Zwischen den Regalen laufen fast so viele Touristen wie Leser herum, und auch wenn der Laden sehr groß und dem ersten Anschein nach gut sortiert ist und sowieso für jeden Leser oder Nichtleser den Besuch wert ist, sollte man für Literaturwünsche abseits der ganz aktuellen Neuerscheinungen oder den Klassikern eher auf die Avenida Corrientes gehen. Dort reiht sich eine kleinere Buchhandlung an die nächste, viele (moderne) Antiquariate, viele mit einer wilden Mischung aus in Folien eingeschlagenen Schulbüchern, Esoterik und ambitionierter Literatur. Diese Läden haben den Charme von Garagen, die Fachrichtungen sind oft mit breitem Pinsel direkt an die rohen Wände gemalt, aber dort findet man die eigentlichen Schätze.
In diesem multireligiösen Haushalt verbringt jeder den heutigen Aschermittwoch auf seine Art. Die enthusiastisch katholische Tante war mehrere Stunden in der Kirche, freut sich auf die Fastenzeit und hat mit dem jüngsten Sohn und der Nichte geschimpft, die vergessen haben, warum sie heute in die Messe gehen sollten. Der jüdische Onkel hält noch bis 23 Uhr seine Sprechstunde als Psychologe im hinteren Teil der Wohnung, und mein im Prinzip katholischer Ehemann schläft vor, um später noch zum Tangotanzen zu gehen.
Die katholische Tante und der jüdische Onkel haben nach der Messe eine kleine Diskussion über religiöse Rituale, Sakramente und Abendmahl. Die Tante schlägt vor, wenigstens gemeinsam zu Abend zu essen, denn wenn sie tot sind, werden sie in unterschiedlichen Himmeln sein und können sich nicht mehr sehen. Der Onkel schaut sie lange lächelnd an, streichelt ihre Hand und schlägt vor, wenn die Himmel getrennt seien, könnten sie sich ja einfach für die Hölle verabreden.