Hilfsbereit


Am Wochenende hatte ich Chorprobe in der Musikhochschule der Landeshauptstadt, genauer gesagt im separaten Kammermusiksaal der Musikhochschule, der in einem unauffälligen Gebäude mitten in einem ruhigen Wohngebiet untergebracht ist. Ich hatte die Adresse nicht, nur einen Stadtplan mit einem roten Kreis darauf – irgendwo an dieser Kreuzung musste der Saal liegen, nur wo? Im einzigen großen Gebäude schien die Polizei untergebracht (das erwies sich als eine Fehleinschätzung, die Polizei stand dort wegen des prominenten Bewohners des Reihenhauses an der Ecke gegenüber, jenes ehemaligen hochrangigen Politikers), alles andere war privat, und kein Mensch war auf der Straße zu sehen und nirgendwo Hinweisschilder. Nur Laub und Sonne und ich. Nach ein paar Runden um den Block traf ich dann doch eine Frau mit zwei kleinen Kindern, die ich ansprach: „Wissen Sie, wo die Musikhochschule ist? Der Kammermusiksaal der Musikhochschule, er müsste hier irgendwo…“, sie schüttelte heftig den Kopf, erklärte, sie könne das nicht sagen, sie wisse nicht. Sie griff nach meinem Pan und deutete dann auf die entsprechenden Straßen, „ist hier, ist hier“. Ja. Ich versuchte, in ihr Blickfeld zu kommen, aber sie guckte auf den Plan, drehte ihn so, dass er der Perspktive entsprach und zeigte auf die Straßennamen und die Straßen um uns herum. Wo der Saal war, wusste sie nicht, und dass meine Antworten sinnlos waren, war schnell klar, sie hatte die etwas flächige Aussprache einer Gehörlosen und reagierte folglich nicht auf meine Worte, die sie nicht sehen konnte. Als sie mir schließlich den Plan zurückgab, zeigten wir uns beide zuversichtlich, dass ich das schon finden werde, ich machte die Gebärde für „Danke“ und stand tatsächlich 20 m weiter vor dem Eingang zum Kammermusiksaal.

Das Problem war nicht die Kommunikation selbst, aber eine Gehörlose ausgerechnet nach einem kleinen Saal der Musikhochschule zu fragen, hat etwas von Volltreffer.

(Was mir dazu noch einfällt: Während der Paralympics habe ich die schwärmerische Anmoderation einer Partie Blindenfußball gehört. „Aber genug der Worte! Dieses Spiel müssen Sie einfach SEHEN! Und diese Spieler, eine echte Augenweide!“)