Links in Gaucho-Outfit (mit dem Pampa-Tuch samt Schließe (Leder oder Silber), hellem Rohledergürtel und Hut – und mit Schnurrbart, por supuesto) und rechts ein Polizist. Der Herr in der Mitte mit Baseball-Kappe ist der Händler, der zu dem Stand mit Mates im Vordergrund gehört. Dass die drei auch Mate trinken, kann man an der Thermoskanne des Gauchos erkennen, darin heißes Wasser für die Aufgüsse.
Die Hitze ist zurück, die schwüle Luft und die Mücken. Heute war Kindertag, B und ich sind U-Bahn gefahren und haben deutsch-argentinische Freunde samt Tochter besucht. Die Kinder haben haben am gleichen Tag Geburtstag, weshalb E der Meinung ist, dass B eigentlich ein Geschenk zu ihrem zweiten Geburtstag war, den sie in unserer Heimatstadt verbracht haben, samt Besuch auf der Wochenstation am nächsten Tag. E findet Babys großartig und war hingerissen von B, dass er nach drei Stunden immer noch da war und in der kühlenden Wanne, in die wir die beiden nach dem Spielplatz gesteckt hatten, auch noch spritzte, fand sie dann langsam weniger lustig. „Das macht man nicht, auch Baby nicht.“
Die Familie wohnt nicht mehr ganz im Zentrum, und mit jedem Viertel weiter entfertnt von den innerstädtischen „Mikrocentros“ werden die Häuser niedriger. Wir wohnen in einem zehnstöckigen Haus, sie in einem vierstöckigen und man sieht in Villa Crespo noch ein paar Hochhäuser, in die andere Richtung aber nur noch flache Gebäude, Stockwerke mit abnehmender Tendenz bis hin zu Bungalows.
Wir waren kurz im Supermarkt, der dort eine umgebaute bzw. erweiterte Fleischerei ist. Zwei lange Theken, eine nur mit Fleisch samt Schweinepfoten, Pansen und einem ganzen Schweinekopf, der bei einer Gruppe Kinder eine längere Diskussion auslöste – ist das Auge noch da? Guckt das Schwein? Lebt es vielleicht noch, wenn es noch Augen hat? Die andere funktionierte als Kühltheke eines Tante-Emma-Ladens, man sagte dem jungen Mann alles, was man brauchte, und er packte es in einen großen Korb, den man am Schluss mit den Käufen aus den Regalen hinter einem (Brot, Kekse) und eventuellen Fleischwaren bei einer dritten Person bezahlte. Der Laden war schlicht, aber offenbar vernünftig gekühlt, jedenfalls ging es trotz der Aufteilung Hälfte Fleisch / Hälfte alles andere mit dem Geruch. Grenzwertiger war der kleine kombinierte Fleisch- und Obstladen an der Ecke, der eine Wand und die Regale vor der Tür mit Obst hatte, den Rest voller Fleisch. Man hat das Gefühl, Fleischtrauben zu kaufen. Alle Supermärkte haben lange Fleischregale am hinteren Ende und oft einen halboffenen Zugang zur Fleischverarbeitung, das nächste ist dann Milch und Obst. Manchmal riecht es zwischen Kartoffeln und Joghurt so penetrant nach rohem Fleisch (und Innereien), dass ich würgen muss.
Etwas befremdlich finde ich, dass es überhaupt keine normale Milch gibt, nicht nur wird wie bei uns zwischen normal fetter und fettarmer und fettfreier (haha) Milch sowie Frisch- und H-Milch unterschieden, außerdem hat jede Milch ihre eigene Gruppe Zusätze: angereichert mit Vitmin A, B und C, mit extra viel Calcium, mit Calcium und Eisen, mit Vitaminen und Eisen, mit Vitamin D und sonstwas. Außerdem noch spezielle Kindermilch bis 3 Jahre. Ich habe lange nach einer normalen Milch gesucht und keine einzige gefunden. Das kannte ich schon von Joghurt, alle zeigen sich irritiert, dass B normale Joghurts isst und keine „Nachtische für Kinder“, die so etwas wie Fruchtzwerge sind – extra viel Zucker und Farbe, und auf dem Etikett versprechen sie extra viel Vitamine, Eisen, Calcium. Das müsse ich ihm geben, für die Vitamine! Und Joghurt tut doch nicht gut! Ich geb ihm für die Vitamine ja lieber Obst und Gemüse und nach wie vor praktisch keinen Zucker (außer in gesüßtem Gebäck inzwischen).
