schließlich habe ich mich wieder aufgemacht in mein Stammcafé, um dort an meinem Vortag zu schreiben, dieses Mal durch den parallel zum Rio Mapocho verlaufenden Parque Forestal, wo zahllose Pärchen auf dem Rasen lagerten und den Frühling herbeiknutschten. Jetzt m um 10 Uhr abends, tragen die Leute auf der Straße wieder Mützen und dicke Jacken und begeben sich ins Nachtleben. Ich habe zu meinem Vortrag (ein Gedicht muss ich morgen noch in die Mangel nehmen) den wunderbaren Licuado de Frambuesa (Himbeermilchshake) getrunken, der nicht mehr auf der Karte steht, den sie aber noch haben, und später noch einen – wenn schon! – eher peruanischen Pisco Sour mit Empanaditas, Mini-Empanadas. Diese waren überraschenderweise mit Congrio (Seeaal) gefüllt, und insgesamt hatte ich dann heute genug von Fisch und gehe nun Richtung Hostal. Den Regen versuche ich durch Zurechtruckeln des Spülkasten heute Nacht zu unterbinden.
Ich bin froh, daß die Ankündigung, aus Santiago weniger ausführlich als aus Buenos Aires zu berichten, eine leere war. Liebe die Kategorie „xx Tage “ sehr.
Was für ein wundervolles Bild – eine wuselige Markt-Café-Szene und mitten drin ein staunend-versunkener Dichter…
Licuado, wie lecker. Man stelle sich vor, es wäre statt dessen Batido gewesen. (Aber im Ernst: Es klingt schön, dieses Wiedererkennen der vielen kleinen Sachen des Alltags.)