Tag 37, Dienstag, 23. März 2010: Los Lagos de Palermo mit Tretbooten und Brücke zum Rosengarten.
Den Nachmittag verbringen wir in einem der Erholungsgebiete der Stadt, zunächst im Japanischen Garten und dann in direkter Nachbarschaft dazu an einem der Lagos de Palermo, ein See im Viertel Palermo. Um die Seen von Palermo herum sind Parks und waldähnliche Anlagen, und das Grün wird für allem für Sport genutzt, zahllose Jogger, Skater, Radfahrer kurven über rote Wege zwischen hohen Bäumen, Palmen, Araucanias und Platanten, und an den Ufern entlang. Um den See herum, der dem Zoo nahe liegt, ist eine stillgelegte Straße, für die Schilder regeln, in welcher Richtung Radfahrer und Jogger jeweils zu zirkulieren haben. Am Straßenrand ein ambulanter Inliner-Verleih, ein Fahrradverleih, zur anderen Seite hin ein Tretboot- und Ruderbootverleih. Außerdem Eisbuden und Kioske, auf einem geraden Stück spielen ein paar junge Leute Rollschuhhockey, am Ufer trinken sie Mate oder angeln. Auf der Wiese grasen Gänse. Wir haben uns etwas lange im Japanischen Garten aufgehalten und dort den schlechtesten Kaffee der Stadt getrunken, als wir am See sind, wird dort schon der Rosengarten geschlossen.
Am Abend gehe ich (endlich mal wieder oder schon wieder) aus, ich habe beim Theater „Presidente“ um die Ecke ein Konzertplakat gesehen und auf einen Gesangsabend getippt. Sechs junge Frauen ohne Instrumente auf einem Balkon. Der Name hätte mir aber mehr verraten können, „De Rojo Carmesí“ ist ein Zitat aus einem Tango, und tatsächlich sind die sechs ein junges Tango-Orchester. Sie sind gut, sie sind jung und nett anzusehen in ihren gleichen Kleidern und jede mit einer roten Blüten an anderer Stelle, sie sind professionelle Musiker, aber sie haben noch keine abgenutzte Routine. Das Orchester besteht aus zwei Geigen, Cello, Kontrabass, Klavier und Bandoneon, das Theater ist eine schlichte schwarze Schuhschachtel und die Bühne ohne jeden Tango-Schnickschnack, außer den Musikerinnen und ihren Instrumenten, Notenständern und Stühlen nur noch die Technik, Lautsprecher, Lampen und Kabel.
Bei zwei Stücken holen sie einen guten Sänger dazu, bei zwei anderen ein Showtanzpaar. Dieses Tangopaar ist albernerweise eines, was ich von einem Workshop aus Göttingen kenne (Ruth und Andreas), die Welt ist ein Taschentuch, wie man hier sagt, und Taschentücher sind noch deutlich kleiner als Dörfer.
Dsa Schlussstück ist „Yumba“, dafür holen sie noch mehr Streicher und gleich zwei weitere Bandoneonisten auf dei Bühne, für den nötigen Wumms.
Tango liegt ja irgendwo zwischen Klassik, Jazz und Folklore. Die sechs Frauen orientieren sich zu Beginn des Abends eher an Klassik, dann spielen sie sich frei und rutschen ins Jazzigere, sehr schön. An den Ansagen merkt man, dass sie bei aller musikalischen Professionalität noch relativ neu auf der Bühne sind, sie verhaspeln sich in den Texten oder fangen an zu lachen, das ist aber sehr nett und familiär – überhaupt überträgt sich die Nervosität und der Stolz der offenbar im Publikum anwesenden Familien. Vor „Yumba“ bauen sie etwas um, und vergessen dabei wohl, dass sie alle offene Mikrophone haben. Es gibt zwischen den Geigen etwas Gedrängel und Unklarheiten, wer wo zu stehen hat, und die eine zarte Erscheinung mit langem Haar und Violine in der Hand schimpft lachend „Pero ustedes son una porquería“, „aber ihr seid ja wohl eine Schweinerei“, vielleicht eher „ein blöder Sauhaufen“. Ich weiß nicht ob sie realisiert hat, dass der ganze Saal darum lachte, weil dieser Kommentar über die Lautsprecher glasklar übertragen wurde.
Danach habe ich noch einen Rotwein getrunken und etwas gelesen. Morgen ist Feiertag und ich will nochmal den Museumsbesuch angehen, auch wenn ich inzwischen gelernt habe, dass das mit den Plänen nicht zu ernsthaft zu betreiben ist .
(Platzhalter Foto Bandoneon und Kontrabass. Grmpf.)