40 Tage Buenos Aires [12]

Tag 12, Freitag, 27. Februar 2010: Der zukünftige Präsident Argentiniens, Señor Presidente Pedro.

Ich darf Ihnen den zukünftigen Señor Presidente der Republik Argentinien vorstellen, bisher noch Pedro oder auch „der Verrückte von der Ecke“. Cada loco con su cuento. Jeder Verrückte mit seiner Geschichte. Das hohe Staatsamt kann man unschwer an der Präsidentenschärpe und einigen Medaillen erkennen, andere historische Vorbilder sind ebenfall in Haltung und Kopfbedeckung eindeutig. Das Cape rundet das Bild ab, unter dem Hut trägt Pedro ein Kopftuch wie das von Zorro, das auch den Zopf zusammenhält. Außerdem trägt er stilsicher Stiefel und eine gelb getönte Motorradbrille und sitzt auf seinem „caballo eléctrico“, elektrischem Pferd, auch „moto musical“ genannt, Musikmotorrad, denn auf dem Sozius ist eine kleine Musikanlage installiert, den Lautsprecher sehen Sie. Vollständig aber erst, wie er mir erklärte, mit Schirm. Voilà.

Diesen Herrn traf ich keine zwei Cuadras von der Tantenwohnung entfernt vor einem edlen Herrenausstatter, er zeigte mir, nachdem ich ihn angesprochen hatte, dort mit einem verschwörerisch auf die Lippen gelegten Zeigefinger und großen Gesten Lederschuhe und graue Anzüge und führte mir schließlich sein elektrisches Pferd vor.
Baby B lernte derweil von den Verkäufern viele Synonyme für „loco“.
Ich habe seinen Namen und Mail-Adresse, wegen der Präsidentschaft wisse ich ja nun bescheid, und wenn er mal nicht im Laden sei, wo er wohne, soll ich nach Viviana fragen. Das gilt auch für Sie.

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Auf Santa Fe steht ein älteres Ehepaar neben mir an der Ampel, der müde B ist gerade in der Karre eingeschlafen. Die Frau guckt mich an und sagt dabei in ziemlich vorwurfsvollen Ton zu ihrem Mann „guck, der schläft da“. Auf Deutsch. „Ja, und?“ sage ich, und die Frau lächelt mich an, spricht aber weiter mit ihrem Mann. „Guck Dir mal die Reifen an. Solche großen Räder haben die hier an ihren Kinderwagen.“ Ich lächele sie ebenfalls an und sage, weiterhin auf Deutsch: „Ja, große Räder, aber der Kinderwagen ist mitsamt Rädern aus Deutschland, der ist schneetauglich.“
Die Frau lächelt mich verbindlich an und schüttelt ein bisschen den Kopf. Irgendwie scheint sie bis zum Schluss nicht gemerkt zu haben, dass ich sie verstehe. Im Gedrängel auf der Santa Fe kommen wir an Ampeln oder engen Stellen immer wieder nebeneinander zu stehen, und sie guckt jedes Mal mit leichtem Vorwurf das schlafende Kind und dann stirnrunzelnd mich an. Cada loco con su cuento.

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Wir suchen eine Bleibe für die nächsten vier Wochen, sofort, ich versuche hier trotzdem tagesaktuell zu schreiben.

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