Maitag

Herr: es ist Zeit. Der Winter war sehr groß.
Wir leben lange schon in tiefem Schatten,
Und werden all den Schnee nicht los.

So wirf doch einen Blick auf den Kalender,
Wär es nicht Zeit für südlichere Tage?
Verzeih wenn ich dich nerve mit der Frage,
Doch setz dem schlechten Wetter mal ein Ende.

Was jetzt nicht grünen kann, grünt nimmermehr,
Wer jetzt noch bleich ist, wird es lange bleiben,
Das gilt für Menschen, Beeren und Tomaten;
Sogar die Vogelscheuche fröstelt dort im Garten.
Herr, es ist Zeit für Licht. Wir warten.

(jetzt Ihr.)

35 Gedanken zu „Maitag

  1. Komm lieber Mai und mache
    Die Bäume wieder weiß
    Und lass mich auf dem Bache
    Fallen auf den Steiß.
    Wie möcht ich doch so gerne
    Einen Schneemann wieder sehn,
    ach, lieber Mai, wie gerne
    Noch einmal rodeln gehn!

  2. Grün sind schon die Wälder
    braun gepflügt die Felder
    und der Lenz beginnt.
    Kalt ist wohl uns allen,
    graue Nebel wallen,
    kühler weht der Wind.

  3. Nun soll der Frühling endlich kommen doch
    In grünem Knospenschuh;
    „Er kam, er kam ja immer noch“,
    Die Bäume nicken sich’s zu.

    Wir konnten ihn all erwarten kaum,
    Noch treibt hier gar nichts Schuss auf Schuss;
    Im Garten der alte Apfelbaum,
    Er sträubt sich, obwohl er muss.

    Wohl zögert auch die alte Sonne
    Und leuchtet noch nicht frei,
    Wir bangen und sorgen: „Es ist schon Mai,
    Und der Mai ist doch voll Wonne.“

    O schüttle ab den schweren Traum
    Und die lange Winterruh:
    Es wagt es der alte Apfelbaum,
    Sonne, wag’s auch du.

  4. Frühling lässt sein graues Band
    Wieder flattern durch die Welt.
    Grimme, wohlbekannte Kält‘
    Streifet ahnungsvoll das Land.

  5. Frühling nässt. Meine blaue Hand.
    Niederknattern. Fuß wund. Hüfte!
    Düster. Wohnung ungelüftet.
    Timeline jammervoll mit rant.

  6. Nun will der Lenz uns grüßen, doch fühlt er sich grad mau,
    muss fieberfröstelnd niesen, ist im Gesicht ganz grau.
    Drum schreibt er seine Grüße auf ein Postkärtelein,
    und tragen ihn die Füße, wirft er es auch bald ein.

  7. Es tönen die Lieder, der Frühling geht wieder
    es tutet der Schneemann in sein Nebelhorn
    Tut tut tut tut tut tut tut tut tut, tut tut tut tut tut tut tut tuut

  8. Hälfte des Sommers

    Mit dicken Tropfen hänget
    und voll mit Reif und Rost
    das Land in den See.
    Ihr klammen Enten,
    verfroren die Füße
    und schnatternd
    steht ihr am rettenden Ufer.

    Weh mir, wo nehm‘ ich, wenn
    das der Sommer sein soll, im Winter
    noch Heizöl her, und wo
    die Äpfel (die roten)
    für den Weihnachtsbaum?
    Die Kinder stehen
    sprachlos und kalt im Winde
    und husten leise.

  9. Eigentlich nicht

    Das nennt man nicht eigentlich Frühling
    wenn es kälter als Weihnachten ist.
    Das nennt man nicht eigentlich Sommer
    wenn es ständig und immerzu pisst.
    Das nennt man nicht eigentlich Dichten
    wenn man Wörter wie „pissen“ nimmt.
    Da kann man aber nichts machen
    weil es verdammt nochmal stimmt.

  10. Er ist’s

    „Frühling“ lässt den dicken Schal
    wieder flattern durch die Lüfte
    und die Tee- und Glühweindüfte
    ziehen wieder mal durch’s Land.

    Mützen sind noch wach,
    wollen nicht mehr gehen.
    Horch, von fern kommt dieser laute Krach!

    Räumfahrzeug, du bist’s!
    Ich kann dich nicht mehr sehen!

