Tag 15, Montag, 1. März 2010: Pasaje San Lorenzo, San Telmo.
In dieser Gasse habe ich bei meinem ersten Aufenthalt hier gewohnt, im Studentenwohnheim. Das Haus mit dem Che-Grafitti war eine „casa tomada“, am Ende der Straße ein Conventillo, eine Art Gemeinschaftshaus. Es gibt in San Telmo heute wohl eher mehr besetzte Häuser, auch die Gasse wirkt noch, als wären die Häuser teilweise wilde Kommunen. Die ebenso mies gelaunte wie mies gekämmte Frau auf dem Balkon meinem Fenster gegenüber sitzt immer noch auf ihrem Plastikstühlchen und trinkt Mate. Dieses Straßencafé ist neu, damals haben die Leute eher mit ihren Flaschen auf dem Bordstein gesessen, anstatt sie auf Tischen stehen zu lassen. Es riecht ziemlich nach Hasch. Außerdem schwappt der Kunsthandwerksmarkt bis hier hinein und sie haben versucht, die Höfe zu Artesanía-Galerien eher schlichter Art umzubauen. Ein Mädchen bietet mir etwa aus Plastikstielen und Walnusshälften gebastelte Löffel an, nun ja.
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Gute Nachrichten, endlich: Jorge hat, wie vorhin schon gemeldet, seine Kinder Flavio und Ramiro gefunden, es geht ihnen allen gut. Ich bin sehr, sehr erleichtert. Mein Dichter Floridor hat ebenfalls eine Nachricht schicken können: Es geht ihm und seiner Familie gut, es ist nichts kaputt gegangen „außer der blauen Glaskugel, die, wenn sie schon nie die Zukunft vorhergesagt hat, so doch wenigstens die Gegenwart des Erdbebens angezeigt hat“, wie er mir schreibt. Der Humor scheint auch noch intakt zu sein.
Und wir haben eine Wohnung. Etwas über unserem Preislimit, aber gute Lage, sieht nett aus, und: wir haben sie. Ab morgen Mittag, wenn wir bis dahin Dollars haben.
Weiteratmen.
(Und ein Erbeben in Neuquén im Süden Argentiniens. Aber nicht so stark, sonst noch nichts bekannt. Das läuft jetzt nicht unter gute Nachrichten, aber die Erleichterung nach ein paar sehr angespannten Tagen ist heute Abend groß.)