Dass es keine einfache, sondern nur noch angereicherte Milch gibt, erklärt sich damit, dass bei den letzten Gesundheitsstudien bei den argentinischen Kindern ein im Schnitt deutlicher Vitamin- und Eisenmangel festgestellt wurde. Vitaminmangel hatten übrigens schon die oben genannten Gauchos aus der Gründerzeit, sie haben sich in den weiten Ebenen des Landes, wo sie die Viehherden hüteten, vorwiegend von Fleisch ernährt, das hatten sie ja praktischerweise immer dabei. Eine entscheidende Komponente war von daher der traditionelle Mate, die Yerba (das, was man in Deutschland zu absurden Preisen als Mate-Tee bekommt) kann notfalls als Gemüseersatz fungieren und hält auch die Gedärme in Schwung.
Eisenmangel finde ich interessant in einem Land, das so viel rotes Fleisch isst und das als Hauptgemüse für Tarte und Empanadas Spinat verwendet. Und der Vitaminmangel ist schon traurig, außer Fleisch wächst in diesem Land mit allen (!) Klimazonen, die es überhaupt auf der Erde gibt, schließlich auch Obst und Gemüse aller Arten und Farben. Die Reaktion auf diese Studie war jedenfalls, dass angeordnet wurde, dass jede Milch, die hier in den Handel kommt, mit Vitaminen und/oder Eisen angereichert sein muss, denn wenn die Kinder schon kein Obst und Gemüse essen, Milch bekommen sie alle. Außer B, der hat heute lieber Spinat-Empanada und Oliven gegessen.
Du hast drüben bei twitter gefragt, ob „wir“ Wünsche an Text oder Bild hätten. Ja, ich hab einen: Bitte mach einfach weiter so.
Was Christian sagt.
Oh, Dankeschön! (Da ich heute nicht hier bin und ein bisschen vorgearbeitet habe, kommt die Frage heute Abend trotzdem nochmal.)
Das mit den hunderten verschiedenen Milch-Sorten ist in Portugal auch…gibt keine normale Milch und kein normales Naturyoghurt ohne Zusätze!Hab immer gegrübelt warum!
Vielen Dank für die tollen Bilder und die Berichte aus Argentinien! Ich habe über Merlix‘ Blog hergefunden und genieße die Geschichten „zwischendurch“ beim Lernen. In Gedanken packe ich schon meinen Rucksack, meine erste (und bisher leider einzige) Südamerika-Tour liegt schon so lange zurück…Darf ich mir doch was wünschen? Es passt auch zum heutigen Thema: In Peru gab es an jeder Straßenecke riesige Obststände mit Verkäuferinnen in blauer Schürze, die riesengroße Papaya und andere Früchte durch ihren Entsafter gejagt haben. Ich wusste vorher gar nicht, wie groß Südfrüchte werden können. Wie man es hier ausdrüct: „Da kannste „Sie“ dran sagen!“ Gibt es sowas in Buenos Aires auch? Wie groß wird das Obst in Argentinien?(Aber bitte nur, wenn es nicht zuviel Arbeit macht…die Beschreibung der Lebensmittelläden hat mich auch an so einiges erinnert – Tierköpfe auf dem Markt, Obstsalat mit Pop-Quinoa und die frischen Säfte – ich muss mal wieder meine Fotos ansehen. Und die Insekten, da konnte man auch Sie dran sagen.)