  11. Föhn

    Die Tropfen fallen, fallen allezeit,
    Als wolkten in den Himmeln ferne Fluten.
    Sie fallen stetig, ’s nutzt keine Beschwerde,
    Schwemmen Stadt, Land, Wald, die ganze Erde.
    Die Sterne zugewolkt vergessen wir die Zeit.

    Wir alle schwimmen. Dieser Hund da schwimmt.
    Wir alle schimmeln. Es ist Nass in allem.
    Und doch ist einer, welcher unsre Hallen
    Unendlich sanft mit Pusten trockentrimmt.

  12. Frühlingsbild

    Dies ist ein Maitag, wie ich viele sah!
    Die letzten vierundzwanzig waren ähnlich,
    Und dennoch ist’s, das ist zwar wirklich dämlich,
    Doch nicht zu ändern: Frühling dieses Jahr.
    Es stört sie nicht, es geht Mutter Natur
    An ihrem Allerwertesten vorbei
    Wie wir das sehen. Sie hat Zeit.
    Knapp abgezählt sind unsere Lenze nur.

  13. Auf Wunsch einer einzelnen Dame reiche ich mal die Texte nach, die hier jeweils als Vorlage dienten. In „Anführungszeichen“ stehen Gedichtanfänge, ohne Anführungszeichen sind es die Titel. Den Gesamttext könnt Ihr dann selbst googlen, das würde das Format sprengen.
    Wenn ich falsch liege, liebe Dichter, sagt es mir. (Kiki? Stephan?)
    *
    Maitag (Percanta) = Herbsttag (Rilke)
    „Komm lieber Mai“ (Buddenbohm) = „Komm lieber Mai“ (Volkslied)
    „Grün sind schon die Wälder“ (Nicwest) = Herbstlied („Bunt sind schon die Wälder“, Volkslied)
    „Nun soll der Frühling endlich kommen doch“ (Excellensa) = Frühling („Nun ist er endlich kommen doch…“, Fontane)
    „Frühling lässt sein graues Band“ (Minette) = Er ist’s („Frühling läßt sein blaues Band“, Mörike)
    „Frühling nässt. Meine blaue Hand.“ (Stephan) = Er ist’s („Frühling läßt sein blaues Band“, Mörike)
    „Nun will der Lenz uns grüßen“ (Extramittel) = „Nun will der Lenz uns grüßen“ (Volkslied) (Sonderpunkt für wörtlich nehmen….)
    „Es tönen die Lieder“ (Extramittel) = „Es tönen die Lieder“ (Volkslied)
    „Der Sommer, die Sonne“ (Stephan) = Caro-Kaffee-Werbesong (Danke, Stephan, wär ich nicht drauf gekommen.)
    Hälfte des Sommers (Percanta) = Hälfte des Lebens (Hölderlin)
    Eigentlich nicht (Percanta) = Eigentlich nicht (Gernhardt)
    Er ist’s (Nathalie) = Er ist’s (Mörike)
    „Bildense mal einen Satz mit…“ (Stephan) = „Bildense mal einen Satz mit…“ (Gernhardt, Diskussion vgl. unten…)
    „Wonnemonat“ (Stephan) = Karnevals-Kalauer (?)
    Föhn (Lydia) = Herbst (Rilke)
    „Die Regentropfen“ (Kiki) = ein Haiku
    Frühlingsbild (Percanta) = Herbstbild (Hebbel)
    *
    So schön! Ich bin entzückt. Und jetzt seid Ihr wieder dran.

    • Neinnein, genau richtig. Ich hab’s eher nicht so mit Lyrik, aber von Donnes Sonetten, schmutzigen Limericks und japanischen Haiku lasse ich mich gern bespassen bzw. verzaubern.

      • Ja, das ist auf jeden Fall AUCH Gernhardt, aber hat er an der Stelle innovativ gewirkt oder ebenfalls eine Kalauerstruktur aufgenommen? (Gibt es ja auch in freilaufenden Witzen, wie „Bilden Sie mal einen Satz mit Gänsefleisch“ – „Gänsefleisch mal n Kofferraum uffmache?“)
        Und Gernhardt selbst nennt in der von ihm herausgegebenen Sammlung „Hell und Schnell“ als beispielhaften Dichter dieser „Gattung“ Günter Nehm („Sammansatz mit…“), S. 345.
        Aber egal, Gernhardt kann natürlich gar nicht oft genannt werden.

