Tag 17, Mittwoch, 3. März 2010: Geisterstadt. Alles schläft, einsam wacht. Und es zieht schon wieder Gewitter auf. Irgendwo zwischen Bartolomé Mitre, Sarmiento, Gral. Perón und Callao.
Eigentlich wäre ich heute nach Chile geflogen, und alternativ eigentlich wollte ich heute ins Museum. Für das eine, das Museum für zeitgenössische lateinamerikanische Kunst, Malba, war ich nach einer verschobenen Siesta von B zu spät dran, die Foto-Ausstellung hier um die Ecke im Teatro San Martín war wegen eines Streiks geschlossen. Also sind B und ich statt Kultur nur ein bisschen spazieren gewesen, haben Eis gegessen (B ist mein Sohn, er mag Eis. Sehr) und uns ein bisschen verlaufen. Sonst nicht viel erlebt.
Die Schule hat wieder angefangen, weshalb die Stadt morgens und zu Schulschluss an einen Kongress für sehr junge Nachwuchsmediziner erinnert: Die Schulinform der staatlichen Schulen (educación láica) besteht vor allem aus einem schlichten Kittel, dem guardapolvo, den die Kinder über ihrer Kleidung tragen. Die Kindergartenkinder oft in gelb oder blau kleinkariert, ab der Grundschule aber in ganz weiß. Die privaten Schulen haben oft typische Schuluniformen mit Faltenrock und Polohemd, aber der gesamte staatliche Sektor, der in Argentinien mit kostenloser Schulbildung eine lange Tradition hat, trägt Kittel. Das medizinische Personal der Krankenhäuser trägt ihre Uniformen ebenfalls auf der Straße, in den Pausen oder auf dem Weg zur Arbeit, allerdings meist blaue oder grüne Kasacks. Es gibt überhaupt eine starke Tendenz zu Uniform im Beruf, jede Bank hat ihre Uniform, jede Bäckerei und jeder Supermarkt sein eigenes Outfit und auch die Kinder- und Hausmädchen auf dem Spielplatz erkennt man an ihren Schürzen oder den Kasacks ähnlichen Kombinationen. Nur die Ärzte scheinen sich nicht zu uniformieren, sie tragen zumindest in den Privatpraxen offenbar lieber auch ihre Privatkleidung; vielleicht, damit sie nicht mit den Grundschülern verwechselt.
Heute hat in Mar del Plata ein Räuber einen Laden überfallen, er war mit Messern bewaffnet und bedrohte das Personal. Er dürfte allerdings Karriere als dümmster Räuber der Saison machen, denn er hat mit seinem Messer einen Waffenladen überfallen, weshalb die bedrohten Verkäufer mit Pistolen konterten und der Räuber mit einer Kugel im Kopf endete. Die ganze Sache wirkt nicht recht durchdacht.
Zwischen Supermarkt und Einrichten und verschobener Kinder-Siesta und Regen habe ich heute überhaupt nur fünf Fotos gemacht (außer einer Serie vom Baby B.), da war die Auswahl knapp. Und obwohl mich hier keiner kontrolliert, halte ich mich bisher (abgesehen von der Knieabwärts-Serie) an die selbst aufgestellten Spielregeln und nehme immer nur ein Foto vom gleichen Tag.
Außerdem bearbeite ich meine Bilder nicht, kein Photoshop, kein Kontraste verschärfen, kein Aufhellen. Never. Vorgestern im Park hatte ich ein paar junge Mädchen kennengelernt, vier Freundinnen, die mit einer schönen Nikon D60 experimentierten und irgendwann auch Bruno als Modell nahmen. Ana möchte, wenn sie dieses Jahr mit der Schule fertig ist, Fotografie studieren, sie bereitet sich gerade darauf vor und hat mir dieses wunderbare Bild von B auf der Plaza Francia kurz vor Sonnenuntergang geschickt. Sie bearbeitet ihre Bilder, und auch diese Aufnahme hat sie auf Photoshop verbessert, aber das Ergebnis ist wirklich gut. Weiter Fotos von Ana gibt es in ihrem Flickr-Stream: Ana Q.Anteayer conocí a algunas chicas, cuatro amigas, que estaban experimentando con una linda Nikon D60. En algún momento adoptaron a B como modelo. Después de terminar el colegio, Ana quiere estudiar fotografía. Se prepara para las pruebas y me manda esta foto maravillosa del bebé B en la Plaza Francia un poco antes de la puesta del sol. Ella sí trabaja sus fotos y también esta toma la mejoró en fotoshop, pero el resultado es realmente bueno. Me encanta. Más fotos de Ana pueden ver en su página de Flickr: Ana Q.
Photoshop ist nicht zwangsläufig ein Teufelszeug! 😉 Es dient ja quasi als Laborersatz: Du kannst Deine Bilder „optimieren“. Im Labor würdest Du auch mal an der Gradation drehen. Gekonnt ists, wenn man nicht „Aha Photoshop“ denkt: den Sepia Filter kann man also ruhig stecken lassen!Ich mag den dokumentarischen Stil Deiner Bilder sehr. Ob mit oder ohne Photoshop. Kompliment!
Liebe Jule, klar! Ich bin als Neuling auf dem Feld der digitalen Fotografie vielleicht zu sehr „Dogma“, im Sinne von keine gestellten Bilder, keine Nachsynchronisation :-p – oder eben kein Photoshop. Aber hey, wie wäre es, wenn Du mir mal bei einem kleinen Workshop in Berlin die Grundlagen richtig beibringst? (Wenn alle vier Kinder schlafen haben wir bestimmt eine halbe Stunde Zeit, hach, diese realistischen Pläne…)
Gerne! Wenn alle 4 Kinder schlafen?Du meinst also zwischen 1:30 und 2:30 in der Nacht?Das schaffen wir! :-p
Das erste Foto, das ich von B. sehe. ;)Sehr „interessantes“ Foto.