          • Für mich wird „Bildense“ auch immer mit Gernhardt verbunden sein, und zwar der von ihm als bekanntestes Beispiel zitierte Spruch mit Bochum und Köln.

            Als er den Mitte der 90er im Göttinger 011er-Hörsaal in die Lesung einstreute, wollten sich die Leute nicht mehr einkriegen, was den Meister freute und verblüffte, in seiner Kindheit sei dergleichen jedermann geläufig gewesen.

            Wegen dieses Lieblingslesungsmoments ist „Bildense“ für mich eindeutig gernhardt.

  14. Regenfrühling

    Es war, als hätt‘ der Himmel

    Die Erde feucht geküsst,
    
Dass sie im Wolkenschimmer
    
demnächst ersaufen müsst‘.


    
Der Regen peitschte die Felder,

    Die Pfützen blubberten sacht,

    Es rauschten laut die Wälder,

    Es schiffte bei Tag und bei Nacht.



    Und meine Seele spannte

    Weit ihre Flügel aus,
    
Flog fort in sonnige Lande,

    Als flöge sie nach Haus.

    (zu Joseph von Eichendorf: Mondnacht)

  15. Mitten auf dem Platz,
    wo die Krähen lärmen,
    bleib ich stehn.

    Laster,
    die schwer durch eine Pfütze schwanken,
    ein kleines Moped, der Reifen quietscht …

    Herr Gott, Frühling!

    Und nichts, nichts davon zu sehn!

    Aus allen Wolken
    brechen ja noch die Tropfen!

    (Arno Holz, Verklärtes Häusermeer)

  16. Im Maien der Bauer das Schneelein wegschippt,
    Er schimpfet und fluchet , kein Salz es mehr gibt,
    Kein Streuen, nur Rutschen, nur Wasser, kein Sand,
    weder säen noch ernten, das Geld ist am Rand.

    Die Bäuerin, die Mägde, sie dürfen nun ruh´n.
    Im Haus und im Garten ist nichts mehr zu tun.
    Kein Graben, kein Rechen, kein Singen ein Lied
    nur grau ist’s, und dreckig und trostlos im Ried.

    So geht unter Regen das Frühjahr vorbei.
    Dann erntet der Bauer das matschige Heu.
    Er mäht kein Getreide, er drischt es nicht aus.
    Ein Jahr nur mit Wintern, für alle ein Graus.

  17. Pingback: Woanders – diesmal mit Ray Manzarek, einem Felsen, der Stadtbahn und anderem | Herzdamengeschichten

  18. (für den Computer sehen Gedichte so ähnlich aus wie Spamkommentare, ich musste deshalb gerade ein paar aus dem digitalen Fegefeuer befreien)

  19. Sein Blick ist durch den trüben Regen
    so blass geworden, dass er nichts mehr hält.
    Ihm ist, als ob es tausend Regen gäbe
    und hinter tausend Regen keine Welt.

    Das helle Licht der frühen Jahressonne,
    die sonst um diese Zeit am Himmel steht,
    fehlt schmerzlich, ebenso die warme Wonne
    und er fühlt täglich, dass es nicht mehr geht.

    Nur manchmal schiebt der graue Regenschleier
    sich lautlos auf. Dann dringt ein Strahl heraus,
    für kurze Zeit, der Blick wird freier –
    doch für den Früling reichts nicht aus.

    (Rilke, Der Panther)

  20. Blättergrau, Glühweinduft,
    Krähenschrei, Amselschlag,
    Dauerregen, kalte Luft!

    Wenn ich solche Worte singe,
    braucht es dann noch große Dinge,
    Dich zu preisen, Frühlingstag!

  21. Wir hatten vier, fünf schöne Tage
    und dann kam diese Tiefdrucklage
    Die Wetterfrau ließ leise wissen:
    „Ab morgen wird es pissen.“

    Sonne nur in Randgebieten
    Da möcht’ man in den Süden fliegen
    Doch lässt der Bankenfritze wissen:
    „Sie sind halt in den Miesen.“

    Es muss immer alles komplett verregnet werden
    Wenn es komplett verregnet werden kann
    Es muss immer alles komplett verregnet werden
    Wenn es komplett verregnet werden kann

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